Donnerstag, Oktober 10

Die Daten für Ostern liegen dieses Jahr im Westen und im Osten besonders weit auseinander. Der Patriarch von Konstantinopel wünscht sich in Zukunft ein gemeinsames Fest für alle Christen. Die Aussichten darauf sind gering.

Über Ostern blüht das griechische Leben in Istanbul auf. Die prächtigen Kirchen, die für die nur noch knapp tausend Seelen der Gemeinde das Jahr über viel zu gross sind, füllen sich oftmals bis auf den letzten Platz. Das Osterfest hat in der orthodoxen Welt nicht nur in theologischer, sondern auch in kultureller Hinsicht einen herausragenden Stellenwert.

Wichtiges Osterfest

Neben den Angehörigen der kleinen Minderheit nehmen viele Auswärtige an den Gottesdiensten und anschliessenden Festmahlen teil. Die allermeisten griechischen Bewohner von Istanbul sind nach den Pogromen der fünfziger und sechziger Jahre nach Griechenland ausgewandert. An Ostern reisen einige ihrer Nachkommen zurück an den Bosporus.

Diesmal dürften es noch einige mehr sein, denn das Fest liegt günstig, im fast direkten Anschluss an den 1. Mai. In Griechenland, aber auch in anderen orthodox geprägten Ländern Südosteuropas haben die Menschen so ein Osterwochenende mit besonders vielen Freitagen.

In westlichen Ländern liegt der Feiertag jedoch schon fünf Wochen zurück. Wie kommt dieser Unterschied bei den kirchlichen Feiertagen zustande, und warum ist er dieses Jahr so gross?

Das hat mit Julius Cäsar zu tun, einem Kirchenkonzil vor 1700 Jahren und mit dem Vollmond. Doch der Reihe nach.

Unterschiedliche Kalender

Bereits der vor mehr als 2000 Jahren von Cäsar geschaffene julianische Kalender führte alle vier Jahre einen Schalttag. Weil die Erde aber nicht genau 365,25 Tage braucht, um die Sonne zu umrunden, sondern etwas weniger, verschob sich im Verlauf der Jahrhunderte der Kalender allmählich zum Sonnenjahr. Der längste Tag fiel so auf der Nordhalbkugel nicht mehr auf den 21. Juni, sondern auf ein immer früheres Datum.

Papst Gregor XIII. korrigierte das im 16. Jahrhundert mit einer Reform. Im gregorianischen Kalender, der heute gebräuchlichsten Form der Datumsdarstellung, fällt das Schaltjahr deshalb alle 100 Jahre aus. Alle 400 Jahre wiederum gibt es eine Ausnahme von der Ausnahme. Im Jahr 1900 gab es deshalb keinen 29. Februar, im Millenniumsjahr 2000 aber schon.

Die orthodoxe Kirche machte den von Rom verordneten Wechsel nicht mit und hielt an der julianischen Zählweise fest. Mittlerweile beträgt der Unterschied 13 Tage. Deshalb feiert man in Russland oder Serbien erst am 7. Januar Weihnachten. Auch die Oktoberrevolution fand, aus heutiger Sicht, eigentlich im November statt. Bis zur sowjetischen Machtübernahme wurde im Russischen Reich der julianische Kalender auch ausserhalb der Kirche verwendet.

Vollmond nach Frühlingsbeginn

Beim Osterfest ist die Sache nochmals komplizierter, weil es nicht an ein festes Datum gebunden ist. Christi Auferstehung wird am ersten Wochenende nach dem ersten Vollmond nach Frühlingsbeginn gefeiert. In manchen Jahren fällt das Fest im Osten und Westen auf das gleiche Datum, meist aber nicht.

Dieses Jahr ist der Abstand besonders gross. Im gregorianischen Kalender ist der ausschlaggebende Vollmond am 25. März. Nach julianischer Berechnung liegt dieser Tag noch vor dem Frühlingsbeginn. Also gilt der nächste Vollmond am 24. April als Berechnungsgrundlage.

Am Wochenende nach diesem Datum fand aber das jüdische Pessachfest statt, das – so eine weitere Kirchenregel – nicht mit Ostern zusammenfallen darf. Deshalb feiern die weltweit 250 Millionen orthodoxen Christen sowie die Angehörigen anderer Ostkirchen erst am ersten Maiwochenende.

Aufruf des Patriarchen

Dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel sind die unterschiedlichen Ostertage schon länger ein Dorn im Auge. Bei einer Ansprache, die er kürzlich gehalten hat, nannte es Bartholomaios einen Skandal, dass nicht alle Christen gemeinsam ihr höchstes Fest feierten. Dabei gab er der Hoffnung Ausdruck, dass man sich künftig wieder auf ein gemeinsames Datum verständigen könne. Im kommenden Jahr biete sich eine gute Gelegenheit dafür.

Erstens fällt 2025 das Fest wieder einmal überall auf denselben Tag. Vor allem aber liegt das Konzil von Nicäa genau 1700 Jahre zurück. An der Kirchenversammlung im heutigen Iznik im Nordwesten Anatoliens wurde im Jahr 325 unter anderem die Berechnung des Osterdatums festgelegt. Die Feierlichkeiten zum Gedenken wollen die katholische und die orthodoxe Kirche ohnehin zusammen vorbereiten. Wäre das nicht eine gute Gelegenheit, auch die Osterfrage zu lösen?

Laut dem Münchner Theologieprofessor Stefanos Athanasiou wird in orthodoxen Kreisen seit einigen Jahren über diese Möglichkeit diskutiert. Konkrete Schritte seien ihm aber nicht bekannt. Und selbst wenn eine Verständigung mit den westlichen Kirchen zustande käme, halte er es für ausgeschlossen, dass diese von der gesamten Orthodoxie anerkannt würde.

Das hat auch politische Gründe. Nach der Anerkennung der Eigenständigkeit der ukrainisch-orthodoxen Kirche durch Bartholomaios hat der kremltreue Patriarch von Moskau alle Beziehungen zu Konstantinopel abgebrochen. Es wird noch lange mehrere Ostertage im Jahr geben.

Exit mobile version