Samstag, April 19

Der Bund muss das Ausgabenwachstum drosseln, doch nicht einmal die Kantone wollen ihre Verantwortung wahrnehmen – von manchen Parlamentariern ganz zu schweigen.

Sparen hier, Defizite dort, Finanzierungslücken überall: Man sollte meinen, langsam sei die Botschaft angekommen. Nach finanziell fröhlichen Jahren muss der Bund auf die Bremse stehen, muss in vielen Bereichen das Ausgabenwachstum reduzieren – und in einigen wenigen tatsächlich sparen. Zwar nehmen die Steuereinnahmen bis jetzt erstaunlich stetig zu, aber die Ausgaben wachsen noch stärker, primär wegen der AHV und der Armee.

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Das ist unangenehm für alle, vor allem aber für die Politik. In den vergangenen Jahren konnte sie es dabei bewenden lassen, die Früchte des Wachstums einigermassen gerecht zu verteilen. Jetzt reicht das nicht mehr. Plötzlich braucht es wieder Abstriche und Verzicht – plötzlich sind keine Überschüsse mehr zu verteilen, sondern Kröten. Ist die Schweizer Politik dazu noch imstande?

Für das Geld sollen andere sorgen

Zweifel sind angebracht. Beispiel Nummer 1: Letzte Woche hat die Sicherheitskommission des Nationalrats beschlossen, die Militärausgaben noch stärker zu erhöhen als geplant. Eine bürgerliche Mehrheit baute kurzerhand einen zusätzlichen Kredit von einer Milliarde Franken in die Armeebotschaft ein, um mehr Munition zu beschaffen. In der Sache mag das sinnvoll sein.

Aber wer soll das bezahlen? Oder anders gefragt: Wie sinn- und verantwortungsvoll ist es, für die Armee auf dem Papier noch mehr Geld zu sprechen, wenn man nicht einmal weiss, wie man die bisherigen Versprechungen finanzieren will?

Verblüffend ehrlich hat sich einer der Beteiligten dazu geäussert: Der Mitte-Nationalrat Martin Candinas erklärte in den Tamedia-Zeitungen, die Sicherheitskommission sei für die Sicherheit zuständig – über die Finanzierung müsse sich die Finanzkommission Gedanken machen. Wenn sich diese frivole Wunschlistenpolitik auch in den anderen Kommissionen durchsetzt, ist für den weiteren Verlauf der Finanzdebatte das Schlimmste zu befürchten.

Rundumschlag der Kantone

Noch bedenklicher ist das Beispiel Nummer 2: Nicht einmal die Kantonsregierungen scheinen bereit zu sein, Verantwortung zu übernehmen. Am Mittwoch hat der Bundesrat ihnen einen Brief geschickt, um noch einmal in aller Kürze und Schärfe darzulegen, was er mit seinem Entlastungspaket beabsichtigt. Er reagiert damit auf eine Stellungnahme der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK), die vier Seiten umfasst, sich aber in zwei Worten zusammenfassen lässt: so nicht.

Über einzelne Sparvorschläge kann man naturgemäss immer streiten. Aber die Kantone gehen weiter: Ob Hochschulen oder Berufsbildung, ob Regionalverkehr oder Nationalstrassen, ob Gebäudeprogramm oder Integration von Flüchtlingen – sie kritisieren praktisch flächendeckend alle Kürzungen, die der Bundesrat plant. Das ist enttäuschend.

Die Fundamentalkritik der KdK wird auch noch flankiert von Interventionen einzelner Fachkonferenzen, zum Beispiel der Sozial- oder der Energiedirektoren, die sich «entschieden» und «klar» gegen die «einschneidenden» Kürzungspläne des Bundesrats aussprechen. Interessenvertretung in Ehren – aber so degradieren sich die Kantone zu ganz normalen Lobbyisten. Ihrer staatspolitischen Rolle werden sie damit nicht gerecht.

Die Kantonsregierungen wissen selbst am besten, was es heisst, Verantwortung für das grosse Ganze namens Staat zu übernehmen. Aber ausgerechnet sie nehmen sich aus der Pflicht. Wenn man ihre Stellungnahme ernst nimmt, bleibt vom Entlastungspaket des Bundes nicht mehr sehr viel übrig – von der Glaubwürdigkeit der Kantone aber auch nicht.

Ihr Renommee im Bundeshaus scheint schon länger abzunehmen. Legen sie sich nun finanzpolitisch quer, gehen sie grosse Risiken ein. Man hat in Bern nicht vergessen, dass es der Bund war, der in der Corona-Krise den grössten Teil der Milliardenhilfen bezahlte. Wenn das Parlament in finanzieller Not rabiate Massnahmen ergreift und etwa den Kantonsanteil an der Bundessteuer oder den Finanzausgleich kürzt, haben sich die Kantone das vielleicht auch selbst zuzuschreiben.

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