Nur einen Tag vor Regierungsantritt haben die Sozialdemokraten ihre Regierungsmannschaft präsentiert. Fast alle Gesichter sind neu.
Mit der Vorstellung der sozialdemokratischen Minister am Montag in Berlin ist das Kabinett des künftigen deutschen Bundeskanzlers Friedrich Merz komplett. An die Präsentation schloss sich die Unterzeichnung des Koalitionsvertrags von CDU, CSU und SPD an, womit der Wahl von Merz im Deutschen Bundestag am Dienstag formal nichts mehr entgegensteht.
Anders als CDU und CSU liess sich die SPD bei der Auswahl ihrer sieben Bundesminister und zwei Regierungsbeauftragten im Ministerrang stark von Proporzkriterien leiten. Sechs von neun sozialdemokratischen Kabinettsmitgliedern sind weiblich, zwei stammen aus Ostdeutschland. Der Parteipräsident Lars Klingbeil liess zudem seiner Ankündigung, das Personaltableau zu verjüngen, Taten folgen. Vier der Kabinettsangehörigen sind unter vierzig.
Nicht zuletzt aus Gründen des Regionalproporzes musste Arbeitsminister Hubertus Heil aus dem Kabinett ausscheiden. Mit Finanzminister Klingbeil und Verteidigungsminister Boris Pistorius gibt es schliesslich bereits zwei Mitglieder des einflussreichen SPD-Landesverbands Niedersachsen. An Heils Stelle wird die bisherige Bundestagspräsidentin Bärbel Bas das über ein gewaltiges Budget verfügende Arbeitsministerium leiten.
Mit Verteidigungsminister Boris Pistorius wird nur ein einziger sozialdemokratischer Minister aus dem scheidenden Kabinett von Bundeskanzler Olaf Scholz auch der künftigen Regierung angehören. Der beliebte Politiker galt angesichts der Herausforderungen, vor denen die Bundeswehr steht, als gesetzt. Innerhalb des Kabinetts aufgestiegen ist Reem Alabali-Radovan. Die aus dem Irak stammende Frau war unter Scholz Staatsministerin für Integration. Künftig wird sie das Entwicklungsministerium leiten. Natalie Pawlik wird an ihrer Stelle Integrationsbeauftragte.
Aufgestiegen ist auch der neue Umweltminister Carsten Schneider, der bisher Ostbeauftragter der Bundesregierung im Rang eines Staatsministers war. Ihm folgt Elisabeth Kaiser. Von Pistorius, Schneider und Alabali-Radovan abgesehen sind alle Kabinettsmitglieder der SPD neu. Die Partei will damit offenkundig personelle Distanz zur beispiellos unbeliebten Ampelregierung unter ihrer Führung signalisieren.
Saskia Esken kommt nicht zum Zug
Nach der in der vergangenen Woche erfolgten Präsentation der Minister von CDU und CSU stand die SPD-Führung zudem unter Druck, auch unternehmerisch erfolgreiche Persönlichkeiten zuzulassen. Der CDU-Chef Merz überraschte etwa mit dem Verleger und Publizisten Wolfram Weimer als Kulturminister und dem Unternehmer Karsten Wildberger als Digitalminister.
Die SPD zog jetzt mit Verena Hubertz als Bauministerin nach. Die 37-Jährige hat bereits in jungen Jahren das Startup Kitchen Stories – eine «videobasierte, crossmediale Kochplattform», wie es auf der Website des Unternehmens heisst – gegründet. Allerdings ist sie keine komplette Seiteneinsteigerin, sondern gehört dem Bundestag bereits seit 2021 an. Aus der Landespolitik ins Bundeskabinett aufgestiegen ist die neue Justizministerin Stefanie Hubig. Die Juristin war bis anhin Bildungsministerin in Rheinland-Pfalz. Zuvor diente sie aber bereits in verschiedenen Funktionen im deutschen Justizministerium, zuletzt als Staatssekretärin.
Bis zuletzt war unklar, ob Saskia Esken, die Co-Chefin der SPD, wie von ihr erhofft einen Kabinettsposten erhalten würde. Klingbeil konnte dies aber verhindern. Gegen einen Eintritt Eskens in die Bundesregierung hatte es parteiintern jüngst starke Widerstände gegeben. So sprach sich auch ihr eigener Landesverband Baden-Württemberg gegen sie als Ministerin aus. Teile der SPD machen Esken für das desaströse Abschneiden der Partei bei der Bundestagswahl im Februar verantwortlich. Als unglücklich empfundene Äusserungen unter anderem zur Asylpolitik werden gegen sie angeführt. Esken bleibt indes bis auf weiteres SPD-Chefin.
Die SPD regiert seit 1998 mit einer Unterbrechung mit
Angesichts des unter Beweis gestellten Machtwillens Klingbeils wird es für sie allerdings nicht einfacher werden, in dem Amt Akzente zu setzen. Klingbeil wird als Vizekanzler, Finanzminister und SPD-Chef künftig ohne Frage die zentrale Figur der Partei sein. Ihm war es nach der Wahl durch einen beherzten Griff nach dem Fraktionsvorsitz und Aufbruchsrhetorik gelungen, nicht für die Niederlage in Mithaftung genommen zu werden, obwohl er als einer von zwei Parteichefs dafür genauso Verantwortung trug.
Mit einer Unterbrechung von vier Jahren ist die SPD seit 1998 an der deutschen Regierung beteiligt. Unter Kanzler Scholz führte sie ab 2021 die Bundesregierung erneut an. Im disparaten Bündnis mit Grünen und FDP bekam ihr dies allerdings schlecht. Bei der Bundestagswahl erhielt sie mit 16,4 Prozent der Stimmen ihr schlechtestes Ergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik und verlor so stark wie keine andere Partei.
Die SPD-Kabinettsmitglieder auf einen Blick
- Lars Klingbeil, 47 Jahre, Bundesminister der Finanzen, Vizekanzler
- Bärbel Bas, 57 Jahre, Bundesministerin für Arbeit und Soziales
- Boris Pistorius, 65 Jahre, Bundesminister der Verteidigung
- Verena Hubertz, 37 Jahre, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen
- Dr. Stefanie Hubig, 56 Jahre, Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz
- Reem Alabali-Radovan, 35 Jahre, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
- Carsten Schneider, 49 Jahre, Bundesminister für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit
- Elisabeth Kaiser, 38 Jahre, Staatsministerin und Beauftragte der Bundesregierung für Ostdeutschland
- Natalie Pawlik, 32 Jahre, Staatsministerin und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration