Im grossen Stil sollen in der Stadt Zürich Strassen Bäumen und Velowegen weichen. Der grüne Spleen der Linken hat längst absurde Züge.

Es muss miserabel stehen um die grösste Stadt der Schweiz. Wenn man den Wortführerinnen und Wortführern der rot-grünen Politik glaubt, ist Zürich zuschanden gerichtet von der Autolobby, gepeinigt von verpesteter Luft und nun angesichts des Klimawandels kurz vor der Versteppung. Deshalb brauche es nun weitreichende Massnahmen: Strassen sollen im grossen Stil verschwinden und durch Grünraum und Velowege ersetzt werden. Dies ist zwar seit Jahren die linke Politik. Doch nun kommt eine Idee an die Urne, die es auf die Spitze treibt.

Mehr als eine halbe Million Quadratmeter Strassenbelag soll «umgewandelt» werden. Das entspricht einem Abbau von 86 Fussballfeldern im engen Zürcher Strassenraum. Jedes Jahr sollen rund tausend Parkplätze weichen, zehn Jahre lang, bis jeder vierte öffentlich zugängliche Stadtzürcher Parkplatz verschwunden ist.

Der Verein Umverkehr hat zwei Initiativen eingereicht. Die eine zielt auf mehr Grünraum, die andere auf mehr Platz für Fuss- und Velowege. Die Stossrichtung ist dieselbe. Und es sind nicht etwa die Ideen von ein paar Versprengten: Das rot-grün dominierte Parlament ist darauf aufgesprungen. Sein Gegenvorschlag weicht von den Initiativen nur leicht ab. Folgerichtig hat Umverkehr sie zurückgezogen.

Mehr Bäume in der Stadt – das ist eine sympathische Idee. Doch in Zürich wird sie zur Maximalforderung überzogen, ohne Rücksicht auf andere Bedürfnisse. Rot-Grün peitscht zur Stadtbegrünung Abstimmung um Abstimmung durch. Erst 2021 haben die Stimmberechtigten die Richtpläne angenommen mit vielen entsprechenden Vorgaben. Im Herbst 2023 den Gegenvorschlag zur Stadtgrün-Initiative.

Und trotzdem soll es immer noch nicht genug sein. Dabei ist Rot-Grün in Zürich seit über dreissig Jahren an der Macht und damit für die bisherige Verkehrsplanung und Grünraumplanung verantwortlich.

Graue Energie wird vernichtet? Egal

607 000 Quadratmeter Strassenraum müssten gemäss der jüngsten Idee umgewandelt werden – ein Zehnjahresplan mit exakten Quadratmeterangaben wie in der schönsten Planwirtschaft. Das ist das Gegenteil einer intelligenten Interessenabwägung im Einzelfall, wie sie eigentlich angezeigt wäre.

Teilweise soll der Asphalt aufgemeisselt, teilweise auch nur mit Pflanzentrögen zugestellt werden. Die Anzahl Strassenbaustellen dürfte deutlich zunehmen. Eine Belastung für die Anwohner und eine beträchtliche Vernichtung von grauer Energie, weil Strassen ersetzt würden, bevor sie das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben. Dass dies mit den hehren ökologischen Zielen nicht zu vereinbaren ist, ist Rot-Grün egal.

Zu den Kosten ist nichts bekannt. Aber es wird teuer. Nur schon die fieberhafte Suche nach dem freien Quadratmeter wird zahlreiche Fachleute in der Verwaltung beschäftigen.

Gegen mehr Grün im Stadtbild ist nichts einzuwenden. Es ist auch richtig, dass die Stadt Strategien entwickelt angesichts der erwarteten Zunahme der Anzahl Hitzetage. Bäume sind dabei wichtig, denn sie sorgen für ein kühleres Stadtklima.

Aber diese Aufgabe kann man unaufgeregt angehen. Zürichs Klima wird sich jenem mediterraner Städte annähern. Der Hitzekollaps droht nicht unmittelbar.

Es gäbe pragmatische Ansätze, Grünräume zu fördern. Zum Beispiel kann man Parkplätze entsiegeln und versickerungsfähig machen, statt sie aufzuheben. Doch auf solche Kompromisse hat die Linke in der Stadt Zürich schon lange keine Lust mehr.

Rot-Grün sieht sich als Bannerträger des Fortschritts. Alle anderen werden als hoffnungslos rückständig abgekanzelt. Dabei ist eher die Fixierung auf die grüne Stadt erklärungsbedürftig. Als die Stadt vor einiger Zeit Visionen für das Areal um den Hauptbahnhof Zürich in Auftrag gegeben hat, sah man auf den Visualisierungen Menschen, die zwischen Bäumen schlendern. Wie das Shop-Ville künftig beliefert werden soll, blieb offen. Den Verkehr wünschten sich die Planer grösstenteils einfach weg. Stadtplaner können sich Zürich offenbar nicht mehr anders vorstellen denn als grossen grünen Park.

Das Bild von den notorisch mit Grün unterversorgten Städtern findet seine Entsprechung im sogenannten Freiraumrichtwert. Jede Stadtbewohnerin, jeder Stadtbewohner benötigt gemäss diesem exakt 8 Quadratmeter Freiraum am Wohnort. Wie fragwürdig diese Klassifizierung der Stadtplanung ist, zeigt sich beispielsweise daran, dass der innerstädtische Teil des Kreises 4 als Notstandsgebiet ausgewiesen wird. Obwohl hier Blockrandbauten mit oft grünen Innenhöfen dominieren und gleich mehrere Stadtparks in Gehdistanz liegen.

Teile von Rot-Grün wünschen sich die Stadt offenbar lieber als Dorf. Das ist insofern stimmig, da die Landromantik historisch eine Erfindung städtischer Eliten war. Im 19. Jahrhundert wollten diese Eliten dem städtischen Proletariat das gesunde Gärtnern im Schrebergarten nahelegen. Heute findet die Landromantik ihren Ausdruck in Aktionen wie «Brings uf d Strass», wo die Stadtregierung ohne Not Strassen sperren liess, um die Quartierbevölkerung zum Spielen und Gärtnern anzuleiten – wenn auch mit mässigem Erfolg.

Das graue Zürich – ein Märchen

In Wahrheit ist das graue Zürich schlicht ein Märchen. Zürich ist keine Grossstadt, kein Automoloch amerikanischen Zuschnitts. Ein Viertel des Stadtgebiets ist Wald, der sehr gut erschlossen ist. Die Stadt hat Pärke und Alleen, die sich durch die Quartiere ziehen. Das Leben in der vermeintlichen Betonwüste kann so unwirtlich nicht sein, denn die Stadtbevölkerung wächst seit 1990 kontinuierlich an, von 356 000 auf heute fast 450 000 Personen. Die Abstimmung mit den Füssen ist in der Regel die ehrlichste.

Ginge es bei der angepeilten Umverteilung des Strassenraums wirklich darum, Flächen besser zu nutzen, müssten diese dem öV zugutekommen, dem mit Abstand flächeneffizientesten städtischen Verkehrsträger in Städten. Dies ist aber gerade nicht der Fall. Vielmehr will man in erster Linie das böse Auto aus der Stadt verbannen, und sei es elektrifiziert.

Verkehr in der Stadt Zürich

Anteile in Prozent

Der Anteil des Autos am Verkehrsmix ist in der Stadt Zürich seit Jahren rückläufig. Das ist kein Unglück. Aber es zu verteufeln, ist pure Ideologie. Was jetzt geplant ist, zielt nicht auf den Durchgangsverkehr, sondern voll auf die Quartierbevölkerung, die sich bitte schön anpassen soll. Und es ist offensichtlich, wozu ein künstlich verengter Strassenraum bei anhaltendem Bevölkerungswachstum führt: Stau.

Extreme Ideen wie diese sind das Resultat einseitiger politischer Dominanz. Wird Politikerinnen und Politikern von den Stimmberechtigten jeder Wunsch erfüllt, stellen sie dauernd neue Forderungen. So kommt es, dass man abstimmen lässt – nur um zwei Jahre später wieder eine neue, weitergehende «Lösung» für das gleiche Problem zu präsentieren.

In der Zürcher Wohnbaupolitik ist Ähnliches zu beobachten. Seit Jahren werden die Stimmberechtigten mit Vorschlägen bombardiert, wie das Problem hoher Mietzinse gelöst werden soll – obwohl es bereits den städtischen Wohnungsbau, eine Vielzahl von Stiftungen und seit letztem Herbst einen üppig alimentierten Wohnraumfonds gibt. Gegen die naheliegendste Lösung aber, den Bau von mehr Wohnungen, stellt sich die Linke oft quer.

Die radikalen Umverkehr-Initiativen sind auch in anderen Städten an die Urne gelangt. In der – ebenfalls von links regierten – Stadt Basel haben die Stimmberechtigten sie abgelehnt. Trotzdem besteht die Gefahr, dass die Idee in Zürich unterschätzt wird, wenn sie im Herbst an die Urne kommt. Das wäre fatal.

Denn was grundsätzlich gut klingt, muss nicht gut sein, wenn es konkret wird. Das zeigt gegenwärtig das Beispiel der Velorouten-Initiative in Zürich. Viele jener, die 2020 an der Urne Ja gesagt haben, wehren sich jetzt in den Quartieren. Sie empfinden die Umsetzung als stur und realitätsfern.

Man kann hoffen, dass die jüngsten Extremideen an der Macht des Faktischen scheitern werden. Zum Beispiel am übergeordneten Recht, das vorgibt, dass man Anwohnerinnen und Anwohnern die Zufahrt zu ihrer Liegenschaft mit dem Auto nicht verwehren darf. Zudem muss sich die Stadt auf Quartierstrassen beschränken. Der Kanton wird seine Staatsstrassen sicher nicht für einen Umbau hergeben.

Wohin es führt, wenn es die linke Stadtpolitik zu weit treibt, hat man kürzlich bei Tempo 30 gesehen. Die Parallele zur grünen Stadt ist offensichtlich: Tempo 30 ist in Wohnquartieren vernünftig und ergibt punktuell auch auf Hauptverkehrsachsen Sinn. Aber eben nicht generell, sondern nach Einzelfallprüfung.

Weil die Städte sich aber auf die allgemeine Forderung im gesamten Siedlungsgebiet versteiften, haben sie einen Backlash auf eidgenössischer Ebene provoziert. Dort dürfte Tempo 30 auf Hauptverkehrsachsen bald empfindlich eingeschränkt werden.

Das zeigt: Auf ungesunde Übertreibungen folgt irgendwann die Quittung.

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