Montag, September 30

Auf dem Hallwylplatz sollen Beton-Bubbles die Velofahrer bremsen.

Wer freie Fahrt fürs Velo fordert, hat in der Stadt Zürich in der Regel gute Chancen. Aber in diesem besonderen Fall ging der Schuss nach hinten los. Was mit einer Reklamation aus der Zweiradfraktion begann, endet nun damit, dass die Stadt ein neues Modell von Anti-Velo-Pollern mitten in einen offiziellen Radweg stellt.

Auf dem Hallwylplatz, einem belebten Treffpunkt im Stadtkreis 4, stand seit vielen Jahren ein etwas abgenutzter Pingpongtisch. Aufgestellt hatten diesen Bewohner des Quartiers, die genau das taten, was die Stadt andernorts mit der Aktion «Brings uf d’Strass!» eher erfolglos zu fördern versuchte: Sie eigneten sich den Aussenraum als Freiraum an, stellten auch Gartenstühle zum Verweilen hin.

Lange Zeit störte die eigenmächtige Möblierung niemanden. Wenigstens nicht so sehr, dass man sich beschwert hätte. Im vergangenen Jahr aber machte jemand einen Eintrag auf der städtischen Meldeplattform für Infrastrukturschäden, wie das «Tagblatt der Stadt Zürich» berichtete. Der Pingpongtisch stehe mitten in einer Veloverbindung, dadurch komme es immer wieder zu gefährlichen Situationen. Insbesondere mit Kindern.

Tatsächlich führt der offiziell ausgeschilderte Veloweg, der an den See führt, genau an dieser Stelle quer über den Platz. Mehr noch: Auf exakt dieser Route ist in den offiziellen Plänen der Stadt Zürich auch eine der neuen Velovorzugsrouten eingezeichnet, die in absehbarer Zeit entstehen sollen.

Es ist eine Verbindung, die in der warmen Jahreszeit besonders morgens und abends von vielen Pendlern benutzt wird. Oft fahren sie mit einigem Tempo von der Morgartenstrasse her über den Platz und umkurven dabei den Spieltisch und die Aussensitzplätze eines Restaurants, das ebenfalls schon Reklamationen ausgelöst hat.

Ende Sommer 2023 erhielten die Anwohner des Hallwylplatzes Post von der Stadtpolizei. Der Pingpongtisch müsse bis Mitte September verschwinden, genauso wie die Gartenstühle. Weil: alles unbewilligt.

Doch die Anwohner wehrten sich und wandten sich mit einem Brief an die Stadt. Peter Stiefel, der am Platz ein Geschäft betreibt, erklärte im «Tagblatt»: «Tatsache ist, dass gerade dieser Tisch hilft, dass Velos und E-Bikes nicht ungebremst durchrasen und ihrerseits ständig gefährliche Situationen provozieren.»

Beton-Bubbles sollen Velofahrer bremsen

Diese Botschaft fand Gehör. Im Frühling suchten Vertreter der Stadt gemeinsam mit solchen aus dem Quartier auf dem Platz nach Lösungen. Ende Juli wurde dann offensichtlich, wie diese aussehen: Der alte Pingpongtisch kam zwar weg, aber an seiner statt stellten städtische Angestellte ein neues, deutlich massiveres Modell aus Beton auf.

Zudem malten sie in der Durchfahrt sechs weisse Kreise auf den Asphalt. Diese markieren die Stellen, an denen im September mehrere künstliche Verkehrshindernisse installiert werden, die im Fachjargon als Beton-Bubbles bezeichnet werden. Es handelt sich um niedrige Poller von Umfang und Form eines Käselaibs. Zweck ist laut der Stadt, «die Aufmerksamkeit der Velofahrenden zu erhöhen». Sie müssen abbremsen und Slalom fahren.

Konflikte zwischen Fussgängern und Velofahrern sind in Zürich ein Dauerthema. Vor allem an den vielen Stellen im Verkehrsnetz, wo sie sich aus Platzmangel ein Trassee teilen müssen. In Zukunft soll dies nicht mehr vorkommen. Neue Velowege müssen gemäss den jüngst veröffentlichten Standards der Stadt konsequent von Fusswegen getrennt werden. Ausnahmen soll es höchstens auf wenig befahrenen Strecken geben.

Begründet wird dies mit zwei gegenwärtigen Entwicklungen, die das Konfliktpotenzial laut den Fachleuten noch verschärft haben: Erstens nimmt die Zahl der Zweiräder in der Stadt generell zu. An den automatischen Zählstellen werden 84 Prozent mehr gemessen als noch vor zehn Jahren, während die anderen Verkehrsträger stagnieren.

Zweitens sind heute auch E-Bikes auf den Velowegen unterwegs, wodurch sich die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Fuss- und Veloverkehr erhöht hat. Hinzu kommen Trendfahrzeuge wie E-Trottinette und E-Roller. Sie dürfen die Wege nach geltendem Recht ebenfalls benutzen, wovon auch Kurierdienste in zunehmender Zahl Gebrauch machen.

Unfälle sind selten, aber die Verunsicherung hat zugenommen

Dadurch hat sich vor allem in den Köpfen einiges verändert. Denn objektiv betrachtet sind die gemischten Verkehrsflächen in den Städten gar nicht so schlecht wie ihr Ruf.

Dies hat ein Forschungsprojekt im Auftrag des Bundes gezeigt, das vor einem Jahr zu einem überraschenden Ergebnis kam: Die Zahl der registrierten Unfälle sei vergleichsweise gering, die Durchmischung daher nicht unsicher. Was aber zugenommen habe, seien Konfliktsituationen mit Beinahe-Unfällen. Vor allem Fussgänger fühlten sich daher vermehrt unsicher.

Auch der Hallwylplatz ist vielleicht ein Konfliktherd, aber alles andere als ein Unfallschwerpunkt, wie die Polizeistatistik zeigt. In den letzten zehn Jahren wurde dort ein einziges Ereignis verzeichnet: ein Parkierunfall ohne Beteiligung eines Velos.

Die Beton-Bubbles, die dort im Herbst installiert werden, sind in Zürich ein neuer Ansatz, Konflikte zwischen Fussgängern und Velofahrern zu entschärfen. Sie wurden bislang erst einmal eingesetzt: an einer kritischen Stelle hinter dem Bahnhof Oerlikon, wo Velofahrer in einer scharfen Kurve auf eine stark begangene Rampe einbiegen.

Dass solche Elemente den gewünschten Effekt erzielen, zeigt ein anderer Versuch auf dem Fischerweg entlang der Limmat. Dort häuften sich im Sommer die Konflikte, besonders zwischen schnell fahrenden Berufspendlern auf dem Velo und Spaziergängern sowie Hundehaltern. An einer unübersichtlichen Stelle beim historischen Hardturm kam es laut einer Studie auch zu Kollisionen. Die Stadt liess deshalb vor einem guten Jahr kugelförmige Elemente aus Beton in den Weg stellen. Seither bremsen die Velofahrer dort laut einem aktuellen Bericht zur Verkehrssicherheit stärker ab.

Bleibt die Frage, ob sich solche künstlichen Hindernisse mit Velovorzugsrouten vereinbaren lassen, auf denen man möglichst flüssig vorankommen soll. Gemäss den Vorgaben der Stadt ist dies der Fall: Wo diese Routen über platzähnliche Begegnungszonen führen, haben Fussgänger immer Vortritt. Bei der Realisierung müsse man entsprechende Lösungen finden.

Auf dem Hallwylplatz erübrigt sich die Frage allerdings. Denn laut Evelyne Richiger vom Tiefbauamt wird die dort geplante Vorzugsroute nach aktuellem Stand voraussichtlich nicht mehr über den Platz geführt, sondern darum herum. Die Beton-Bubbles sind also nur eine Übergangslösung, bis die Velos dort ganz verschwinden.

Aber der Pingpongtisch aus Beton, wie für die Ewigkeit gemacht – der bleibt.

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