Montag, September 30

Der Stadtrat hat den Verkauf des Grundstücks in Eigenregie beschlossen und wurde dafür vom Verwaltungsgericht gerüffelt.

Im unscheinbaren Industriequartier von Rapperswil-Jona gibt es ein Stück Land, das Behörden, Gerichte und Lokalmedien seit bald zwei Jahren beschäftigt.

Denn auf dem Grundstück zwischen Boulderhalle und Fitnesszentrum, in der Nähe die kleine Bahnstation Blumenau, plante das schweizerisch-chinesische Unternehmen Sino Swiss für 20 Millionen Franken ein Innovation-Center, in dem sich asiatische Firmen mit ihren Europa- und Schweiz-Niederlassungen ansiedeln sollten.

Sino Swiss spricht von einem «Brückenschlag zwischen Asien und der Schweiz», die Rede ist von einer langfristigen Strategie. In der chinesischen Stadt Chongqing hat das Unternehmen den Sino-Swiss-Techno-Park gegründet.

Die Lokalmedien bezeichnen den Landverkauf in Rapperswil als «China-Deal», und diese Bezeichnung ist nicht freundlich gemeint.

Das 2000 Quadratmeter grosse Grundstück gehört der Stadt. Und die habe, so lautet der Vorwurf, den Landverkauf an der Bevölkerung vorbeischmuggeln wollen. Besonders gross darüber ist die Empörung beim Online-Portal «Linth24». Es widmet dem «China-Deal» auf seiner Website gar ein eigenes Dossier. Das «St. Galler Tagblatt» titelte dazu: «Wilder Westen in Rapperswil-Jona».

Was ist passiert?

«Käufer durchleuchten lassen»

Der Verkauf des Grundstücks beschäftigt die Stadt Rapperswil-Jona schon seit Jahren. Als die Sino Swiss – eine Tochtergesellschaft der chinesischen Fenshare Holding – Interesse am Land bekundet, ist der Stadtrat nicht abgeneigt, im Gegenteil. Ein Innovationszentrum mit Verbindung nach Asien passe gut in das wirtschaftliche Umfeld von Stadt und Region und soll der regionalen und überregionalen Wirtschaft «wertvolle Impulse» verleihen. So wird es der Stadtrat später erklären.

Doch als die Exekutive im Februar 2021 in Eigenregie einem Verkaufsvertrag zustimmt, weiss die Bevölkerung nichts davon. Sie wird erst zwei Jahre später informiert, im Februar 2023, als die Sino Swiss ein Baugesuch einreicht und dazu eine Medienmitteilung verschickt.

Für 2,4 Millionen Franken soll das Grundstück an das Unternehmen gehen, wenn eine Baubewilligung vorliegt. Das beschliesst der Stadtrat in Eigenregie. Gegenüber der «Linth-Zeitung» sagt Stadtpräsident Martin Stöckling: «Wir haben den Käufer durchleuchten und uns beraten lassen, mit der Wirtschaftsförderung Zürich und St. Gallen geredet und auch mit dem Schweizer Konsulat. Die Lämpchen leuchteten nirgends rot auf.»

Rote Lämpchen leuchten hingegen beim Online-Portal «Linth24» auf. Es titelt: «Landverkauf stinkt zum Himmel». Für das Portal ist klar: Auf diese Weise hätte der Stadtrat den «China-Deal» nicht abwickeln dürfen. Ab einem Betrag von 2 Millionen Franken hätte der Stadtrat den Landverkauf dem fakultativen Referendum unterstellen müssen, was er aber nicht getan hat.

Der Stadtrat argumentiert hingegen, massgebend sei der amtliche Verkehrswert – und dieser betrage 1,4 Millionen Franken. Somit sei der Stadtrat legitimiert gewesen, selbst über den Verkauf des Grundstücks zu befinden.

Gegen die Pläne von Sino Swiss geht eine Einsprache ein – und zwar von Bruno Hug, dem Mann hinter dem Portal «Linth24», der den «China-Deal» verhindern will. Das Kuriose daran: Mit seiner Einsprache bewirkt er vorerst das Gegenteil. Laut «St. Galler Tagblatt» sollte der Vertrag mit Sino Swiss wegen einer Klausel hinfällig sein, wenn bis zum 31. Januar 2024 keine Baubewilligung vorliege – ausser, wenn eine Einsprache eingehe. Dann werde der Vertrag automatisch um zwei Jahre verlängert.

Im Regionalsender TVO frohlockt der Stadtpräsident Martin Stöckling: «Man kann es drehen und wenden, wie man will: Bruno Hug hat mit seiner Einsprache bewirkt, dass das Projekt vorderhand überlebt.»

Doch das Vorgehen des Stadtrats ruft auch den ehemaligen SP-Präsidenten Hanspeter Raetzo auf den Plan. Raetzo ist überzeugt davon, dass auch der Verkehrswert über 2 Millionen Franken hätte betragen sollen. Er legt beim St. Galler Departement des Innern Beschwerde ein. Und geht, als diese Beschwerde abgelehnt wird, vor das Verwaltungsgericht.

Mit Erfolg. Das Verwaltungsgericht heisst die Beschwerde im Juli dieses Jahres gut und weist die Angelegenheit an die St. Galler Regierung zurück. Eine «verwaltungsunabhängige Fachperson», die sich noch nicht mit der Sache befasst habe, müsse das Land neu schätzen. Kurz darauf beschliesst die Kantonsregierung, der Stadtrat dürfe vorerst kein Land an die Sino Swiss übertragen.

Ein «gut gemeinter» Verkauf

Langsam schwindet die positive Grundstimmung in Rapperswil-Jona. Gegenüber dem «St. Galler Tagblatt» erklärt der SVP-Stadtrat Kurt Kälin, man habe sehr wohl registriert, dass sich die öffentliche Einstellung zu China verändert habe. Aber der Stadtrat habe es gut gemeint mit dem Verkauf: «Wir haben es gemacht, weil wir uns gefragt haben, wie wir Jungunternehmer und Startups besser unterstützen können.»

Nun aber hat der Stadtrat den Landverkauf von sich aus gestoppt, wie er am Mittwoch mitteilte. Er nennt dafür mehrere Gründe. Nachdem die einzige Einsprache im Juni zurückgezogen worden sei, habe Sino Swiss die Stadt aufgefordert, eine Baubewilligung zu erteilen und die Grundbuchanmeldung vorzunehmen. Daraufhin liess der Stadtrat den Kaufvertrag juristisch überprüfen. Und diese Überprüfung habe ergeben, dass Sino Swiss verschiedene vertraglich vereinbarte Fristen nicht eingehalten habe.

Unter anderem wird die Frist vom 31. Januar genannt, bis zu welcher ein bewilligungsfähiges Projekt hätte vorliegen müssen. «Der Stadtrat wollte damit erreichen, dass das Land nur für die Erstellung eines Innovation-Centers verwendet und das Grundstück in absehbarer Zeit auch so genutzt wird.» Doch innert dieser Frist sei kein vollständiges und damit bewilligungsfähiges Bauprojekt vorgelegen.

Laut Stadtrat ist zudem weiterhin unklar, ob der Kaufvertrag dem fakultativen Referendum hätte unterstellt werden müssen. Man sei zwar mit den Überlegungen des Verwaltungsgerichts nicht einverstanden, sehe aber von einem Weiterzug ans Bundesgericht «aus verschiedenen rechtlichen» Gründen ab.

Wegen des dahingefallenen Vertrags dürfe weder eine Grundbuchänderung vorgenommen noch eine Baubewilligung erteilt werden. Dies, so schreibt es der Stadtrat lapidar, habe man an der ersten Sitzung nach den Sommerferien festgestellt. Sino Swiss sei schriftlich informiert worden.

Für den Stadtrat scheint die Angelegenheit erledigt zu sein. Bei Sino Swiss reagiert man hingegen konsterniert. Man sei über die Aussagen des Stadtrats «sehr überrascht» und höre diese zum ersten Mal, teilt der Geschäftsführer Dominik Widmer gegenüber der NZZ mit. «Es ist eine deutliche Abkehr von der bisherigen Kommunikation der Stadt gegenüber Sino Swiss», sagt Widmer.

Man habe den Vertrag ebenfalls regelmässig juristisch prüfen lassen. Diese Prüfungen hätten ergeben, dass Sino Swiss die massgeblichen Fristen eingehalten habe und der Kaufvertrag grundsätzlich nach wie vor gültig sei – «eine Auffassung, welche die Stadt bis anhin gegenüber uns und der Öffentlichkeit ebenfalls so kommuniziert hatte». Sino Swiss will zu einem späteren Zeitpunkt über das weitere Vorgehen informieren.

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