Dienstag, Oktober 1

Der neue Wohndelegierte der Stadt hat extreme Ansichten. Seine Stelle ist nicht nur teuer, sondern auch unnötig.

So viele Vorschusslorbeeren hört man selten. «Fachlich, methodisch und kommunikativ äusserst versiert», sei der Mann. Dazu «interessiert, überlegt und strategisch denkend». Ein wahrer Alleskönner scheint er zu sein, der Wohndelegierte der Stadt Zürich, der am 1. Januar seine Arbeit aufnimmt.

Philippe Koch heisst der vollmundig angekündigte Heilsbringer. Der rot-grüne Zürcher Stadtrat, allen voran die SP-Stadtpräsidentin Corine Mauch, versprechen sich viel vom «Mister Wohnen». Die neu geschaffene Stelle soll «die Aktivitäten im Querschnittthema Wohnen strategisch bündeln», «den Diskurs auf allen politischen Ebenen aktiv führen und prägen» sowie «die Wohnpolitik des Stadtrats weiterentwickeln». Das hat gerade noch gefehlt.

Kein anderes Thema wird im politischen Zürich derart hyperaktiv bearbeitet wie das Wohnen. Die linken Parteien überbieten sich mit Vorstössen und Initiativen. Die Stadt selber kauft im Wochentakt Wohnungen auf. Von der Stadt geförderte Genossenschaften und Stiftungen ziehen laufend neue Siedlungen hoch. In der Verwaltung werden Berichte geschrieben und Statistiken geführt.

Warum neben all dem eine zusätzliche, fürstlich entlöhnte Kaderstelle im Departement Mauch geschaffen werden muss, ist schleierhaft. Einen neuen Wohndelegierten – kurz «Wodel» – braucht es nun wirklich nicht. Der Stadtrat übt sich in Symbolpolitik.

Selbst der linken Alternativen Liste geht der neuste Streich zu weit. Statt die Verwaltung zu erweitern, täte der Stadtrat besser daran, sie zu reorganisieren und so die Effizienz zu steigern, findet sie. Es sind Worte der Vernunft, wie man sie von den anderen linken Parteien in der Stadt – der SP und den Grünen – vermisst. Und die GLP und die Mitte sind in diesem Fall nicht besser. Auch sie winkten die Anträge für die neue Stelle plus «administrative Führungsunterstützung» im Stadtparlament durch.

Der GLP-Sprecher meinte, dies sei in der Wohnpolitik der letzten Jahre eine der «günstigsten Massnahmen» überhaupt; das Preis-Leistungs-Verhältnis stimme.

Zum Preis: «Mister Wohnen» wird bis zu 250 000 Franken verdienen; genaue Angaben macht die Stadt nicht. Zur Leistung: Mit Blick auf Philippe Kochs bisherige Tätigkeiten stellen sich diesbezüglich einige gewichtige Fragen.

Koch ist heute als Professor für Stadtpolitik und Urbane Prozesse an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften tätig. Aufgefallen ist der 47-Jährige immer wieder mit klaren Meinungen zur Wohnpolitik. So findet er etwa, man müsse «den Boden der Spekulation und der Renditeorientierung entziehen», Bau- und Bodenrecht müsse man «entkoppeln». Seit vielen Jahren engagiert sich Koch im aktivistischen Verein Umverkehr.

Es sind extreme Positionen für einen Mann, der laut Stellenbeschrieb fähig sein sollte, «unterschiedliche Sichtweisen im Bereich Wohnen gut integrieren zu können». Wie soll ein städtischer Angestellter, dessen Pläne auf Enteignungen herauslaufen, mit privaten Immobilienfirmen an einen Tisch sitzen und pragmatische Lösungen erarbeiten? Ein solches Unterfangen ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Zürichs Wohnpolitik dürfte mit ihm noch ideologischer werden.

Dass Aktivisten in die Stadtverwaltung befördert werden, ist keine Premiere. Zuvor wurde etwa schon Dave Durner, der langjährige Geschäftsführer von Pro Velo und hartnäckige Lobbyist, zum Velobeauftragten ernannt. Die Bürgerlichen sprachen damals zu Recht von Klientelpolitik.

Auch der neue «Mister Wohnen» soll vor allem der linken Wählerschaft signalisieren: «Wir nehmen eure Sorgen ernst, wir machen etwas.» Wunderdinge sind von ihm jedoch keine zu erwarten – eher im Gegenteil. Auf diese unnötige Stelle hätte man getrost verzichten können.

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