In Zukunft sind hohe Gebäude vor allem in Oerlikon und Altstetten vorgesehen.

Kaum eine Gebäudeart vermag die Gemüter derart zu erhitzen wie das Hochhaus. Seine Gegner sehen es als Bedrohung für die Aussicht, das Stadtbild und die Umwelt, kritisieren den Schattenwurf und dass die Wohnungen darin, wenn es denn überhaupt welche gebe, viel zu teuer seien.

Auch die Stadt Zürich hat bis heute eine wechselhafte Beziehung zu hohen Bauten. So bekämpfen die Jungen Grünen derzeit das von der UBS beim Bahnhof Altstetten geplante Bürohochhaus aus Holz, und ein Komitee fordert in der sogenannten Uferschutzinitiative, dass Hochhäuser nicht näher als 200 Meter an ein Gewässer gebaut werden dürfen.

Auf den Bauboom folgte ein Hochhausverbot

Klar ist: Ein hässliches Hochhaus ist auffälliger als ein architektonischer Fehlgriff mit drei Geschossen.

Die ersten Hochhäuser – also Gebäude, die über 25 Meter in die Höhe ragen – entstanden in Zürich in den 1950er Jahren. Das 1966 erbaute Lochergut hat inzwischen fast schon Kultstatus. Mit den bis zu 94 Metern hohen Hardau-Türmen entstanden Mitte der 1970er Jahre die bis dahin höchsten Gebäude der Stadt Zürich.

Der Hochhausboom hielt jedoch nicht an. 1984 erwirkte eine Initiative ein Hochhausverbot für die Innenstadt. Anfang der 1990er Jahre wurde das Verbot im kantonalen Planungs- und Baugesetz festgeschrieben.

Doch auch das sollte nicht von Dauer sein. Vor der Jahrtausendwende verankerte die Stadt Zürich Hochhausgebiete in der Bau- und Zonenordnung (BZO).

Seither sind 120 Hochhäuser entstanden. Etwa 60 Prozent davon sind gemäss Angaben des Hochbaudepartements niedriger als 40 Meter. Damit verfügt die Stadt Zürich über rund 300 Hochhäuser – bei insgesamt gut 50 000 Gebäuden.

In den letzten Jahren hat der Stadtrat eine revidierte Version des aus dem Jahr 2001 stammenden Regelwerks ausgearbeitet. «Die Ansprüche an Hochhäuser müssen sich verändern können», sagte der Hochbauvorsteher André Odermatt (SP) am Mittwoch vor den Medien.

Ziel der neuen Richtlinien sei, mehr Verbindlichkeit für alle Beteiligten – vonseiten der Behörden wie auch der Planer und Bauherrschaften – zu schaffen, führte Katrin Gügler, Direktorin Amt für Städtebau, aus.

Zudem werde damit den drängenden Herausforderungen unserer Zeit, etwa in den Bereichen Ökologie und soziale Nachhaltigkeit, Rechnung getragen. So müssten die Bauherrschaften die graue Energie für den Bau und den Betrieb möglichst gering halten, sagte Gügler.

An der gesamten Fläche der Hochhausgebiete habe sich unter dem Strich nur wenig verändert, fuhr sie fort. Die Stadtkarte zeige aber präziser definierte Flächen und neu eine Konzentration der Hochhausgebiete auf Zürich West und Nord – die Stadtteile, in denen das Potenzial für Wachstum am grössten sei.

Etwa im Langstrassenquartier oder im Sihlfeld sind derweil im Vergleich zur derzeit geltenden Gebietskarte keine Hochhauszonen mehr vorgesehen. Auch an Hang- oder Kuppenlagen, bei bedeutenden Ortsbildern oder in Kern- und Quartierzonen sollen die Häuser künftig die 25-Meter-Marke nicht mehr überschreiten. In einigen Gebieten, etwa im Umfeld der Hochschulen, habe die Stadt zudem keine Handhabe, weil dort die kantonale Gebietsplanung gelte.

Gebiete für 60 Meter hohe Häuser

Die Möglichkeiten, innerhalb der Regelbauweise bis 80 Meter hoch zu bauen, sind in den neuen Richtlinien eindeutig geschrumpft. Bisher galt die 80-Meter-Limite in weiten Teilen von Altstetten, Oerlikon und Seebach. Neu sind sie auf den Gleisbereich in Zürich West und um den Bahnhof Oerlikon konzentriert.

Sind damit Gebäude wie der über 120 Meter hohe Prime Tower künftig gar nicht mehr möglich?

Doch, sagt Gügler. «Sie unterliegen aber der Gestaltungsplanpflicht.» Die Bauherrschaft müsste mit ihrem Vorhaben also auch das Stadtparlament überzeugen.

In den einstigen 80-Meter-Gebieten in Altstetten soll neu das Maximum 60 Meter gelten. Diese Zone habe man neu geschaffen, um den Sprung zwischen den bisherigen Limiten von 40 und 80 Metern zu verringern, erklärte die Direktorin des Amtes für Städtebau.

Aber auch die Stadtregionen, in denen künftig bis zu 40 Meter hohe Häuser erlaubt sein sollen, hat die Stadt erweitert. Insbesondere in Schwamendingen und Affoltern.

«Die definierten Gebiete sind kein Freipass, um dort nur noch in die Höhe zu bauen», betonte Gügler. Vielmehr gehe es darum, in einem immer komplexer werdenden Baugebiet mehr Spielraum zu schaffen. Auch könnten mit hohen Häusern Akzente gesetzt oder Flächen freigespielt werden. Eine höhere Ausnutzung ist gesetzlich nicht möglich.

Hohes Haus, hohe Hürden

Auch gelte die Devise: «Je höher das Hochhaus, desto strenger die Anforderungen», hielt Gügler fest. Sie müssten einen Beitrag für die Allgemeinheit leisten. Etwa mit öffentlichen Erdgeschossen oder Aussenräumen, die sich positiv auf das Lokalklima auswirkten. Diese Regeln würden mittels Sonderbauvorschriften in der BZO verankert: «So können sie verbindlich eingefordert werden.»

Weiter oben im Haus solle es gemeinschaftlich genutzte Räume geben, sagte Gügler. So, wie sie beispielsweise von der ABZ-Genossenschaft auf dem Koch-Areal geplant seien. «Die Idee ist, eine vertikale Siedlung zu bilden. Etwa mit auf verschiedene Stockwerke verteilten Waschküchen.»

Bei Gebäuden über 60 Meter sollen zudem die obersten Geschosse publikumsorientiert genutzt werden – etwa mit einem Gastronomiebetrieb auf dem Dach.

In den Hochhausrichtlinien sollen künftig aber nicht nur die baulichen Qualitätsanforderungen definiert sein, sondern auch die Informationspflicht gegenüber der Quartierbevölkerung. Für Bauten ab 60 Metern Höhe ist deshalb neu festgehalten, dass früh im Planungsprozess eine Quartierveranstaltung durchgeführt werden muss, um die Menschen in der Nachbarschaft mit ihren Bedürfnissen abzuholen. Auch im obligatorischen Konkurrenzverfahren soll das Quartier vertreten sein.

Frühestens 2025 in Kraft

Über die angepassten Richtlinien muss nun das Stadtparlament entscheiden. Wann genau sie in Kraft treten und ob es noch einer Abstimmung bedarf, dazu sei noch keine verbindliche Aussage möglich. «Das hängt auch davon ab, ob ein Referendum ergriffen wird», sagte Odermatt. Es dürfte also frühestens gegen Ende 2025 so weit sein.

Über die Uferschutzinitiative und den Gegenvorschlag stimmt die Stadtzürcher Stimmbevölkerung am 22. September ab. Droht ein Ja zur Initiative die gerade erst beschlossenen Hochhausrichtlinien zu gefährden? André Odermatt lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Viel würde sich nicht ändern. Vor allem habe der Stadtrat aber einen guten Gegenvorschlag ausgearbeitet.

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