Donnerstag, Februar 6

Stadträtin Simone Brander kann nicht restlos erklären, wie die hohen Kosten zustande kommen.

Wie viel dürfen Velowege kosten? Die Zürcher Stimmberechtigten haben diese Frage letztmals vor zehn Jahren gestellt bekommen. Damals forderten die jungen Grünen in einer Initiative 200 Millionen Franken. Dem Stadtrat war das deutlich zu viel. Sein Gegenvorschlag von 120 Millionen Franken setzte sich beim Urnengang vom Juni 2015 durch.

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Heute ist das anders. Heute will der Stadtrat noch viel mehr Geld ausgeben, nämlich 350 Millionen Franken. Mit einem Rahmenkredit will er das Velowegnetz «beschleunigt und durchgängig» umsetzen, wie er am Mittwoch schreibt. Das Volk wird darüber wiederum an der Urne entscheiden. Wegen der Höhe der Summe ist ein Volksentscheid zwingend.

Ziel des Rahmenkredits sei es, die Finanzierung für die gesamte Veloinfrastrukur zu vereinheitlichen und damit zu vereinfachen. Einzelne Objekte, wie beispielsweise eine teure Velobrücke, kämen bei einer Annahme des Rahmenkredits trotzdem noch vors Volk.

80 Millionen Franken kosten alleine die Velo-Highways

Das wichtigste Element sind auch im neuen Paket die Velovorzugsrouten – jene Velo-Highways, die sich dereinst durch die ganze Stadt ziehen sollen, erkennbar an den grünen Streifen an den Strassenrändern. Ein solcher ist zum Beispiel an der Mühlebachstrasse im Seefeld zu sehen. Diese Velo-Highways haben neu ein Preisschild: 80 Millionen Franken für 130 Kilometer.

Hinzu kommt das bereits bestehende Netz von Velowegen entlang von Strassen, gelb markiert. Es wird ebenfalls mit viel Geld aufgewertet, es sollen aber auch neue Velowege entstehen. Total will die Stadt hier 90 Millionen Franken ausgeben.

Die stolzen Beträge werfen Fragen auf. Denn die bisher bestehenden Velo-Highways und Velowege wurden angelegt, ohne dass dafür, soweit ersichtlich, aufwendige Tiefbauarbeiten notwendig gewesen wären. Salopp gesagt: Es scheint, als sei im Wesentlichen Farbe – einmal Grün, einmal Gelb – auf die Fahrbahn gepinselt worden. Wieso braucht es dafür einen dreistelligen Millionenbetrag?

Die Tiefbauvorsteherin Simone Brander (SP) sagt auf Anfrage der NZZ, die heute sichtbare Markierung der Velovorzugsrouten sei nur der erste Schritt. Langfristig sei es das erklärte Ziel, dass mindestens 50 der 130 Kilometer Velovorzugsrouten den hohen Standards der Initiative «Sichere Velorouten für Zürich» von 2020 entsprächen – was bedeutet, dass sie weitgehend autofrei sein müssten.

Dies wiederum sei nur mit aufwendiger Planung möglich, sagt Brander. Es brauche Verkehrsstudien, aber auch bauliche Massnahmen, um den Autoverkehr von den Velorouten fernzuhalten. Bei den übrigen Velowegen werde man fallweise Velowege abgetrennt von der Strasse führen. Auch dies koste.

30 Millionen Franken sind im Rahmenkredit zudem für Velostationen und Veloabstellplätze vorgesehen. Für Velobrücken und dergleichen sind weitere 150 Millionen Franken eingestellt. Konkret geplant ist derzeit nur eine Brücke: Sie soll vom Polizei- und Justizzentrum im Kreis 4 über das Gleisfeld in den Kreis 5 führen. Zwar gibt es bereits bestehende Querungsmöglichkeiten, doch die Idee der Brücke ist es, den Lettenviadukt direkt zu verlängern.

Alleine dieses Bauwerk würde die Hälfte des Betrag verschlingen – die Kosten hat die Stadt vor drei Jahren mit 75 Millionen Franken beziffert. Gemäss der Stadt handelt es sich allerdings um eine Schätzung in einem frühen Stadium.

Heisst: Es würde nicht überraschen, wenn die Kosten dafür nochmals kräftig in die Höhe schiessen würden.

Bei den Bürgerlichen kommen die Pläne des Stadtrats schlecht an. Andreas Egli, Verkehrspolitiker und FDP-Gemeinderat, ist überrascht. Er sagt: «Wir fragen uns, woher diese exorbitant hohen Kosten kommen sollen.» Das sei nach heutigem Stand völlig nebulös.

Bisher sind erst zwei Velorouten gebaut

Egli ist sich sicher, dass auch die Stimmberechtigten nie mit solchen Kosten gerechnet haben, als sie die Velorouten-Initiative 2020 an der Urne angenommen haben. «Dies war in keiner Weise erkennbar.» Tatsächlich ging es bei diesem Urnengang nicht um Zahlen, sondern um einen Grundsatzentscheid. Egli sagt, es sei gut denkbar, dass die FDP den Kredit bekämpfen werde, wenn er dann an die Urne komme.

Der SVP-Gemeinderat Stephan Iten spricht von «irrwitzigen» Zahlen. Sie seien auch unglaubwürdig, wenn man sich vor Augen halte, dass der Stadtrat selbst noch vor zehn Jahren 120 Millionen Franken als ausreichend erachtet habe.

Die SP hingegen lobt ihre eigene Stadträtin: «Endlich» treibe die Stadt die Umsetzung des Veloroutennetzes «mit der nötigen Dringlichkeit» voran. Sie lasse sich dabei auch von «Rekursen der Autolobby» nicht einschüchtern.

Letzteres ist eine Anspielung darauf, dass das ersehnte Netz von Velo-Highways erst in Bruchteilen erstellt ist. Bis jetzt gibt es deren zwei: auf der Basler- und der Bullingerstrasse im Kreis 4 und auf der Mühlebachstrasse im Seefeld. Sieben weitere Projekte befinden sich in Planung.

In den Quartieren gibt es Widerstand – zum Beispiel in Wollishofen. Dort kommt er allerdings nicht von der «Autolobby», sondern von Anwohnerinnen und Anwohnern, die sich wegen rasender Velofahrer um die Sicherheit der Schulkinder sorgen. Kürzlich wurde bekannt, dass sie den Rechtsweg gegen die Stadt beschreiten werden.

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