Die Bilder sollen für 3 Millionen Franken erneut auf ihre Herkunft untersucht und pädagogisch korrekt ausgestellt werden. Einmal mehr gilt in Zürich: Man macht etwas fürs gute Gefühl, auch wenn es wenig bringt.

Das Kunsthaus Zürich ist in Geldnot. Um 4,5 Millionen Franken möchte es die jährlichen Subventionen erhöht haben. Diese Woche gab das Museum bekannt, dass es von der Stadt obendrauf zusätzliche 3 Millionen Franken verlangt, um die Bilder der Sammlung Bührle einmal mehr auf ihre Herkunft zu untersuchen und die Werke neu zu präsentieren.

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Seit die wertvolle Gemäldesammlung des ehemaligen Waffenfabrikanten Emil Georg Bührle 2021 in den Erweiterungsbau des Kunsthauses einzog, überbieten sich Historiker und Journalisten damit, dem Museum und der Stadt moralisches Versagen anzulasten. Sich dagegen zu verteidigen, ist angesichts der Umstände nicht ganz einfach: Mehrere Werke aus der Sammlung gehörten einst jüdischen Nazi-Opfern, Bührle belieferte auch Hitler-Deutschland mit seinen Waffen. Die Vorwürfe, man verwedle bewusst die Herkunft und kümmere sich zu wenig um die Aufarbeitung, entfalten selbst dann Wirkung, wenn sie stark übertrieben oder sogar faktisch falsch sind.

Die Verantwortlichen des Kunsthauses und der Stiftung Bührle reagierten so, wie man in der Schweiz unter Druck oft reagiert: Zuerst wiesen sie auf selbstbewusste, ja arrogante Weise alles zurück, irgendwann knickten sie ein und verfielen in Hyperaktivität. Es gab einen runden Tisch, ein Historiker untersuchte die Werke erneut, die Ausstellung wurde mit Hinweisen auf das Schicksal jüdischer Sammler ergänzt, einige Bilder, die womöglich zurückgegeben werden müssen, wurden präventiv abgehängt.

Diese Woche gab das Kunsthaus bekannt, die Herkunft der Bilder noch einmal zu erforschen und die Präsentation umzugestalten. Den Lebensgeschichten der jüdischen Sammler und der Waffenproduktion Bührle soll in Zukunft je eine eigene Ausstellung gewidmet werden. Der erzieherische Teil nimmt somit wohl einen noch grösseren Platz ein. Die Stiftung Bührle, die Eigentümerin der Bilder, hat sich zudem verpflichtet, mit den Erben der Vorbesitzer eine «gerechte und faire Lösung» anzustreben, sollte die Forschung neue Hinweise auf einen durch Flucht ausgelösten Verkauf hervorbringen.

Bei den möglichen «NS-Verfolgungs-bedingt entzogenen Kunstwerken» – so lautet der offizielle Begriff – geht es längst nicht mehr um Raubkunst. Dass von den Nazis gestohlene Gemälde zurückgegeben werden müssen, ist schon seit Ende des Kriegs unbestritten. Bührle trat 1948 dreizehn seiner Bilder den rechtmässigen Eigentümern ab, neun davon kaufte er gleich wieder zurück. Auch bei Werken, die in höchster Not zu einem viel zu tiefen Preis verkauft wurden, herrscht breiter Konsens, dass eine Lösung gefunden werden muss.

In den letzten Jahren wurden die Kriterien für Rückgaben oder Entschädigungen allerdings sukzessive ausgeweitet. Heute steht jedes Werk aus jüdischem Besitz unter Verdacht, das vor und während des Zweiten Weltkriegs verkauft wurde. Im letzten Bührle-Untersuchungsbericht des Historikers Raphael Gross werden sogar Bilder in einen Verfolgungszusammenhang gestellt, die Bührle erst mehrere Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs in London, New York und Zürich gekauft hat.

Vor allem die USA machten in den letzten Jahren Druck, dass die internationalen Richtlinien zur Restitution stetig ausgeweitet wurden. Selber halten sie sich allerdings nicht daran. Das Guggenheim-Museum in New York weigerte sich zum Beispiel 2024, einen Picasso zurückzugeben, den ein jüdisches Paar 1938 auf der Flucht verkaufen musste. Ein Gericht gab dem Museum recht.

In Zürich getraut sich niemand mehr, das alles zu hinterfragen. Die Verantwortlichen des Kunsthauses wirken derart eingeschüchtert, dass sie auf Nachfrage nur noch auf die Stadt verweisen, deren Vorgaben sie einzuhalten hätten. Und die Stadt tut bekanntlich alles, um bei moralisch aufgeladenen Themen als Musterschülerin dazustehen. Egal, ob die Massnahmen sinnvoll sind oder nicht.

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