Mittwoch, Dezember 4

Eine ernüchternde Zwischenbilanz zu einem ambitionierten Ziel.

Eine halbe Milliarde Franken gibt die Stadt Zürich jedes Jahr aus, um bis zum Jahr 2040 klimaneutral zu werden. Politisch ist das so gewollt, die Stimmbevölkerung hat dem Vorhaben im Mai 2022 mit 75 Prozent Ja-Anteil deutlich zugestimmt. Die hohen Investitionen sollen durch die Einsparungen bei den Energiekosten grösstenteils kompensiert werden.

Doch eins zeigt sich je länger, je mehr: Die Stadt hat sich ein Mammutprojekt aufgehalst – und es ist fraglich, ob sie die Ziele erreichen kann. Der jüngste Zwischenbericht zu Netto-Null, den der Stadtrat am Montag präsentiert hat, fällt jedenfalls ernüchternd aus.

Der Grund: Die Stadt kann noch so viele Massnahmen zur Einsparung von CO2 beschliessen, ihr Einfluss ist begrenzt. Lediglich 15 Prozent des ausgestossenen Treibhausgases sind direkte Emissionen – damit sind der Verkehr auf Stadtgebiet, das Heizen von Gebäuden oder die Abfallentsorgung gemeint.

1100 fossile Heizungen ersetzt

Hier kann die Stadt den Hebel ansetzen, und hier kann sie auch Fortschritte vermelden. Sie vergrössert das Fernwärmenetz und treibt den Wechsel von Öl- und Gasheizungen auf umweltfreundliche Alternativen voran. Letztes Jahr wurden 1100 fossile Heizungen durch Fernwärme oder Wärmepumpen ersetzt, entsprechend ist der Verbrauch von Öl und Gas gesunken.

Beim Verkehr liegt der Fokus auf einem ausgebauten öV und verbesserte Bedingungen für Velofahrer und Fussgängerinnen. Das Auto ist im Zürich der Zukunft höchstens noch eine Randerscheinung, die Stadt peilt 30 Prozent weniger Autoverkehr an.

Netto-Null sei bei den direkten Emissionen «ambitioniert, aber realistisch», erklärte Stadtrat Andreas Hauri (GLP). Im Jahr 2023 sank der CO2-Ausstoss von 2,4 auf 2,3 Tonnen pro Einwohner und Jahr. 2010 lag dieser Wert noch bei 3,7 Tonnen.

Damit ist es schon vorbei mit den guten Nachrichten. Denn bei den indirekten Emissionen, die 85 Prozent aller ausgestossenen Treibhausgase ausmachen, hat die Stadt kaum eine Handhabe. Diese Emissionen fallen an beim Fliegen oder bei der Herstellung von Baumaterialien und Lebensmitteln sowie ganz allgemein beim Konsum.

Die Ausgangslage ist schwierig: Seit 1990 haben diese indirekten Emissionen um einen Viertel zugenommen, was unter anderem an der erhöhten Bautätigkeit und dem zunehmenden Flugverkehr liegt. Bei beidem ist keine Trendwende in Aussicht. Die Stadt Zürich lechzt nach mehr Wohnraum, und die Leute fliegen offenbar lieber nach New York, als mit dem Zug ins Tessin zu fahren.

Dennoch hat es sich die Stadt zum Ziel gesetzt, die indirekten Emissionen bis 2040 im Vergleich zu 1990 um satte 30 Prozent zu senken.

Hoffen auf klimaschonenden Treibstoff beim Fliegen

Tapfer führt der Stadtrat am Montag Massnahmen auf, wie dieses Ziel geschafft werden soll: Etwa, indem Gebäude vermehrt saniert statt abgebrochen und neu gebaut werden. Auch die Verwendung von umweltfreundlichen Baumaterialien soll helfen. Im Bereich Mobilität hofft die Stadt darauf, dass sich in der Flugbranche nach und nach klimaschonender Treibstoff durchsetzt. Das alles klingt verdächtig nach dem Prinzip Hoffnung.

Klar ist auch: Die Stadt kann den Zürcherinnen und Zürchern das Fliegen, den Fleischkonsum oder den übermässigen Kauf von billiger Kleidung nicht verbieten. Also versucht sie es mit «Nudging», mit Anreizen also, die das Verhalten der Menschen in eine bestimmte Richtung lenken sollen, in diesem Fall ist das die Nachhaltigkeit.

Das geschieht mal mehr, mal weniger explizit. Im Gebiet Binz/Alt Wiedikon ist ein «Netto-Null-Quartier» geplant. Dort sollen Erkenntnisse gewonnen werden, «wie das freiwillige Engagement für die Erreichung des städtischen Klimaziels erhöht werden kann.» Es ist unklar, was das genau bedeutet. Immerhin verspricht der Stadtrat: «Was funktioniert, werden wir weiterverfolgen, was nicht funktioniert, wieder abbrechen.»

Umtriebig ist der Stadtrat auch beim Thema Konsum und Ernährung. So führte die Stadt im Juni zum dritten Mal gemeinsam mit Zürcher Gastrobetrieben die Aktion Klima «à la Carte» durch, bei dem Restaurants täglich mindestens ein «klimafreundliches» Menu anboten. Und im Stadtspital ist das «klimafreundliche» Menu aktuell günstiger als dasjenige mit Fleisch.

Allerdings ist selbst im rot-grünen Zürich die Bereitschaft beschränkt, auf liebgewonnene Privilegien zu verzichten. Als die Stadt die Gratis-Entsorgungscoupons für Recyclinghöfe strich, war die Empörung auch bei linken Politikerinnen und Politikern gross. Stadträtin Simone Brander (SP) macht am Montag vor den Medien noch einmal klar: Die Coupons sind definitiv Geschichte. «Wer Sperrgut entsorgt, soll dafür bezahlen.»

Ohnehin möchte man die Zürcherinnen und Zürcher dazu animieren, vermehrt Gegenstände zu reparieren statt wegzuwerfen. Ab dem nächsten Jahr sollen auf dem Josef-Areal in einer Zwischennutzung gut erhaltene Gegenstände weitergegeben und selten benötigte Artikel ausgeliehen werden können. Zudem bietet die Stadt die Möglichkeit an, defekte Gegenstände reparieren zu lassen.

Solche Angebote gibt es schon heute. Als Gegenveranstaltung zum Black Friday organisierte die Zentralwäscherei letzten Donnerstag den «Repair Tuesday». Das Interesse war bescheiden: Gemäss «Tele Züri» kamen gerade einmal sieben Personen vorbei, um defekte Geräte zu flicken.

Sind die Klimaziele realistisch? Der Stadtrat räumt ein, dass besonders die Einsparungen bei den indirekten Emissionen, auf die er wenig Einfluss hat, eine «grosse Herausforderung» seien. Klimaschutzziele seien in der internationalen Politik und Wirtschaft zwar stark verbreitet. Doch es bestünden grosse Unsicherheiten bei der Umsetzung.

Im Zwischenbericht zu Netto-Null der Stadt heisst es dazu vielsagend: «Ambitionierte Ziele und tatsächlich implementierte Massnahmen klaffen oft auseinander.»

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