Mittwoch, Juni 26

Mit Fördergeldern will die Stadt zu Innovation und Vielfalt in der Kultur beitragen. Doch wird das auch erreicht?

Eines der wichtigsten Museen der Schweiz steckt in einer Krise: Die Trägerschaft des Kunsthauses Zürich, die Kunstgesellschaft, weist eine Überschuldung von 4,5 Millionen Franken auf. Begründet wird die Finanzmisere insbesondere mit dem teuren Betrieb des Chipperfield-Erweiterungsbaus.

In einem Interview mit der NZZ sagte Philipp Hildebrand, der Präsident der Kunstgesellschaft: «Was das auf der Betriebskostenseite bedeutet, ist letztlich nicht konsequent zu Ende gedacht worden.»

Die Finanzprobleme müssen auch die Stadt Zürich interessieren, denn das Museum wird jedes Jahr mit städtischen Fördergeldern bedacht. 2024 erhielt die Kunstgesellschaft als Trägerverein des Museums 13,5 Millionen Franken. Der Stiftung Zürcher Kunsthaus, der die Liegenschaften gehören, wurden fast 5 Millionen Franken an Betriebsbeiträgen zugesprochen.

Offenbar überlegen die Verantwortlichen des Museums nun, bei der Stadt nach einer Subventionserhöhung zu fragen. Bisher ist bei der Stadt allerdings noch kein entsprechender Antrag eingegangen, wie der Sprecher des Präsidialdepartements gegenüber der NZZ sagt.

Das Kunsthaus gehört zu denjenigen Institutionen, die am meisten Subventionen von der Stadt erhalten. Rund 140 Millionen Franken zahlt sie jedes Jahr für die Kulturförderung in Zürich. Die mit Abstand höchsten Beiträge gehen an Theater, Musik und bildende Kunst. Grund dafür ist, dass in diesen Bereichen drei Institutionen viel Geld erhalten: neben dem Kunsthaus sind dies die Tonhalle und das Schauspielhaus.

Diese Sparten profitieren von Kultursubventionen, in Mio. Fr.

Das Schauspielhaus erhält am meisten Subventionen

Beiträge in Mio. Fr.

Die Stadt spricht aber nicht nur Millionenbeiträge, sondern auch vergleichsweise kleinere, etwa für die Zürcher Sängerknaben (150 000 Franken), den Verein Spontankonzerte (84 300 Franken) oder die James-Joyce-Stiftung (90 000 Franken).

Ohne finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand könnten die meisten Institutionen nicht überleben. Doch wer wie viel Geld erhalten soll, ist umstritten. Das liegt insbesondere am Vergabemodell der Stadt: Es werden grundsätzlich befristete und unbefristete Subventionen gesprochen, dazu kommen einmalige Beiträge.

Die Subventionen der grossen Häuser bleiben unangetastet

Wie komplex das System ist, zeigt sich am neuen Fördersystem für Tanz und Theater, das Anfang Jahr eingeführt wurde. Um in diesem Bereich mehr Raum für Innovation zu schaffen, hat der Stadtrat beschlossen, mit einem Teil des Subventionsgeldes künftig Konzepte statt Häuser zu fördern.

Konkret mussten Institutionen Ideen einreichen, um in den Genuss von Förderbeiträgen während sechs Jahren zu kommen. Auch Tanz- und Theatergruppen sowie Einzelpersonen konnten sich bewerben. Die Konzepte wurden von einer Jury überprüft, der Stadtrat beschloss die Beiträge. Letztlich wurden neun Häuser mit Subventionen bedacht. Zwei gingen leer aus: das Theater Stok und der Keller 62. Beide fürchten nun um ihre Existenz.

Die 6,5 Millionen Franken an Fördergeldern, die mit der Konzeptförderung jährlich vergeben werden, sind ein kleiner Teil aus dem Subventionstopf. Das Problem ist aber: Innovation zeigen müssen insbesondere die kleinen Institutionen, nicht die grossen. Diese erhalten weiterhin unbefristet Subventionen. Allen voran das Schauspielhaus.

Im Jahr 2023 wurde es mit 39 Millionen Franken bedacht, obwohl die Intendanten am Publikum vorbeispielten. Die Auslastung lag im Geschäftsjahr 2022/23 im Pfauen bei 48 Prozent, es resultierte ein Verlust von 1,39 Millionen Franken. Trotzdem bleiben die Subventionen unangetastet. Der Verwaltungsrat bat gar um höhere Beiträge, was Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) als oberste Kulturverantwortliche aber ablehnte.

Grüne: noch mehr Geld für die Kultur

1 bis 1,5 Prozent des städtischen Gesamtaufwands gehen an die Kulturförderung. Der Grünen-Gemeinderat Urs Riklin findet: «Es müssten eher 2 Prozent sein.» Riklin ist Teil der Kulturkommission. Er glaubt nicht, dass Subventionen träge machen. Im Gegenteil: «Finanzielle Ressourcen schaffen einen Rahmen, der Innovation begünstigt. Mit mehr Geld hätten Kunstschaffende und Institutionen auch die Möglichkeit, Neues auszuprobieren und unter Umständen auch einmal zu scheitern.»

Dieses Credo gelte auch für das Kunsthaus. «Bekäme es weniger Geld, wäre es möglicherweise gezwungen, vor allem auf populäre und weniger auf experimentelle Ausstellungen zu setzen.»

Die Kulturförderung komme aber nicht nur der Kunst allein zugute, sagt Riklin: Sie ermögliche auch bessere Arbeitsbedingungen für Kulturschaffende und – bauliche – Investitionen zur Erreichung der Klimaziele.

Im neuen Fördersystem für Tanz und Theater haben die meisten Häuser weniger Geld für die eingereichten Konzepte bekommen als beantragt. Gegenüber der NZZ kommentierte der Schauspieler und Regisseur Daniel Rohr, der seit rund zwanzig Jahren das Theater Rigiblick leitet, das neue System so: «Die Institutionen zerfleischen sich gegenseitig.»

Der Grünen-Gemeinderat Riklin findet, es brauche sogar höhere Beiträge. Denn mit gleichbleibenden Mitteln sei es für die Häuser schwierig, die in der Konzeptförderung angestrebte Innovation zu realisieren.

Zudem sei die Unterstützung durch die öffentliche Hand heute wichtiger denn je, weil die private Finanzierung schwieriger werde: Stiftungen würden seit einiger Zeit weniger Mittel sprechen oder nur Einjahresverträge abschliessen, was die Planung für Kunstschaffende erschwere. Auch beim Sponsoring sei es zu grösseren Verschiebungen gekommen.

Deshalb verlangen die Fraktionen der SP, der Grünen und der AL in einer Motion, die Fördergelder für Tanz und Theater ab der zweiten Sechsjahreperiode «substanziell» zu erhöhen. Sie beklagen eine «notorische Unterdotierung der Fördermittel». Der Vorstoss wird demnächst im Stadtparlament behandelt.

Bürgerliche: linker Einheitsbrei statt Diversität

Auf der bürgerlichen Seite klingt es anders. Der SVP-Gemeinderat Stefan Urech findet, dass die Stadt eher zu viele Subventionen spreche – und vor allem am falschen Ort. «In der Theorie will die Stadt in der Kulturförderung die Vielfalt in der Bevölkerung berücksichtigen. Aber das tut sie nicht», sagt Urech. «Sie fördert den linken Einheitsbrei.» In fast allen Sparten gehe es zunehmend darum, politische Botschaften zu senden. «Als Bürgerlicher fühle ich mich nicht angesprochen und teilweise auch nicht erwünscht.»

Die FDP-Gemeinderätin Yasmine Bourgeois sieht es ähnlich. Gerade die städtischen Theater würden kein diverses Publikum ansprechen, sondern mit mehrheitlich «woken» Programmen die traditionellen Theatergänger vertreiben. Die Folgen hätten sich insbesondere im Schauspielhaus mit einer tiefen Auslastung gezeigt.

Bourgeois hofft deshalb, dass die neuen Intendanten Pınar Karabulut und Rafael Sanchez, die ab der Spielzeit 2025/26 im Schauspielhaus übernehmen, frischen Wind bringen – und wieder mehr Publikum. «Experimente auf der Bühne sollen bei einem hochsubventionierten Theater erlaubt, aber nicht die Regel sein.»

Die städtischen Gelder für die Konzeptförderung zu erhöhen, hält Bourgeois für falsch. Besser wäre es aus ihrer Sicht, die Subventionen der grossen Theater zu kürzen – und den kleinen weniger Auflagen zu machen. Diese könnten sich den administrativen Aufwand, um Konzepte bei der Stadt einzureichen, kaum leisten.

Einer allfälligen Subventionserhöhung für das Kunsthaus steht sie kritisch gegenüber. Die Institution habe zwar zu kämpfen gehabt mit den Folgen des Brandes, sagt Bourgeois. «Aber für solche Fälle muss man doch Rückstellungen bilden.»

Die finanzielle Situation des Kunsthauses beschäftigt nicht nur die Bürgerlichen. GLP und SP haben beim Stadtrat eine Anfrage dazu eingereicht. Die Parteien wollen wissen, wie der Stadtrat die Zahlungsfähigkeit der Kunstgesellschaft einschätzt und ob er gedenkt, die Subventionen zu erhöhen.

Dazu hat sich die Exekutive noch nicht geäussert. Der Stadtrat hat die Kunstgesellschaft aber aufgefordert, «alle erforderlichen Schritte zu unternehmen», um die finanzielle Situation zu stabilisieren. Ab 2027 soll das Kunsthaus keine Schulden mehr machen.

Nun prüft das Kunsthaus Massnahmen, und die könnte auch das Publikum zu spüren bekommen: Die Ticketpreise sollen erhöht und die Öffnungszeiten am Mittwochabend reduziert werden.

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