The Market Momentum Screen

Das spricht für den Trendfolge-Ansatz: Die meisten der Spitzenreiter im Momentum Screen sind Altbekannte. The Market zeigt, welche Aktien aktuell noch Potenzial haben und wo die Luft langsam dünn wird. Denn wichtig ist nicht nur die relative Stärke, sondern immer auch die Bewertung.

Die Anleger haben wieder Mut zum Risiko gefasst. Stand im vergangenen Momentum Screen vom 8. April noch der Ausverkauf im Mittelpunkt, sind die Vorzeichen nun schon wieder andere. Die Unsicherheit über Einfuhrzölle und die wirtschaftlichen Folgen sind vorerst verflogen. Das hinterlässt auch deutliche Spuren im Ranking der stärksten Aktien.

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Immerhin 29 der 40 von The Market beobachteten Aktienindizes notieren nun wieder über ihrem 200-Tage-Durchschnitt, darunter auch der Swiss Leader Index (SLI). Noch am 8. April lagen 39 der 40 unter diesem Durchschnitt (die einzige Ausnahme seinerzeit: der polnische Leitindex WIG).

Das Panorama ist nun weniger düster, aber uneinheitlich. Ein Blick auf die Indizes zeigt: Polnische Aktien aus dem WIG reüssieren weiterhin, unterdessen dümpeln dänische Valoren aus dem KFX dahin, nicht zuletzt wegen der ausgeprägten Kursschwäche des Index-Schwergewichts Novo Nordisk.

Bei kleineren Aktien tut sich eine transatlantische Kluft auf: Während deutsche Nebenwerte aus dem SDax ein respektables Kursmomentum vorzuweisen haben, sind die kleinen US-Titel aus dem Russell 2000 besonders schwach.

So gegensätzlich das Bild also auf den ersten Blick erscheinen mag: Schaut man auf die vorderen Ränge der Tabellen im Momentum Screen, herrscht eine gewisse Konformität. Die Gewinner von morgen scheinen die von gestern zu sein. Das spricht für den Ansatz, bei dem Anleger auf fundamental attraktiv bewertete Aktien mit Aufwärtstrend setzen.

Die Idee des Momentum Screen

In den Tabellen des Momentum Screen sind Aktien bekannter Indizes nach relativer Stärke sortiert. Je stärker das Kursmomentum, sprich, je nachhaltiger der Aufwärtstrend, desto weiter oben sind sie zu finden. Ein solcher Trend setzt sich häufig fort («The trend is your friend»). Messen lässt er sich anhand der relativen Stärke nach Levy (RSL). Die Kennzahl setzt den aktuellen Aktienkurs ins Verhältnis zum Durchschnittskurs der vergangenen 26 Wochen (multipliziert mit 100). Aktien, deren Kurs deutlich über dem Mittelwert liegt, haben Momentum. Gute RSL-Werte beginnen bei über 105 bis 110 (5 oder 10% über dem Durchschnittskurs) oder liegen über dem Mittelwert für den Gesamtmarkt. Um das Risiko der Methode abzufedern, sollten die Aktien zudem fundamental attraktiv bewertet sein, weshalb sich auch entsprechende Kennzahlen wie zum Beispiel das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) in den Tabellen wiederfinden. Der Momentum Screen kombiniert so Trendfolge mit Value Investing.

Im deutschen Leitindex Dax, der sich derzeit besonders schwungvoll gibt, sind abermals der Rüstungskonzern Rheinmetall, der von höheren Verteidigungsausgaben profitieren dürfte, sowie Siemens Energy, Heidelberg Materials, Commerzbank, E.On und Deutsche Bank ganz vorne zu finden. Manche Anleger setzen wohl auf positive Effekte des 500 Mrd. € schweren Infrastrukturfonds des Bundes. Die laufende Berichtssaison hat an dem gewohnten Bild erst einmal nichts geändert. Im Gegenteil, mehrere 52-Wochen-Hochs kommen noch als positives Signal hinzu.

Nicht alle Aktien, die ganz oben in den Tabellen im Momentum Screen zu finden sind, stellen aber auch ein lohnendes Investment dar. Ein Aufwärtstrend ist nur die halbe Miete. Eine attraktive Bewertung sowie ein solides Geschäftsmodell und gute Aussichten gehören ebenfalls dazu. Das ist bei vielen europäischen Bankaktien gegeben, deren Erfolgsserie das fünfte Jahr in Folge anzuhalten scheint.

Die Commerzbank (Coba) legt am nächsten Freitag, 9. Mai, Zahlen zum ersten Quartal vor. Sie dürften ähnlich gut ausfallen wie bei anderen europäischen Kreditinstituten. Die bei Bloomberg erfassten Analysten erwarten einen Ertrag von 2,96 Mrd. € (Q1 2024: 2,75 Mrd. €) und ein Nettoergebnis von 687 Mio. € (Q1 2024: 747 Mio. €). Der Konsens für das Kosten-Ertrags-Verhältnis liegt bei 56,3%. Das bedeutet, dass die Coba für jeden verdienten Euro rund 56 Cent ausgeben muss. Die harte Kernkapitalquote (CET1) soll den Schätzungen zufolge 15% betragen.

Die zweitgrösste Geschäftsbank Deutschlands dürfte ein besonders grosser Profiteur des Investitionsprogramms der Bundesregierung sein, das mit der heute inthronisierten neuen Koalition um Bundeskanzler Friedrich Merz wieder in den Fokus rückt.

Im vergangenen Jahr erzielte die Coba 71% ihres Ertrags in Deutschland und 51% ihres Gewinns mit Firmenkunden. Von einer durch den Stimulus wachsenden Wirtschaft und einer stärkeren Kreditnachfrage würde die Mittelstandsbank also besonders profitieren. Dank der steileren Zinskurve dürfte auch der Zinsüberschuss höher ausfallen. Ein Unsicherheitsfaktor bleiben die Auswirkungen der US-Zölle auf die deutsche Wirtschaft.

Philipp Hässler, Analyst bei der DZ Bank, erwartet, dass die Commerzbank überdurchschnittlich zum Markt wächst und rechnet bis 2027 im Mittel mit einem jährlichen Wachstum des Gewinns je Aktie von 16%. Von einem kurzfristigen Übernahmeangebot durch Unicredit geht er hingegen nicht aus. Am Markt ist die Fusionsfantasie denn auch erst einmal in den Hintergrund getreten und das Fiskalpaket wieder in den Fokus der Anleger gerückt.

Die Commerzbank-Valoren sind mit einem Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) von 0,8 nach wie vor attraktiv bewertet. Sie entsprechen also dem, was The Market mit dem Momentum Screen aufspüren will: günstigen Aktien mit Aufwärtstrend.

Was das Momentum angeht, stehen die Valoren von Deutsche Bank denen der Commerzbank in nichts nach.

Das grösste deutsche Kreditinstitut hat bereits Zahlen zum ersten Quartal vorgelegt. Der Gewinn fiel demnach so hoch aus wie seit vierzehn Jahren nicht. Der Vorsteuergewinn betrug 2,8 Mrd. € – ein Plus von 39% zum Vorjahr. Vom Ertrag in Höhe von gut 8,5 Mrd. € entfielen rund 3,4 Mrd. € auf das Investmentbanking. Die Sparte, deren Entwicklung sehr schwer zu prognostizieren und schwankungsanfällig ist, trug mit 1,5 Mrd. € (+22%) mehr als die Hälfte zum Gewinn bei. Vor allem das Geschäft mit festverzinslichen Wertpapieren und Währungen lief dank der hohen Unsicherheit an den Märkten wie geschmiert. Eine Fortsetzung ist ungewiss.

Auch gespart wurde und wird weiter fleissig. Im laufenden Jahr sollen 2000 Stellen wegfallen und weitere Filialen schliessen. Das Kosten-Ertrags-Verhältnis lag im ersten Quartal bei 61,2% (Q1 2024: 68,2%).

Besonders erfreulich: Die Rendite auf das materielle Eigenkapital (RoTE) erreichte im traditionell guten ersten Jahresviertel 11,9%. Die Bank strebt 2025 mehr als 10% an – ein ambitioniertes Ziel, lag der Wert im vergangenen Jahr doch gerade einmal bei 4,7%. Wenn es nach dem Bankhaus Metzler geht, gelingt Deutsche Bank dies nicht. Metzler-Analyst Jochen Schmitt rechnet mit 9% und hält die Wachstumsaussichten der Bank über das Jahr 2025 hinaus für begrenzt. The Market ist ebenfalls skeptisch.

Das KBV beträgt 0,7. Aufgrund des Geschäftsmodell scheinen die Aktien der Commerzbank jedoch gegenüber denen von Deutsche Bank die sichere Wahl zu sein.

Eine Alternative zu den gut laufenden deutschen Bankaktien sind die Valoren von Banco Santander aus Spanien.

Die nach Marktkapitalisierung grösste Bank der Eurozone hat ihren vierten Rekordgewinn in Folge eingefahren. Das Ergebnis im ersten Quartal schnellte um fast ein Fünftel auf 3,4 Mrd. € hoch. Dabei halfen das gut laufende Geschäft mit Privatkunden in Spanien und eine geringere Belastung durch die heimische Bankensteuer.

BANCO SANTANDER Q1’25 FINANCIAL RESULTS | Héctor Grisi

Das Kosten-Ertrags-Verhältnis betrug wie schon Ende 2024 hervorragende 41,8% – ein Wert, von dem andere Banken nur träumen können. Die harte Kernkapitalquote (CET1) lag bei 12,9%. Die Aktien sind mit einem KBV von 1 bewertet und führen im Momentum Screen die Tabelle des Stoxx Europe an.

Richtig viel Schwung haben auch die Aktien des Mittelständlers Friedrich Vorwerk, die im SDax ganz vorne rangieren.

Der Pipeline- und Anlagenbauer für Erdgas-, Strom- und Wasserstoffanwendungen und Indexneuling war bislang eher nur Nebenwertespezialisten bekannt, etwa Elmar Peters. Der Geschäftsführer der Fondsgesellschaft Praemium Capital hatte ihn früh auf dem Zettel, hat die Position mittlerweile aber reduziert. «Die starken Kurssteigerungen haben aus unserer Sicht das Chancen-Risiko-Verhältnis in ein neutrales entwickelt», sagt Peters, der die Geschäftsaussichten für Vorwerk «weiterhin als ausserordentlich positiv» einschätzt. Der Fondsmanager setzt derzeit mit Discount-Zertifikaten auf den Nebenwert und wartet auf niedrige Kaufkurse.

Denn die Aktien sind mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis des für die nächsten zwölf Monaten geschätzten Gewinns von 25 recht hoch bewertet. Der langjährige Durchschnitt seit Vorwerks Börsengang Ende März 2021 liegt bei 18. Der Ausgabepreis betrug seinerzeit 45 € je Aktie – ein Niveau, das die Valoren erst im März dieses Jahres wieder erreichten.

Die Analysten von Berenberg (die Hamburger Privatbank war seinerzeit federführend beim IPO) stören sich dagegen nicht an der hohen Bewertung. Die Aktien von Friedrich Vorwerk seien der breiten Masse noch weitgehend unbekannt, der Ausblick des Managements eher verhalten und aufgrund der aktuellen Kapazitätsengpässe im Markt höhere Margen möglich. Das Unternehmen peilt 2025 einen Umsatz von 540 Mio. bis 570 Mio. € und eine Ebitda-Marge von 16 bis 17% an.

Kursmomentum ist nicht alles, The Market stuft die Aktien wie Peters daher derzeit als zu teuer ein.

Unter den eidgenössichen Valoren aus dem SMI Expanded (SMI und SMIM) sticht neben den zuletzt starken Titeln Lindt & Sprüngli, Swiss Life und Helvetia nun besonders Belimo hervor. Bei den US-Aktien aus dem Dow-Jones-Index ist es Boeing.

Die Aktien des Klimaspezialisten haben zwar Momentum, sind aber vergleichsweise teuer. Das heisst jedoch nicht, sie per se für unattraktiv zu erklären. Das KGV für die nächsten zwölf Monate liegt zwar bei 47. Zum Vergleich: der Zehnjahresdurchschnitt beträgt 35 – und selbst das ist nicht gerade günstig.

«Der Kapitalmarkt gibt einen hohen Vertrauensvorschuss, den Belimo in der Vergangenheit aber auch rechtfertigen konnte», sagt Henrik Muhle von der Fondsgesellschaft Gané. Belimo sei eine «Kernposition» in seinem Global Equity Fund und man habe sie vor Ankündigung der Zahlen zum abgelaufenen Quartal noch einmal aufgestockt. In Muhles Augen kommen bei Belimo mehrere Dinge zusammen, so wie es einst Charlie Munger als «Lollapalooza-Effekt» beschrieben hat. Das Unternehmen wächst stark und arbeitet sehr profitabel, liegt die Rendite auf das gebundene Kapital (ROCE) doch bei 26,3%. Es habe Rechenzentren als neues Geschäftsfeld für sich definiert, werde herausragend geführt und erlebe eine gewisse Sonderkonjunktur.

Überrascht war der Markt jüngst, als der Hinwiler Hersteller von Steuerungsgeräten für die Klimatechnik, der eher für konservative Prognosen bekannt ist, die Prognose angehoben hat (in einer Zeit, in der viele andere über die grosse Unsicherheit klagen). Für das laufende Geschäftsjahr erwartet der Weltmarktführer nun ein Umsatzplus in Lokalwährungen von 15 bis 20% und eine Ebit-Marge von mehr als 20%.

In der Vergangenheit wuchs Belimo mit Raten von 8 bis 10%. Sollten 15 bis 20% die Regel werden, ist die aktuelle Bewertung zu relativieren.

Turbulent geht es weiter beim mit Qualitätsproblemen kämpfenden US-Flugzeugbauer Boeing. So dürfen chinesische Airlines im laufenden Handelsstreit zwischen den USA und der Volksrepublik derzeit keine zur Auslieferung bereitstehenden Boeing-Maschinen mehr annehmen. In Summe geht es dabei in diesem Jahr um rund fünfzig Flieger.

Die Quartalszahlen verheissen dagegen ein Ende der Dauerkrise. So lieferte Boeing im ersten Jahresviertel 130 Passagier- und Frachtjets aus. Das sind fast fünfzig mehr als vor einem Jahr. Der Umsatz stieg um 18% auf 19,5 Mrd. $, und der Verlust sank von 355 Mio. auf 31 Mio. $.

Boeing verkauft zudem Teile seiner Navigationssparte für 10,6 Mrd. $ an die Private-Equity-Gesellschaft Thoma Bravo. Das ist deutlich mehr als die 6 Mrd. $, die Boeing sich ursprünglich erhofft hatte und kam an der Börse sehr gut an. Denn der Erlös soll dem Flugzeugbauer auch helfen, trotz der Verluste sein Investment-Grade-Rating zu behalten. Boeing stärkt so also die Bilanz und fokussiert sich weiter auf das Kerngeschäft.

Grundsätzlich bevorzugt The Market zwar den europäischen Wettbewerber Airbus. Sehr mutige Anleger können sich aber auch einmal die Valoren von Boeing genauer anschauen. Sie sind mit einem Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) von 1,8 bewertet und führen den schwachen Dow Jones in Sachen Kursmomentum an.


Über diesen Link gelangen Sie zum Dokument mit sämtlichen Tabellen.

Haben Sie Anregungen zum Momentum Screen? Vermissen Sie eine Tabelle? Dann schreiben Sie uns: ulrich.hanke@themarket.ch.

Der Autor hält Aktien der Commerzbank.

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