Montag, Oktober 7

Der FDP-Präsident sagt in einem Interview, die Differenzen mit der SVP seien in vielen Bereichen beträchtlich. Auch die Zusammenarbeit mit der Mitte sei zurzeit schwierig.

Die FDP arbeite mit anderen Parteien zusammen, um Mehrheiten in wichtigen Themen zu gewinnen, sagt Thierry Burkart in der «Schweiz am Wochenende». Nur so könne das Land vorankommen. Doch die Differenzen mit der SVP seien in vielen Bereichen beträchtlich. Auch gegen die Mitte und die SP teilt er aus.

Als Beispiel nennt Burkart die Individualbesteuerung. Diese sei ein Gebot der Gleichberechtigung der Geschlechter. Die FDP-Frauen haben eine Initiative (Steuergerechtigkeitsinitiative) eingereicht, die verlangt, dass jede Person unabhängig von ihrem Zivilstand einzeln besteuert wird. Die SVP ist aber gegen die Individualbesteuerung. Diese schaffe neue Ungleichheiten, schwäche insbesondere das traditionelle Familienmodell und erhöhe den bürokratischen Aufwand für alle Beteiligten, schreibt die SVP auf ihrer Website.

Unterschiede bestehen auch bei der Neutralitätsinitiative der SVP, die die Freisinnigen bekämpfen. Diese würde «die Schweiz isolieren», so Burkart. Die Initiative verlangt, dass die Neutralität in der Bundesverfassung niedergeschrieben wird als immerwährend und bewaffnet. Gemäss Initiativtext wäre eine Zusammenarbeit mit Militär- und Verteidigungsbündnissen wie der Nato nur «für den Fall eines direkten militärischen Angriffs auf die Schweiz» möglich. Sanktionen gegenüber kriegführenden Staaten wie Russland dürfte die Schweiz nicht übernehmen.

Wermuth stimmt Dettling zu, Vorwürfe seien lächerlich

Doch offenbar geht es Burkart um mehr als die Aufzählung von Differenzen in bestimmten Dossiers. «Die SVP kippt in vielen Fragen immer mehr ins linke Lager», sagt der FDP-Präsident, wobei er Themen wie die einheitliche Finanzierung stationärer und ambulanter medizinischer Leistungen oder staatliche Investitionskontrollen meint. Die SVP werde «zur gewöhnlichen europäischen rechtspopulistischen Partei und verliert ihre wirtschaftsliberale Ausrichtung». Aufgefallen ist Burkart wahrscheinlich auch, dass sich die SVP-Basis sowohl bei der Abstimmung über eine 13. AHV-Rente als auch bei der BVG-Reform stark an der Haltung der Gewerkschaften orientierte. Burkarts Botschaft: Die FDP ist die letzte wahre bürgerliche Partei.

Auch die Sozialdemokraten verschont Burkart nicht. Zwar sei die FDP bereit, «da und dort» mit der SP nach Lösungen zu suchen, doch diese Partei sei «derzeit so ideologisch und kompromisslos wie noch nie».

Der SVP-Präsident Marcel Dettling konterte Burkarts Kritik via «20 Minuten» und sprach am Samstag von «lächerlichen Vorwürfen». Der SP-Co-Präsident Cédric Wermuth pflichtete Dettling bei. Es sei zwar selten, schrieb er auf X, «aber es kommt vor: Marcel Dettling hat recht.»

Es ist nicht das erste Mal, dass sich SVP und SP einig sind. In den vergangenen Monaten war immer wieder von einer unheiligen Allianz die Rede. Dies beispielsweise als SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor zusammen mit SP-Nationalrat Fabian Molina einen Vorstoss einreichte, der der Schweizer Armee verbieten sollte, an Nato-Bündnisfall-Übungen teilzunehmen. In der grossen Kammer gewann das ungewöhnliche Duo dann haushoch mit 118 zu 69 Stimmen. SVP, Grüne und das Gros der SP obsiegten über FDP, Mitte, GLP und eine SP-Minderheit. Der Ständerat lehnte die Vorlage später ab. In der kleinen Kammer arbeiteten FDP und Mitte immer noch gut zusammen, sagt der FDP-Präsident Thierry Burkart.

Mitte-links-Zusammenarbeit sorgte für Unmut

Unzufrieden ist der FDP-Präsident Thierry Burkart auch mit der Mitte. Diese sei – abgesehen vom Ständerat – immer weniger bereit, im bürgerlichen Lager zusammenzuarbeiten: «Die Mitte will sich in Zusammenarbeit mit den Linken profilieren – und zwar mit dem Ziel, der FDP einen Sitz im Bundesrat wegzunehmen.» Das möge legitim sein, aber der FDP gehe es nicht um reine Machtpolitik. Der Mitte-Präsident Gerhard Pfister schrieb auf X dazu: Den Rechten sei die Mitte zu links, den Linken zu rechts: «Gibt Schlimmeres.»

Dass der FDP-Präsident nun in alle Richtungen Kritik verteilt, ist kein Zufall. Im Dezember steht die Budgetdebatte an. Der Bund muss sparen, um die Schuldenbremse einzuhalten und das strukturelle Defizit zu bewältigen. Ausserdem will die bürgerliche Mehrheit das Armeebudget erhöhen. Ein harter Verteilkampf ist vorprogrammiert – zwischen allen Parteien.

Und noch einen Hintergrund hat Burkarts Angriff: Die FDP hat bei den letzten nationalen Wahlen viele Wählerinnen und Wähler an die SVP verloren, und die Mitte holte den Freisinn um ein Haar ein. Mittelfristig will die Mitte einen zweiten Bundesratssitz. Dem FDP-Präsidenten geht es also auch darum, die Jahre vor den nächsten Wahlen zu nutzen und das Profil seiner Partei zu schärfen.

Exit mobile version