Freitag, Oktober 18

Albert Rösti muss befürchten, dass nicht nur radikale Landschafts- und Umweltschützer sein Stromgesetz bekämpfen werden, sondern auch die eigene Partei.

Offiziell ist es noch nicht. Aber bereits heute steht fest, dass die Delegierten der SVP am 23. März Marcel Dettling zu ihrem neuen Präsidenten küren werden. Der Schwyzer Bauer und Nationalrat ist der Einzige, der sich als Kandidat für den Chefposten zur Verfügung gestellt hat.

Noch nicht offiziell ist auch, welche Parole die Delegierten der SVP an diesem Tag zum neuen Stromgesetz fassen werden, über das das Schweizer Stimmvolk am 9. Juni abstimmt. Im Parlament hatten sich noch im Dezember zwei Drittel der Partei hinter die Vorlage gestellt. Bundesrat Albert Rösti hatte davor alle möglichen Winkelzüge unternommen, um den Energie-Mantelerlass nicht zuletzt seiner eigenen Partei schmackhaft zu machen.

Seit das Referendum zustande gekommen ist, zeigt sich jedoch, dass die Unterstützung für die Vorlage in der SVP so rasch bröckelt wie der Fels oberhalb von Brienz. Und Rösti muss befürchten, dass nicht nur radikale Landschafts- und Umweltschützer sein Stromgesetz bekämpfen werden, sondern auch die eigene Partei.

«Die SVP kann nur dagegen sein»

Der Walliser Nationalrat Michael Graber hat bisher das Stromgesetz unterstützt. In seinem Heimatkanton befinden sich acht von insgesamt sechzehn Wasserkraftprojekten, die dank dem neuen Gesetz eine Vorzugsbehandlung erhalten sollen. «Allein deswegen habe ich im Parlament Ja gestimmt», sagt Graber. Doch inzwischen haben beim Politiker die Zweifel überhandgenommen. «Ich verstehe jeden, der sich gegen das neue Stromgesetz stellt», sagt Graber nun. Und: «Die SVP kann nur dagegen sein.»

Zu seiner Kehrtwende geführt hat laut Graber die Ankündigung von Landschaftsschützern, die geplante Staumauer im Rückzugsgebiet des Gornergletschers notfalls bis vor Bundesgericht zu bekämpfen. Das mit Abstand wichtigste Ausbauprojekt bei der Wasserkraft dürfte damit, wenn überhaupt, erst mit grosser Verspätung realisiert werden können. «Der einzig vorteilhafte Teil des Gesetzes, die Beschleunigung der Wasserkraftprojekte, löst sich damit in Luft auf», sagt Graber.

Auch andere Exponenten der SVP, die Albert Rösti noch im Parlament die Stange gehalten haben, liebäugeln nun mit einem Nein. «Das neue Stromgesetz schafft viele neue Probleme, löst aber keines», sagt der Solothurner Nationalrat Christian Imark. Er habe aber Verständnis dafür, dass Energieminister Rösti beim Ausbau der Stromproduktion aufs Tempo drücke, egal, ob bei der Wind-, der Solar- oder der Wasserkraft.

Aufwind erhalten die Stromgesetz-Kritiker in den Reihen der Partei durch die verbreitete Skepsis in der Bevölkerung gegenüber grossen Solaranlagen. In Surses, Disentis, Ilanz und Hasliberg: Überall sprachen sich die Gemeinden gegen den Bau solcher Projekte aus. «Der breite Widerstand gegen Wind- und Solarparks macht deutlich, dass wir um den Bau neuer Kernkraftwerke nicht herumkommen werden», sagt der SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi.

Konzentration auf Blackout-Initiative

Diese Einschätzung dürfte auch Bundesrat Albert Rösti teilen. Sein Kalkül jedoch ist es, zuerst die Produktion von Sonnen-, Wind- und Wasserkraft hochzufahren. Oder es zumindest zu versuchen. Zeigt sich, dass der Ausbau keine Versorgungssicherheit bringt, soll der Bau von neuen Kernreaktoren zum Thema werden. Vielen SVP-Exponenten geht das nicht schnell genug. So macht sich Aeschi dafür stark, dass sich die SVP ganz auf die Unterstützung der Initiative «Blackout stoppen» konzentriert, die nächste Woche eingereicht werden soll und den Bau neuer Kernkraftwerke ermöglichen will.

Zusammen mit Magdalena Martullo-Blocher und Thomas Matter bildet der Zuger innerhalb der SVP die Speerspitze gegen das neue Stromgesetz. Die Gruppe hatte in der Partei bereits vor der Schlussabstimmung im Parlament darauf gedrängt, Nein zu sagen. So bezeichnete etwa die Ems-Chefin Martullo-Blocher die Vorlage als «Bschiss», da die Energielücke damit nicht geschlossen werden könne. Rösti gelang es jedoch, die Partei zu disziplinieren. Der Aufstand gegen die Strompolitik des eigenen Bundesrats scheiterte am Schluss.

Nun aber haben die Stromgesetz-Gegner die Oberhand. «Ich werde mich klar für eine Nein-Parole einsetzen», sagt Aeschi. Dass er damit den eigenen Bundesrat im Regen stehen lässt, scheint ihn wenig zu kümmern. «Als Bundesrat vertritt Albert Rösti die Meinung des Gesamtbundesrates und nicht die Position der SVP.» Andere Parteiexponenten betonen derweil, dass Rösti bei einem Nein an der Urne sein Gesicht nicht verlieren würde. Letztlich handle es sich um eine Vorlage, die Vorgängerin Simonetta Sommaruga aufgegleist habe.

Energieminister Rösti könnte damit ein schwieriger Abstimmungskampf bevorstehen. Exakt drei Jahre nach dem CO2-Gesetz stimmt das Schweizervolk über das Stromgesetz ab. Damals gelang es der SVP, die bundesrätliche Klimapolitik mit einem Schlag zu zertrümmern. Nun steht auch die Energiewende auf dem Prüfstand.

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