Mittwoch, Oktober 2

Das Stadtparlament will Leihvelos mit knapp 20 Millionen Franken subventionieren und das Angebot ausbauen – obschon genau das noch vor ein paar Jahren als ausgeschlossen galt.

Publibike werde selbsttragend sein. Mit diesem Versprechen machte die Posttochter vor gut zehn Jahren das Rennen bei der Vergabe für ein Veloverleih-System in der Stadt Zürich. Einzig der Platz für die Velostationen im öffentlichen Raum sollte die Stadt gratis zur Verfügung stellen.

Inzwischen gehört Publibike zwar nicht mehr der Post, profitabel ist das Geschäft dennoch nicht. Allein zwischen 2011 und 2017 fuhr das Unternehmen einen Verlust von 11 Millionen Franken ein.

Trotzdem, für die Zürcher Linke ist Publibike eine «Erfolgsgeschichte», die mit «Züri Velo 2.0» weitergeschrieben werden müsse. Es gelte, das Angebot auszuweiten – das zumindest wiederholten die Vertreterinnen und Vertreter von SP und Grünen am Mittwoch im Stadtparlament fast schon einem Mantra gleich.

Die Nachfrage sei gross und wachse stetig, argumentieren die Linken. Über eine Million Fahrten mit Publibike-Velos würden inzwischen pro Jahr verzeichnet, Tendenz steigend.

Erwartungsgemäss konnte die linke Mehrheit im Parlament eine Zustimmung für das Modell «Züri Velo 2.0» erwirken. Die Vorlage wurde mit 68 zu 46 Stimmen angenommen.

Publibikes statt Dienstvelos

Rund 19,1 Millionen Franken lässt die Stadt sich das «Züri Velo 2.0» auf eine Vertragsdauer von maximal zehn Jahren gerechnet kosten. Von «selbsttragend» kann also keine Rede mehr sein. Darin enthalten ist der Ausbau von 150 auf 250 Velostationen mit total etwa 2500 Leihvelos. Wer ein Velo brauche, solle im Schnitt nicht mehr als 300 Meter bis zur nächsten Station zurücklegen müssen, heisst es in der Vorlage.

Das Modell umfasst auch 3000 sogenannte «Business-Abos», in deren Genuss die städtischen Angestellten kommen sollen. Pro Fahrt sollen 30 Minuten gratis sein. Gleichzeitig werde auch die 250 Fahrräder umfassende städtische Dienstveloflotte ersetzt, deren Erneuerung und Ausbau sei dadurch hinfällig, führte Anna Graff (SP) aus. Da Publibike Wartung und Ersatz übernehme, fielen dafür künftig keine Zusatzkosten mehr an.

Nicht nur könnten so mehr städtische Angestellte ein Velo nutzen. Mit einem E-Bike-Anteil von 60 Prozent werde Velofahren auch bei jenen an Beliebtheit gewinnen, welche wegen Zürichs Topografie sonst aufs Velo verzichteten, sind die Linken überzeugt.

Durch die zusätzlichen Velostationen gebe es zudem mehr Möglichkeiten, das Publibike nur für einzelne Strecken zu nutzen, sagte Michael Schmid (AL). Die jetzige Dienstvelo-Lösung der Stadt verfüge hingegen lediglich über wenige Stationen. Durch die vermehrte Velonutzung erhoffe sich die AL einen Effizienzgewinn bei der Stadtverwaltung. Mit dem Velo komme man in Zürich meist schneller von A nach B als mit dem öV.

«Zurückgestutzte» Maximalvariante

Es ist eine abgespeckte Version der Maximalvariante. Diese hätte einen noch grösseren Ausbau des Stationsnetzes bis nach Dietikon, Regensdorf und Urdorf beinhaltet. Die Kosten hätten mit rund 23 Millionen Franken aber den Kompetenzbereich des Parlaments überschritten und eine Volksabstimmung nötig gemacht.

Die Grünen bedauerten, dass die maximale Version «zurückgestutzt» wurde. Diesen Fehler könne man dann bei «Züri Velo 3.0» korrigieren, sagte Roland Hohmann. Das «Züri Velo» sei eine wichtige Komponente des Modalsplits und ergänze den öffentlichen Verkehr.

Andreas Egli (FDP) konterte, genau das Gegenteil sei der Fall. Statt den öV zu ergänzen, werde er auf Staatskosten konkurrenziert. Denn Touristen könnten sich mit dem Publibike das Tram-Abo sparen.

Ganz grundsätzlich stören sich die Bürgerlichen am Narrativ, Publibike sei eine Erfolgsgeschichte. Denn drei Viertel der Nutzenden verfügten über ein Business-Abo – die Velofahrt werde also vom Arbeitgeber bezahlt. Die Nachfrage sei demnach nur steigend, weil das Angebot gratis sei.

Die SVP nannte die Vorlage eine «Verstaatlichung des Velofahrens», sie sei Ausdruck des «Realitätsverlusts» bei den Linken. Auch von «Velokratie» war die Rede.

Vergleichsweise nüchtern nannte Derek Richter (SVP) «Züri Velo 2.0» eine «Pleite mit Ansage». Schliesslich sei die Version 1.0 krachend gescheitert. Dass die Stadt Publibike zusätzlich zu den Subventionen auch noch den Platz für die Velostationen gratis zur Verfügung stellen wolle, sei zudem eine «Desavouierung» jener Gewerbetreibenden, etwa der Marktfahrer, die dafür Miete bezahlen müssten.

Auch die sonst velofreundliche GLP vermochte die Vorlage «Züri Velo 2.0» nicht zu überzeugen. So argumentierte Carla Reinhard, das Modell von Publibike müsse grundsätzlich überarbeitet werden. Trotz jahrelanger Erfahrung habe Publibike es nicht geschafft, ein tragfähiges Geschäftsmodell zu finden. Im Gegensatz zur Konkurrenz reagiere das Unternehmen nur träge auf Marktveränderungen und habe sich kaum weiterentwickelt. «Dieser Mangel an Innovation wird nun mit Subventionen belohnt», resümierte Reinhard.

Ihr Parteikollege Sven Sobernheim ergänzte, es stimme zudem schlicht nicht, wenn die Linke behaupte, mit «Züri Velo 2.0» und dem Ausbau von Velostationen würde etwas für die Aussenquartiere getan. «Sie tun hier etwas für sich selbst im Kreis 3.» In Zürichs Randgebieten würden, wenn überhaupt, nur Free-Floating-Angebote – also jene ohne fixe Station – funktionieren, sagte Sobernheim. Solche seien aber von der Ausschreibung ausgeschlossen gewesen.

Selbsttragende Bewerber ignoriert

Nebst Publibike habe sich beispielsweise auch Donkey Republic beworben, sagte Sobernheim. Das dänische Unternehmen ist in verschiedenen europäischen Ländern tätig und in der Schweiz unter anderem in Genf präsent. Der Vorschlag von Donkey Republic hätte keine Subventionen enthalten, führte Sobernheim aus. Im Gegenzug habe das Unternehmen mehr Werbefläche auf den Velos verlangt – doch auch das sei in der Ausschreibung ausgeschlossen worden.

Überhaupt sei die Ausschreibung auf Publibike gemünzt formuliert worden, kritisierten die Bürgerlichen. Bernhard im Oberdorf (SVP) verglich es mit der Vergabe für Dienstfahrzeuge, bei denen ein Stern auf der Motorhaube verlangt werde. Da sei klar, wer den Zuschlag erhalte.

Exit mobile version