Donnerstag, Mai 15

Eine Einbindung der Schweiz in den europäischen Strommarkt stärkt die Versorgungssicherheit. Und mit der damit verbundenen Liberalisierung könnten sich Endkunden endlich von schlechten Versorgern befreien.

Selbst einer, der vor wenigen Jahren noch sämtliche Annäherungsschritte zur EU bekämpfte, wirkt nun überzeugt: Bundesrat Albert Rösti schien zufrieden, als er am Mittwoch an einer Pressekonferenz darlegte, wie er das Stromabkommen dereinst umsetzen würde.

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Der Abschlusstext der Verhandlungen wurde noch nicht publiziert. Aber die bekannten Grundsätze überzeugen.

Die Schweiz ist eng eingebunden

Zahlreiche SVP-Politiker argumentieren, dass die Schweiz mit dem Stromabkommen die Hoheit über die Energiepolitik an die EU verliere.

Doch schon heute kann die Schweiz ihre Stromversorgung nicht allein bewältigen. Davon zeugen die 41 Stromleitungen, die das Land mit den Nachbarstaaten verbinden. Und davon zeugt die Tatsache, dass die Schweiz in einem normalen Winter viel Strom importieren muss, damit die Kerzen im Keller bleiben können.

Ob man es leugnet oder nicht: Physikalisch ist die Schweiz eng ins europäische Stromnetz eingebunden. Das Stromabkommen schafft die rechtliche Grundlage für diese Realität. Die Netzbetreiberin Swissgrid würde vollberechtigt in die Plattformen zur Gewährleistung der Netzstabilität eingebunden, die Schweiz dürfte mit einem stabilen Zugang zu Importen rechnen. Das stärkt die Versorgungssicherheit und hält die Kosten tief, da zur Stromreserve sonst deutlich mehr der teuren und dreckigen Gaskraftwerke im Inland gebaut werden müssten.

In vielen heiklen Punkten scheint die Schweiz eine Sonderlösung bekommen zu haben, wie auch Bundesrat Rösti bestätigte. So dürfte die Schweiz weiterhin Wasser in ihren Stauseen zurückhalten, um am Ende des Winters noch genügend Strom produzieren zu können. Und die Schweizer Besonderheiten bei der Wasserkraft, etwa die Konzessionsvergaben und die Wasserzinsen, seien vom Stromabkommen nicht betroffen.

Liberalisierung setzt die Versorger unter Zugzwang

Der Gewerkschaftsbund warnt vor den Auswirkungen der Liberalisierung des Strommarkts, bei der die Endkunden ihren Stromversorger selber wählen können. Sie würden dann mit höheren Preisen abgezockt, heisst es.

Dabei könnten sich Schweizer Endkunden mit der Liberalisierung endlich von miserabel wirtschaftenden Anbietern befreien. Gerade in der Energiekrise, die von den Gegnern oftmals zum Schreckensszenario des freien Strommarkts aufgebauscht wird, deckten sich viele Versorger zum dümmsten Zeitpunkt mit Strom ein. Weil Kleinkunden ihren Anbieter nicht wechseln dürfen, hatten sie keine andere Wahl, als für dessen Versagen mit einem hohen Strompreis geradezustehen.

Durch die Marktöffnung stehen die Energieversorger unter Zugzwang, den Endkunden gute und günstige Preismodelle anzubieten. In einem Umfeld, das mit einem immer grösseren Anteil der variablen Stromproduktion durch die Erneuerbaren viel dynamischer geworden ist, sind solche Marktanreize nötiger denn je.

Auch Skeptiker müssen einräumen, dass die Liberalisierung in den Verhandlungen stark abgefedert wurde. Schweizer Endkunden könnten ihre Grundversorgung behalten, wenn sie es wünschten. Und selbst wer seinen Versorger erst frei wählt und dann von den Schwankungen des Strompreises überrascht wird, soll gegen ein Eintrittsgeld auch unterjährig in die Grundversorgung zurückkehren dürfen.

Zudem will der Bund ein Vergleichsportal und eine Ombudsstelle einrichten. Die Elcom würde die Folgen der Marktöffnung für die Beschäftigungszahlen in der Stromwirtschaft überwachen und bei allfälligen negativen Auswirkungen korrigierend eingreifen.

Noch klingen die konkreten Massnahmen zur Umsetzung vage. Aber alles deutet darauf hin, dass die Schweiz maximal auf eine «Liberalisierung light» zuläuft. Selbst im linken Lager teilen nicht alle die Einwände der Gewerkschaften. Manche SP-Energiepolitiker, etwa Eric Nussbaumer und Jon Pult, äusserten sich am Mittwoch positiv zum Abkommen.

Den Kritikern sind die Details ohnehin egal

Der Verhandlungstext zum Stromabkommen soll mit dem Beginn der Vernehmlassung im Juni publiziert werden. Nach den Ankündigungen des Bundesrats ist es unwahrscheinlich, dass der Wortlaut noch böse Überraschungen zutage bringt.

Für die SVP und die Gewerkschaften sind die Details ohnehin nicht entscheidend, ihre Meinungen sind gemacht. Sie würden alles ablehnen, auf dem «EU» oder «Liberalisierung» draufsteht.

Doch damit irren die Kritiker. Ein Stromabkommen wäre für die Schweiz ein Gewinn.

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