Montag, November 25

Die Swiss steht in der Kritik, bei ihrem Service nachgelassen zu haben. Heike Birlenbach ist bei der Airline für das Kundenerlebnis verantwortlich. Jetzt nimmt sie Stellung.

Wer mit einem Flugzeug der Swiss reist, bekommt ein «Grüezi» beim Einsteigen und ein Schöggeli vor der Landung. Die Swiss betont, für Swissness zu stehen: Sauberkeit, Ordnung, Höflichkeit. «Swiss all the way», ist der Titel ihrer neusten Marketingkampagne.

Seit einigen Monaten steht die Swiss jedoch in der Kritik. Die Qualität habe nachgelassen, führen namhafte Vielflieger an. Der CEO des Luxusunternehmens Bulgari, Jean-Christophe Babin, beschwerte sich Ende September in einem – mittlerweile wieder gelöschten – Linkedin-Post über durchschnittlichen Service, alte Flugzeuge und schlechtes Essen. Auch der Alt-Ständerat der FDP, Ruedi Noser, sagte gegenüber der «NZZ am Sonntag», der Service der Swiss habe nachgelassen.

Die Kritik scheint zu zeigen: Für Swissness braucht es mehr als Schokolade.

«Wir stehen nicht so schlecht da»

Die Swiss äusserte sich am Dienstag bei einem Mediengespräch zu den Vorwürfen. Heike Birlenbach sitzt seit Anfang dieses Jahres in der Geschäftsleitung der Swiss, über die Sommermonate war sie stellvertretende CEO. Davor arbeitete sie über zwanzig Jahre bei der Lufthansa.

Birlenbach sagt, die Vorwürfe seien Anekdoten einzelner Personen. Die Swiss analysiere jeden Monat Tausende von Rückmeldungen ihrer Kundinnen und Kunden, um herauszuarbeiten, wo allfällige Probleme lägen. «Wir stehen in ganz vielen Bereichen gar nicht so schlecht da.» Die Swiss sei eine sehr emotionale Marke, sagt Birlenbach. Das sei eine grosse Verpflichtung, der man sich aber stellen wolle.

Geschäftlich läuft es gut. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete die Swiss einen Rekordgewinn von 718 Millionen Franken. Das freut auch die deutsche Lufthansa-Gruppe, zu der die Swiss seit 2005 gehört. Viele Prozesse werden aus Gründen der Effizienzsteigerung von Frankfurt aus gesteuert. Die Flugzeuge sind die gleichen, die Kabinenausstattung ist teilweise standardisiert.

Die Swiss bringe der Lufthansa einen starken Markt, der bereit sei, viel zu zahlen, und mit dem höhere Margen erreicht werden könnten, sagt Andreas Wittmer, Aviatikexperte und Professor an der Universität St. Gallen. «Für die Lufthansa ist die Swiss ein Glückstreffer.»

Unterschiedliches Verständnis von Qualität

Die Swiss wiederum spürt die Kontrolle durch die Lufthansa. Nachdem die Schweizer Airline 2005 von der Lufthansa übernommen worden war, konnte sie zwar für viele Jahre ihre Eigenständigkeit bewahren. 2016 wurde sie im Zuge einer Restrukturierung jedoch enger an die Muttergesellschaft in Frankfurt angebunden. Mitglieder der Swiss-Geschäftsleitung müssen seither nicht nur an ihren Chef in der Schweiz, sondern auch an den Lufthansa-CEO in Deutschland rapportieren.

Er beobachte, dass sich die Swiss als Konstrukt immer mehr der eher durchschnittlichen Lufthansa-Qualität anpasse, sagt Wittmer und fügt an: «Sie kommt dann ihrem Versprechen, premium zu sein, nicht mehr ganz nach.» Darin liege die grösste Gefahr für die Swiss: dass der Service nicht mehr dem entspreche, was die Kunden erwarteten, dass er zur Durchschnittlichkeit verkomme.

Die Swiss-Kommerzchefin Birlenbach sagt, dass es beim Premiumverständnis der Lufthansa und der Swiss Unterschiede gebe. Die Schweiz sei der Kernmarkt der Swiss, bei der Lufthansa sei die Ausrichtung internationaler.

Das Swissness-Versprechen

Erschweren zentralisierende Massnahmen der Lufthansa-Gruppe das Festhalten der Swiss an ihrer Swissness?

Ja, sagt der Aviatikexperte Wittmer. Zumindest entstünden durch das Abhängigkeitsverhältnis Reibungen.

Birlenbach sagt dazu, man achte bei der Swiss täglich darauf, trotz der Zusammenarbeit mit der Lufthansa die Swissness zu erhalten. «Wir glauben, dass die Swissness in keiner Weise negativ berührt wird.» Der Swiss scheint es klar zu sein, wie wichtig dieses Unterscheidungsmerkmal für ihr Qualitätsversprechen gegenüber ihren Kundinnen und Kunden ist.

Ausserdem sei die Lufthansa ja auch wichtig für die Swiss, sagt Wittmer. Dies aus zwei Gründen: Der erste sei der Zugang zum globalen Netzwerk. Der zweite Grund liege in den Kostenvorteilen. Gemeinsam könne man sich effizienter organisieren. «Beispielsweise sind bei der Flugzeugbeschaffung als Gruppe grössere Rabatte möglich.» Ausserdem könne man Kompetenzen bündeln und etwa die Entwicklung von IT-Systemen zusammenlegen.

Probleme durch Krieg und Triebwerke

Gleichzeitig gibt es europaweite Probleme, die einen Einfluss auf die Qualität von Airlines haben. Der Luftfahrt-Experte Cord Schellenberg schreibt, der Luftraum über Europa sei seit dem russischen Angriffskrieg enger und voller geworden, die Lieferketten angespannt, es gebe Fachkräftemangel und die Lieferung von Ersatzteilen könne dauern.

So hat die Swiss schon seit Beginn des Jahres technische Schwierigkeiten: Einige Flugzeuge mit Triebwerken des Herstellers Pratt & Whitney können zurzeit nicht fliegen.

Die Swiss greift deshalb auf Subunternehmer wie die Air Baltic zurück, mit denen sie bei sogenannten Wet-Lease-Flügen zusammenarbeitet – das heisst, sie mietet die Flugzeuge samt Crew. Dank dieser Lösung könne die Swiss genügend Gäste nach Zürich bringen, sagt Birlenbach. Nur so könne sie das interkontinentale Netz weiterbetreiben. Langfristig wolle man die Wet-Lease-Flüge aber reduzieren.

Gleich wie bei der Lufthansa, aber mit Schweizer Anstrich

Bei der Swiss soll es nun eine Reihe von Massnahmen zur Verbesserung des Kundenerlebnisses geben. Heike Birlenbach sagt, die Airline starte nächste Woche mit einer Kampagne, die auf Swiss Senses, also Schweizer Sinne, ausgerichtet sei: Kulinarik, Hören, Gerüche – das gesamte Erlebnis im interkontinentalen Bereich werde sich für die Kundschaft über alle Klassen hinweg ändern.

Konkret werde die Umsetzung der Änderungen nächstes Jahr in der Economyclass beginnen, unabhängig von den neuen Kabinenausstattungen und Sitzen, die im Sommer kommen werden.

Die neuen Sitze sind technisch gesehen übrigens dieselben wie bei der Lufthansa. Aber das Äussere, die Farben und die Muster, sei anders, sagt Birlenbach. Im Kern ist es also das gleiche Produkt. Aber mit einem Schweizer Anstrich.

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