Freitag, Oktober 18

Der Rückversicherer hat seine finanziellen Ziele für 2023 erfüllt und erhöht die Dividende. Nicht ganz entziehen kann er sich derweil der emotionalen Debatte um die Folgen des Klimawandels.

Lange hat die Swiss Re gesät – 2023 hat sie endlich wieder geerntet. Der Firmenchef Christian Mumenthaler konnte am Freitag die mit Abstand besten Jahreszahlen in seiner Zeit als CEO präsentieren. Er erfüllte das vor Jahresfrist gegebene Versprechen, den Reingewinn 2023 auf über drei Milliarden Dollar zu heben.

Zum Vergleich: Die von der Swiss Re erzielten 3,2 Milliarden Dollar liegen in derselben Grössenordnung wie der bereinigte Jahresgewinn der UBS (3,9 Milliarden Dollar), wo bekanntlich der frühere Swiss-Re-Präsident Sergio Ermotti inzwischen wieder als CEO wirkt.

Nachdem der Rückversicherer jahrelang mit den Umständen gehadert hatte – mit zu tiefen Zinsen, der Pandemie und überraschend vielen teuren Naturkatastrophen –, standen die Sterne für die Swiss Re 2023 viel besser. Zunächst konnte sie substanzielle Preiserhöhungen durchsetzen. In den USA starben zudem weniger Menschen an Corona, was die Lebensversicherungssparte von Swiss Re entlastet. Die steigenden Zinsen bescherten dem Rückversicherer wiederum höhere Anlagegewinne.

Dass die Swiss-Re-Aktien, trotz einer Erhöhung der Dividende auf 6 Dollar 80 pro Titel, am Freitag an Wert verloren, liegt vor allem an der hohen Erwartungshaltung im Vorfeld.

Angespanntes Klima in Florida

Die an der Bilanzmedienkonferenz am stärksten diskutierte Frage betraf derweil den Klimawandel und die vor allem in den USA laut beklagte «affordability crisis» bei Gebäudeversicherungen: Diese würden so teuer – so die Kritik –, dass sich viele Hausbesitzer keine Versicherungsdeckung mehr leisten könnten.

Abgeschwächt wird die Debatte auch in Europa oder in Australien geführt, doch hier funktionieren die Märkte grundsätzlich noch. Die USA sind, wie Mumenthaler an der Bilanzmedienkonferenz betonte, aber ein Spezialfall: Im vermeintlich kapitalistischsten Land der Welt nähmen Regulatoren in den Gliedstaaten Einfluss auf die Preise. Versicherungen müssen Preiserhöhungen beantragen; einige Regulatoren, auch in konservativen Staaten, haben diese aber nicht bewilligt.

Viele Versicherer wollen das Spiel nicht mehr mitspielen. In den letzten Jahren hatten sie die Risiken für Sturmschäden noch systematisch unterschätzt – und wollten nun die Preise für Gebäudeversicherungen kräftig erhöhen. Als ihnen das verweigert wurde, zogen sich zahlreiche Erstversicherer aus besonders kritischen Märkten wie Florida und Kalifornien zurück – und die Hausbesitzer haben nun Mühe, überhaupt noch einen Versicherer zu finden.

Überbringer der schlechten Nachricht

Rückversicherer wie die Swiss Re spielen in dieser Auseinandersetzung eine wichtige Rolle im Hintergrund, weil sie jüngst immer weniger Deckung für kleinere Naturkatastrophen («secondary perils») übernahmen – lokale Fluten, Dürren, Waldbrände und Hagelzüge. Für diejenige Deckung, die sie noch gewähren, verlangen sie mitunter höhere Preise. Die Erstversicherer gaben diesen Druck an die Endkunden weiter.

Christian Mumenthaler hat sich schon mehrfach zum Thema geäussert. Es sei das erste Mal, sagte er etwa laut «Financial Times» am WEF in Davos, dass man die Rechnung für den Klimawandel den Konsumenten zurückreiche. An diesem Freitag bestätigt Mumenthaler im Gespräch, dass die Swiss Re keinen Appetit hat, wieder verstärkt in diesen Markt für «secondary perils» einzusteigen.

«Wir sind stark darin, Erdbeben oder Hurrikans zu modellieren», sagt er. Bei der Modellierung von Flutschäden komme es dagegen etwa stark darauf an, ob ein Haus auf einer Anhöhe stehe. Im Falle von Waldbränden spiele der Baumbestand rund um das Anwesen eine wichtige Rolle.

Die Swiss Re sei insofern nicht dafür gemacht, sehr lokale Risiken abzudecken, dafür seien die regional verankerten Erstversicherer prädestiniert.

Wie sich der Klimawandel auswirkt

Die Versicherungsbranche – und gerade die Swiss Re, die sich schon seit längerem zum Thema äussert – wird, als Überbringerin der schlechten Klimabotschaft, immer wieder von links, aber auch von rechts attackiert: Die Versicherer rechtfertigten ihre Preiserhöhungen, indem sie die Folgen des Klimawandels zu dramatisch darstellten. In Tat und Wahrheit hätten die wachsenden versicherten Schäden andere Gründe.

Daran, dass sich die Erde wegen der menschlichen Aktivitäten erwärmt, gibt es keine ernstzunehmenden wissenschaftlichen Zweifel mehr. Aber je lokaler man die Veränderungen analysiert, desto schwieriger wird es, den Effekt des Klimawandels auf Schäden von anderen Effekten abzugrenzen.

Mumenthaler verweist zu dieser Frage auf eine Studie von vergangenem September: Im Nachgang des schweren Hurrikans Ian, der Florida 2022 getroffen hatte, analysierte die Swiss Re die Treiber hinter der Zunahme der Hurrikan-Schäden in den USA.

Gemäss der Studie ist nur ein kleinerer Teil der Zunahme direkt auf den Klimawandel zurückzuführen; die erhöhten Wassertemperaturen dürften zu häufigeren Hurrikans führen. Wichtigster Treiber war die starke Zuwanderung in Gebiete, die regelmässig von Hurrikans heimgesucht werden; es werden immer mehr (und immer teurere) Häuser am falschen Ort hingestellt. Bessere Regeln und Materialien für den Hausbau milderten die Zunahme ab, vermochten sie aber nicht aufzuwiegen.

In Florida seien über die vergangenen Jahre zahlreiche Küstengebiete überbaut worden, wo früher noch nie jemand gesiedelt habe, sagt Mumenthaler hierzu. Er geht davon aus, dass der Anteil des Klimawandels an der Zunahme der Schäden in Zukunft ansteigen wird.

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