In der letzten Europacup-Qualifikationsrunde treffen sämtliche Schweizer Vertreter auf Klubs aus der Türkei. Der YB-Gegner Galatasaray hat viel in die Mannschaft investiert, in letzter Zeit fehlte aber die Balance.
Über fehlende Aufmerksamkeit kann sich der türkische Fussball in Europa nicht beklagen. Die Süper Lig erregt immer wieder Aufsehen. Allerdings meist im Zusammenhang mit Gewaltexzessen, finanziellen Eskapaden und Machtkämpfen.
Am vergangenen Wochenende kam es wieder zu beunruhigenden Szenen in der Liga: Der Präsident von Fenerbahce Istanbul, Ali Koc, wurde während eines Auswärtsspiels des Klubs am Spielfeldrand mit Flaschen beworfen und dann von hinten tätlich zu Boden gestossen, angeblich von einem Fan-Beauftragen der Heimmannschaft Göztepe Izmir. Koc war zu Beginn der zweiten Halbzeit in Begleitung von Sicherheitskräften nach einem Disput um die Stadionzulassung der eigenen Fans aus dem Auswärtsblock in Richtung Haupttribüne gelaufen. Der Klub bezeichnete den Angreifer in einem Statement wenig deeskalierend als einen «Fussball-Terroristen».
Die Türkei liegt im Ranking mittlerweile vor der Schweiz
Solche Eklats, die das Ansehen und die Glaubwürdigkeit des türkischen Fussballs beeinträchtigen, überschatten die in letzter Zeit beachtlichen Leistungen der Spitzenvereine in den Europacup-Wettbewerben. In den vergangenen zwei Jahren haben die Vertreter der Süper Lig in der Fünfjahres-Wertung des Europäischen Fussballverbands (Uefa) so viele Punkte gesammelt, dass sich nur sechs Ligen besser klassierten.
Damit schnitten die türkischen Klubs besser ab als die portugiesischen Vereine. Und sie distanzierten im Ranking auch die Schweiz – weshalb den türkischen Festspielwochen der Schweizer Klubs in der letzten Europacup-Qualifikationsrunde ab Mittwoch eine elementare Bedeutung zukommt: YB und Galatasaray Istanbul spielen am Mittwochabend (21 Uhr) um die Champions-League-Qualifikation, am Donnerstagabend geht es zwischen Lugano und Besiktas Istanbul (20.30 Uhr) um die Teilnahme an der Europa League und bei St. Gallen gegen Trabzonspor um jene in der Conference League (21 Uhr).
Besonders im Fokus steht der Meister Galatasaray, der sich in der Türkei 7 der letzten 13 Meistertitel gesichert und kontinuierlich in die Qualität der eigenen Mannschaft investiert hat. Knapp 150 Millionen Euro hat der Klub seit Sommer 2021 ausgegeben, vorrangig für renommierte Spieler von namhaften Vereinen, die dort kaum mehr gefragt waren.
Die Equipe des Trainers Okan Buruk, der wegen seiner Verdienste als Spieler und Trainer zu den Klublegenden zählt und wegen ungebührlichen Verhaltens in der letztjährigen Europa League von der Uefa für die Spiele gegen YB auf die Tribüne verbannt worden ist, besteht überwiegend aus ausländischen Routiniers, der Altersdurchschnitt der Startformation betrug neulich mehr als 29 Jahre.
Die bekanntesten Akteure sind der Stürmer Mauro Icardi, der verletzte Innenverteidiger Davinson Sánchez sowie der Flügelspieler Hakim Ziyech, wobei letzterer keine Stammkraft ist. Auf Ziyechs Rechtsaussen-Position ist Baris Yilmaz gesetzt. Yilmaz erregte an der EM in Deutschland Aufsehen und gilt als wertvollster Spieler der Mannschaft. Er leidet an einer Magenverstimmung, reiste aber dem Team in die Schweiz nach.
Galatasaray absolvierte eine starke letzte Saison
In der Vorsaison überzeugte Galatasaray mit Offensivspiel, das Team suchte in den Partien immerzu den offenen Schlagabtausch. In der Champions-League-Gruppenphase schoss der Klub 10 Tore – und kassierte 13. Die fehlende Balance kostete die Equipe trotz dem Erfolg gegen Manchester United den ersten Achtelfinaleinzug seit zehn Jahren.
Die rastlose Spielweise gleicht gleichsam dem leidenschaftlichen Support der eigenen Fans, die jedes Heimspiel zu einem Spektakel machen, auch um den Gegner einzuschüchtern. Doch das Verlangen der Fans nach Erfolg hat auch eine Kehrseite: Ein Finanzbericht der Uefa wies Galatasaray im Jahr 2023 als einen der zehn am schlechtesten wirtschaftenden Vereine in Europa aus, der Verlust belief sich auf knapp 50 Millionen Euro.
Obwohl Galatasaray hohe Marketing-Einnahmen verbucht, leidet der Verein – wie die anderen türkischen Teams – unter dem drastischen Einbruch der Lira-Währung und den sinkenden Einnahmen der Süper Lig aus den Fernsehrechten. Im vergangenen Winter verkaufte Galatasaray den Rechtsverteidiger Sacha Boey an den FC Bayern für 30 Millionen, er ist der bisherige Rekordverkauf.
Wegen des finanziellen Drucks sind die türkischen Vereine auf gute Europacup-Resultate angewiesen. Andernfalls könnten bald Schlagzeilen zur Finanzlage der Klubs die Runde machen.