Der vom Ständerat beschlossene Lohndeckel von 5 Millionen Franken für die Grossbank entspringt niederen Gefühlen. Doch die Bankchefs haben sich das selber zuzuschreiben.
Auch Ständeräte sind nur Menschen. Sogar die Mitglieder der selbsternannten Chambre de Réflexion denken zuweilen eher mit dem Bauch als mit dem Kopf. So geschehen diesen Montag, als der Ständerat mit knapper Mehrheit kraft einer Allianz SVP/Linke mit Teilen der Mitte eine Motion für einen Lohndeckel für Banken von maximal 5 Millionen Franken unterstützte. Akzeptiert auch der oft «volksnähere» Nationalrat den Vorstoss, muss der Bundesrat ein Gesetzesprojekt dazu vorlegen.
Gemäss dem Text des Vorstosses wäre die ganze Bankbranche betroffen. Die Begründung des Urhebers, des Thurgauer SVP-Ständerats Jakob Stark, lässt hingegen vermuten, dass nur die «systemrelevanten» Banken im Visier sind. Faktisch würde der Lohndeckel wohl nur in der UBS greifen. Laut Stark ist es im breiten Publikum nicht vermittelbar, dass «die Superverdiener» im Notfall «staatlichen Schutz erhielten». Offenbar deshalb soll es für diese Spezies einen Lohndeckel geben.
Glauben die Ständeräte, dass die UBS eine Staatsgarantie hat, wäre die logische Antwort nicht ein Lohndeckel. Sondern die Sicherstellung via Krisenplanung, dass der Staat im Notfall die UBS ohne Steuergelder in die Pleite entlassen könnte. Und wenn das nicht geht, wäre eine mögliche Antwort ein Verbot von Banken über einer gewissen Grösse. Oder eine solch starke Verteuerung via strenge Eigenkapitalvorgaben, dass die UBS ihren Hauptsitz ins Ausland verlegt.
Doch Politik ist nicht logisch, sondern menschlich und damit ein Geschäft mit Emotionen. Deshalb muss der UBS-Chef Sergio Ermotti nun zittern. Er bezog 2023 für neun Monate rund 14 Millionen Franken. Seine Bezüge für 2024 macht die Bank nächste Woche öffentlich.
Welches ist der «richtige» Lohn für Ermotti? Keiner kann das sagen. Auch 5 Millionen werden viele Bürger als zu hoch empfinden, weil es weit von der eigenen Welt entfernt ist. In Umfragen sagen manche, dass 1 Million generell der Höchstlohn sein sollte. Eine schöne runde Zahl. Zwar weit weg vom Normalbürger, aber irgendwie noch erfassbar. Oder vielleicht doch eher 2 Millionen? Mal ganz ehrlich: 500 000 Franken sollten doch für jeden mehr als genug sein.
Am ehesten sollten jene die Antwort wissen, die den Lohn bezahlen. In einer UBS ohne Staatsgarantie wären das die Eigentümer (Aktionäre). Wenn diese einem Manager 10 oder 15 Millionen in die Hand drücken: Weshalb soll der Staat sein Veto einlegen, statt sich zu freuen, dass er dem Manager eine saftige Steuerrechnung schicken kann? Und übrigens: Wer sonst würde Ermottis Job übernehmen können – oder auch nur wollen?
Die Fragen sind einfacher als die Antworten. Doch urmenschliche Gefühle sorgen dafür, dass das Cheflohnthema seit Jahrzehnten das politische Klima vergiftet. Es geht um Neid: Der andere darf doch nicht so viel mehr verdienen als ich. Es geht um Ungerechtigkeitsempfinden: Keiner kann zwanzig Mal so gut sein wie ein Bundesrat oder hundert Mal so gut wie ich. Es geht um Vergangenheitsbewältigung: Der Steuerzahler musste jüngst bei der CS und in der Finanzkrise 2008 auch bei der UBS einspringen, und trotzdem hatten die Verantwortlichen Millionenboni kassiert.
Die Chefs grosser Konzerne müssten Heilige sein. Sie müssen ein globales Unternehmen führen können, hohes Fachwissen haben, menschlich überragend sein, strategisch denken können und auch noch das politische Gespür und die Demut haben, den Job für 500 000 Franken zu machen, obwohl sie ein Vielfaches bekommen könnten. Doch Heilige sind dünn gesät auf diesem Planeten – ganz oben in der Hierarchie wie auch bei den Normalbürgern.
Auf der Teppichetage kommt Abgehobenheit mit dem Terrain. So kommt es, dass der UBS-Chef nicht erfasst, welchen politischen Flurschaden sein Lohn im Umfeld der Staatskrücken für den CS-Deal anrichtet. So kommt es, dass der Chef des Stromkonzerns Axpo ignoriert, dass ein gutes Geschäftsjahr nicht gleich nach einem Bonus ruft, weil der Malus aus dem Rettungsschirm des Bundes von 2022 noch lange nicht kompensiert ist. So kommt es, dass sich der Novartis-Chef für 2024 rund 19 Millionen gutschreiben lässt und dabei vergisst, dass die Branche mit ihrem Drängen nach hohen Medikamentenpreisen so keine zusätzlichen Sympathien erwarten kann.
Für die Linke sind solche Vorkommnisse ein Fest, und selbst manche bürgerliche Ständeräte wollen nun mitschwimmen. Man muss das nicht begrüssen, aber man kann es verstehen. Hüben wie drüben gibt es unangenehme Fragen. Die Bürger müssen sich fragen, ob sie von der Präsenz globaler Konzerne wirtschaftlich profitieren wollen und dafür den emotionalen Preis hoher Cheflöhne akzeptieren. Die Chefs müssen sich fragen, ob sie in der Schweiz bleiben wollen und dafür den Preis der Rücksichtnahme auf die hiesige politische Kultur zahlen. Sonst kommt es in diesem Land früher oder später zu Retourkutschen an der Urne. Denn auch im Volk dominieren nicht die Heiligen.