Mittwoch, November 6

Nach der Fusion mit der CS streicht die UBS Tausende von Jobs. Doch die Bank verliert auch Leute, die wichtig wären für ihre Zukunft. Vor allem das Inlandgeschäft leidet unter hochkarätigen Abgängen.

Bei der UBS springen die Leute von Bord. Wer kann, so der Eindruck, verlässt den Supertanker und wechselt auf eine der Luxusjachten und Schnellboote, die im Kielwasser mitfahren und lauern. Die einschlägigen Finanzportale überschlagen sich mit Meldungen von hochkarätigen Abgängen bei der Fusionsbank. Fast täglich werden bekannte Namen herumgeboten.

Für Schlagzeilen sorgte jüngst der Wechsel von Sabine Heller, der designierten Leiterin der Region Zürich. Als eine von wenigen CS-Leuten stach sie die Konkurrenz bei der UBS aus und erhielt den Chefposten. Doch noch vor dem Antritt wechselte sie zur Zürcher Niederlassung der Privatbank Lombard Odier.

Der Fall ist symptomatisch für das, was sich auf dem Finanzplatz Schweiz derzeit abspielt. Für die Konkurrenz ist das Ende der CS das Startsignal, lang gehegte Ambitionen umzusetzen. Plötzlich sind Top-Shots auf dem Markt, für die ein Wechsel zu einem kleineren Institut jenseits der Karriereplanung gewesen wäre. «Die Konkurrenz nutzt die sich bietenden Opportunitäten», sagt der Headhunter Klaus Biermann.

Lombard Odier etwa will endlich auch in der Deutschschweiz ein relevanter Player werden. Hellers Abgang reiht sich ein in eine ganze Serie erfolgreicher Abwerbungen vom Paradeplatz. Seit Serge Fehr, auch er ein früherer CS-Banker, letztes Jahr das Schweiz-Geschäft übernommen hat, wildern die Genfer mit Erfolg im Grossbanken-Revier. Im Sommer wechselte ein Team von 13 früheren CS-Bankern geschlossen zu Lombard Odier. Sie sollen in Zug wohlhabende Unternehmer betreuen.

Auch die Liechtensteiner Institute packen die historische Chance. Die CS-Starbankerin Anke Bridge, die für die Online-Banking-App CSX verantwortlich war, führt seit Anfang Monat das Schweizer Geschäft der Fürstenbank LGT. «Sämtliche Banken versuchen, aus der Situation Profit zu schlagen», sagt Headhunter Biermann.

Aderlass im Firmenkundengeschäft

Besonders schmerzhaft sind für die UBS die Abgänge im Firmenkundengeschäft. Dieses gehört zu den Juwelen der alten Credit Suisse, die hier ihre Vorteile ausspielen konnte: Sie war nahe an den Unternehmern dran und arbeitete unbürokratisch mit ihnen zusammen. Falls der Kunde eine individuellere Lösung brauchte, baute man ihm eben eine.

Doch diese Stärke der alten CS ist durch die Fusion bedroht. Im Juli verabschiedete sich der Firmenkunden-Chef Andreas Gerber – wohin, ist nicht klar. Gerber – so eine Theorie – sei kaltgestellt worden, weil er einen lockeren Umgang mit bürokratischen Vorschriften gepflegt habe. Die UBS habe dann einen eher unbedeutenden Verstoss als Vorwand genutzt, um an ihm ein Exempel zu statuieren. Auf Anfrage wollte Gerber keine Stellung nehmen.

Gerber gilt als gut vernetzt in der KMU-Welt. Er präsidiert den Swiss Venture Club (SVC) und gilt als inoffizieller Vater des Covid-Kredit-Programms, das kleinen Firmen unkompliziert über die Runden half.

Auch andere Leistungsträger aus der CS Schweiz haben ihren Abschied gegeben – wobei auch die staatliche Konkurrenz zugeschlagen hat: Nicolas Krügel, der Kreditchef mit 27 Jahren CS-Erfahrung, wird 2024 Chef der Genfer Kantonalbank. Alain Schmid, der sich um die Gewerbekunden gekümmert und das Zahlungsverkehr-Geschäft geleitet hat, übernahm den Chefposten bei der Schaffhauser Kantonalbank.

Die neue Grossbank muss nun Unternehmer wie Marcel Dobler von sich überzeugen. Der Digitec-Gründer und FDP-Nationalrat ist langjähriger CS-Kunde, privat wie auch geschäftlich. Stand heute wisse er jedoch nicht, ob er den Wechsel zur UBS mitmache. Auch andere Unternehmer warten laut Dobler ab: «Es ist kein Selbstläufer, dass alle CS-Firmenkunden zur UBS übertreten. Sie wird um diese Kunden kämpfen müssen.»

CS-Aushängeschilder wie Andreas Gerber hätten für Kontinuität sorgen und den Unternehmern den Wechsel erleichtern können. Dobler lobt etwa den unkomplizierten Austausch mit Gerber und seinem Team: «Wenn einmal ein Problem auftrat, gelangte man einfach an ihn und fand eine gute Lösung.» Insofern seien solche Abgänge ein Verlust für die UBS. Finde die Bank eine gute Nachfolge, lasse sich der Verlust minimieren. «Im Moment ist das aber noch eine Blackbox.»

Auch andere Unternehmer melden Vorbehalte an. Die UBS-Spitze um Konzernchef Sergio Ermotti und Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher betreibe ein CS-Bashing, um den tiefen Kaufpreis zu rechtfertigen. Dadurch gerate auch das Schweizer Firmenkundengeschäft in ein schiefes Licht, obwohl die CS dort erfolgreicher gewesen sei als die UBS. «Dass der unternehmerische Geist verlorengeht, ist eine Gefahr für das exportorientierte Gewerbe», sagt ein Firmeninhaber, der nicht namentlich genannt werden will.

Die Abgänge beschränken sich nicht auf die Schweiz. Auch in der globalen Vermögensverwaltung, dem Kerngeschäft der UBS, werben die Konkurrenten Führungskräfte und Kundenberater ab; nebst den Schweizer Privatbanken sind auch die globalen Konkurrenten der UBS aktiv. In Asien schlugen die britische HSBC oder die Deutsche Bank zu, aber auch die grossen US-Banken langten zu, wenn sich die Gelegenheit bot. Auch im Investment Banking laufen der UBS Leute davon – wobei dies in vielen Fällen im Sinne der Bank sein dürfte, da sie ihre Bilanz entschlacken und kapitalintensives Geschäft sowie das dazugehörige Personal gern loswerden will.

Markante Lohnsprünge

Angetrieben wird das Transferkarussell mit grösseren Lohnpaketen. «Neue Arbeitgeber müssen bei den Salären 5 bis 10 Prozent drauflegen», sagt Biermann. Entscheidend sei aber, wie viele neue Kundenvermögen die Banker mitbrächten. Wenn diese die Erträge markant steigern, würden sich auch grössere Lohnsprünge rechtfertigen. Paradoxerweise führt der Kollaps der CS nicht zu Lohndruck, sondern zu höheren Bezügen auf dem Bankenplatz, wie ein Salärspezialist sagt. Top-Leute könnten mit deutlichen Lohnerhöhungen rechnen, bei IT-Spezialisten würden sie sogar explodieren. Unter Druck geraten die Bezüge hingegen im mittleren Kader und bei Angestellten ohne Führungsfunktion.

Zum finanziellen Köder kommt ein zweiter Faktor hinzu, der manchen den Abschied von der Grossbank erleichtert. Die CS-Manager befanden sich bereits über Jahre in der Defensive und mussten ihre Truppen von Krise zu Krise manövrieren. Viele haben schlicht keine Lust, jetzt über Jahre Integrationsarbeit bei der UBS zu leisten, und ziehen es vor, in unbelasteter Umgebung etwas Neues auf die Beine stellen zu können. Dass UBS-Präsident Colm Kelleher sie alle durch einen «kulturellen Filter» laufen lassen möchte, bevor sie bei der UBS ankommen, empfinden viele als entwürdigend.

Nicht alle Abgänge schmerzen die UBS. Die Bank hat 3000 Entlassungen angekündigt, der tatsächliche Stellenabbau dürfte rund dreimal so gross sein, soll das von Ermotti ausgegebene Sparziel von 9 Mrd. Fr. erreicht werden. Dass Leute freiwillig gehen, liegt durchaus im Interesse der Bank. Doch die Abgänge von Hochkarätern zeigen, was bei Restrukturierungen häufig der Fall ist: Es gehen die Falschen, und jene, die auf ihren Posten bleiben, sind nicht zwingend die Besten.

Die UBS zeigt sich gelassen. «Wie bei jedem Unternehmenszusammenschluss ist eine gewisse Fluktuation der Mitarbeitenden üblich, und die Anzahl der Abgänge entspricht unseren Erwartungen», sagt UBS-Sprecher Michael Spiess. Die UBS sei sehr gut positioniert, um Talente zu halten und neue zu gewinnen. Bei Bedarf hilft die Bank mit Lohnerhöhungen nach: «Wo nötig, werden Massnahmen zur Mitarbeiterbindung ergriffen», sagt Spiess.

Bankinterne Quellen verweisen zudem darauf, dass viele der Abgänge durch Rückstufungen im Zuge der Fusion erklärbar und entsprechend wenig überraschend seien. In den meisten Fällen sei es der Bank gelungen, jene Leute zu halten, die sie halten wollte. Die UBS habe in den letzten Monaten zudem Dutzende von externen Zugängen zu verzeichnen. Ihre Attraktivität als Arbeitgeberin sei ungebrochen. Sie verfüge ausserdem über einen grossen Pool an Talenten; allfällige Lücken könnten problemlos geschlossen werden.

Dennoch werfen die gewichtigen Abgänge auch Fragen nach den Verantwortlichkeiten in der Konzernleitung auf. Warum gelingt es der Schweiz-Chefin Sabine Keller-Busse nicht, die Stärken der CS im Corporate Banking in die UBS zu transferieren? Iqbal Khan, der Chef der globalen Vermögensverwaltung, muss sich ähnliche Fragen gefallen lassen.

Sie leiten die Geschäftsbereiche, die wachsen sollen und auf denen die UBS in Zukunft baut. Sie müssen die Integration dazu nutzen, dass die neue UBS keine aufgeblähte Version ihrer selbst ist, sondern eine global führende Bank, bei der jeder und jede arbeiten will. Keller-Busse wie Khan gelten auch als Kandidaten, die dereinst Sergio Ermotti als CEO beerben könnten. Sollten sie zu viele gute Leute an die Konkurrenz verlieren, fällt das auf sie zurück und schmälert ihre Chancen auf den Top-Job.

Ein Artikel aus der NZZ am Sonntag.

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