Mittwoch, April 30

Die digitale Rasterfahndung hat vor zehn Jahren massgeblich zur Lösung des Falls Rupperswil beigetragen. Seither hat der sogenannte Antennensuchlauf massiv an Bedeutung gewonnen. 2024 haben die Behörden so viele Suchläufe angeordnet wie noch nie.

Der Fall Rupperswil zählt zu den brutalsten Verbrechen in der jüngeren Schweizer Kriminalgeschichte. Kurz vor Weihnachten 2015 tötete ein 31-jähriger Mann in einem Einfamilienhaus eine Mutter, ihre 13- und 19-jährigen Söhne und die 21-jährige Freundin des älteren Sohnes. Den 13-Jährigen hatte er unmittelbar vor der Tötung schwer sexuell missbraucht.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Nach der Tat tappte die Polizei monatelang im Dunkeln. Erst nach einer digitalen Rasterfahndung mit einem sogenannten Antennensuchlauf konnte sie den Täter identifizieren und überführen. Damit konnten wohl weitere Opfer verhindert werden: Die Ermittlungen zeigten, dass der pädosexuell veranlagte Täter eigentliche Fichen von weiteren potenziellen Opfern im Alter von 11 bis 14 Jahren angefertigt hatte.

Mit einem Antennensuchlauf kann die gesamte Kommunikation einer bestimmten Mobilfunkzelle oder eines öffentlichen WLAN-Zugangs über einen festgelegten Zeitraum rückwirkend überwacht und ausgewertet werden. Die Netzbetreiber müssen entsprechende Vorratsdaten speichern und herausgeben, wenn ein Gericht dies anordnet. Im Fall Rupperswil konnte die Polizei aus Zehntausenden von Verbindungsdaten das Handy des Täters herausfiltern.

Der Antennensuchlauf ist mittlerweile zu einem der wichtigsten Mittel der Strafverfolgungsbehörden geworden. 2024 hat sich die Zahl der Suchläufe gegenüber dem Vorjahr mehr als verfünffacht, wie der Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr (ÜPF) des Bundes am Dienstag mitteilte. Waren es im Jahr 2023 noch 2168, stieg die Zahl 2024 auf 11 290.

Anstieg bei der Echtzeitüberwachung

Der Grund für den Anstieg ist unter anderem administrativer Natur. Bis Ende 2023 stellte der Dienst ÜPF für Auskunfts- oder Überwachungsaufträge einzelne Rechnungen aus. Anfang 2024 setzte der Bundesrat eine neue Finanzierungsverordnung in Kraft. Seither zahlt jeder Kanton jährlich eine Pauschale, was die Administration wesentlich vereinfacht hat. Das hat auch zu einer Verschiebung der Kosten geführt.

Unter dem alten Regime trug der Bund rund 70 Prozent der Kosten für die Überwachungsleistungen, obwohl er nur 10 Prozent der Leistungen für sich beanspruchte. Neu sind die Pauschalen so festgelegt, dass die Kantone 75 Prozent der Kosten tragen.

Insgesamt haben die Schweizer Strafverfolgungsbehörden und der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) im Jahr 2024 mehr als doppelt so viele Überwachungsmassnahmen beim Dienst ÜPF angeordnet wie im Jahr zuvor. Insgesamt waren es über 20 000 Massnahmen. Neben den Antennensuchläufen sind auch die Massnahmen zur Echtzeitüberwachung um 45 Prozent gestiegen. Dazu gehört unter anderem das Mitlesen von E-Mails oder das Mithören von Telefonaten.

Ins Auge fällt, dass 43 Prozent aller Überwachungsmassnahmen Vermögensdelikte betrafen. Das ist eine Verdreifachung gegenüber dem Vorjahr. Die Gründe liegen unter anderem in der Zunahme von Betrügereien im Online-Handel.

Zwölf Einsätze von Staatstrojanern

Leicht gestiegen ist 2024 die Zahl der Einsätze von sogenannter Govware (Government Software). Dabei handelt es sich etwa um sogenannte Staatstrojaner, mit denen Polizei und Geheimdienste digitale Endgeräte wie Smartphones oder Rechner infiltrieren und überwachen können. Im vergangenen Jahr setzten die Schweizer Behörden in zwölf Fällen Govware ein, meist im Zusammenhang mit Betäubungsmitteldelikten; 2023 waren es noch neun Einsätze.

Govware muss von einer Staatsanwaltschaft angeordnet und vom Zwangsmassnahmengericht bewilligt werden und ist nur zulässig, um eine besonders schwere Straftat aufzuklären. Dazu gehören beispielsweise ein Mordfall, eine Vergewaltigung oder die Unterstützung einer terroristischen Organisation.

Zugenommen hat auch die Zahl der Einsätze von sogenannten IMSI-Catchern. Diese Geräte können sich als Mobilfunkzelle ausgeben und Handys daran hindern, sich mit dem regulären Netz zu verbinden. So können etwa Bewegungsprofile für Personen erstellt oder die gleichzeitige Anwesenheit mehrerer Zielpersonen an einem Ort festgestellt werden. 2024 wurden IMSI-Catcher in 171 Fällen eingesetzt (Vorjahr: 160), meistens im Zusammenhang mit Notsuchen nach vermissten Personen oder schweren Betäubungsmitteldelikten.

Stark zugenommen hat auch die Zahl der Auskünfte durch den Dienst ÜPF. Im Jahr 2024 erteilte der Dienst über 32 000 komplexe Auskünfte, etwa zu Ausweiskopien oder Vertragsdaten. Das entspricht einem Anstieg von 55 Prozent. Bei den einfachen Auskünften (Telefonbuch- oder IP-Adressen-Abfragen) stieg die Zahl von 419 000 auf 495 000.

Exit mobile version