Mittwoch, April 2

Der europäische Fussballverband arbeitet künftig mit einer amerikanischen Agentur zusammen. Derweil die Grossklubs ihre Macht weiter ausbauen, bleibt in Luzern ein jahrzehntelanger Partner der Uefa zurück. Gehörnt und geschockt.

Vor über zehn Jahren schrieb die NZZ, dass «der Himmel voller Euro» sei. Gemeint ist die Champions League, der Wettbewerb, mit dem der europäische Fussballverband (Uefa) Geld regnen lässt. Bereits 2015 wurden 1,5 Milliarden Euro pro Jahr generiert, vor allem über die Vermarktung der Fernsehrechte. In einer Dekade ist der Betrag auf rund 4 Milliarden gestiegen.

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Die Königsklasse ist eine ökonomische Erfolgsgeschichte. 2,5 Milliarden Euro werden dieses Jahr an ihre Teilnehmer verteilt. 2023 erhielten fünf Grossklubs von der Uefa über 100 Millionen Euro, der Sieger Manchester City deren 135, der Ticketing-Erlös noch nicht eingerechnet. Solche Zahlen deuten darauf hin, welche Kräfte von allen Seiten wirken, in welche Sphären das Premiumprodukt hochgestiegen ist.

Die Champions League entsprang der mittlerweile über dreissigjährigen Zusammenarbeit zwischen der Uefa und der Schweizer Agentur Team, die Anfang der 1990er Jahre das zentrale Vermarktungskonzept entwickelt hat. Dieses bleibt bis heute das A und O des Reibachs. Alles gut unter der Uefa-Sonne, im monetären Land von Dagobert Duck. Während Jahrzehnten.

Der Erlös der Champions League stieg 2024 um 20 Prozent

Team arbeitet einträglich und trägt dazu bei, dass der grosse Hunger der auf hohen Lohnkosten sitzenden Klubs gestillt werden kann. Im Hinblick auf den neuen Zyklus und die Erweiterung des Teilnehmerfeldes von 32 auf 36 Teams vermochte die Uefa dank Team die Einnahmen per 2024 abermals um 20 Prozent zu steigern. Dies trotz dem Faktum, dass die TV-Rechte in fast allen europäischen Fussballligen stagnieren oder rückläufig sind.

Alles gut? Nein.

Die Ehe zerbricht, Dagobert Duck verflüchtigt sich – oder besser: fliegt auf einen anderen Kontinent. Im Februar wurden die Räumlichkeiten von Team in Luzern von einer Schockwelle erfasst. Die Uefa beendet die Zusammenarbeit mit der Schweizer Agentur per 2027 und heiratet Relevent Sports. Champions League, Europa League, Conference League – alles geht von Luzern nach New York, von Team an Relevent. Bis mindestens 2033.

Was Wunder, schreibt das amerikanische Unternehmen in einem Communiqué von einem «Meilenstein-Mandat». Hinter der Agentur steht der Milliardär Stephen Ross, der in der (Luxus-)Hotel- und Immobilienbranche zu Reichtum gekommen ist und die NFL-Franchise des American-Football-Teams Miami Dolphins hält.

Die US-Agentur profitiert von der Fussball-WM 2026

Relevent hat sich in den letzten Jahren immer mehr im europäischen Fussball eingebracht, vermarktet die englische, die spanische und die deutsche Liga auf dem amerikanischen Kontinent und hat Team bereits 2022 das USA-Paket der Königsklasse abgejagt. Dadurch erhöhte sich für die Uefa der jährliche Champions-League-Ertrag aus den Medienrechten in den Vereinigten Staaten um 150 Prozent auf 230 Millionen Euro.

Relevent profitiert vom Sog, der durch die in den USA, Kanada und Mexiko stattfindende Fussball-WM 2026 entstanden ist. Da läuft eine neue, reiche amerikanische Braut vorbei – und schon erliegt die Uefa der Versuchung.

Zurück bleibt die Agentur Team, der gehörnte jahrzehntelange Partner der Uefa. Insgesamt 165 aufgerüttelte Angestellte, von denen die meisten in Luzern ihrer Arbeit nachgehen. Die Champions League ist der Goldesel von Team, der nun zum existenziellen Klumpenrisiko geworden ist. Team hatte nur einen Fokus, definierte sich zu fast 100 Prozent über die Königsklasse der Uefa, war die Relaisstation zwischen dem Verband und dessen Partnern.

Der Euro rollte seit 1992. Die Team-Löhne sind entsprechend hoch, Boni eingeschlossen. Das hat in der Uefa auch Argwohn geweckt, habe immer wieder Verbandspersonal getriggert, sagt ein Insider. Futterneid unter Gutbetuchten. Die Kommissionen fliessen, jedes Jahr. Allein die Königsklasse bringt 4 Milliarden ein. Rechne.

Team wirft Dividenden ab

Die Agentur Team ist eine Tochter der Highlight Communications AG, des verzweigten Unternehmens des Baslers Bernhard Burgener. Dank ihr werden Dividenden ausgeschüttet, das Geschäft mit dem Fussball brummt.

Team gibt in einem Schreiben seiner «Enttäuschung» Ausdruck und will sich im Moment nicht weiter äussern. Dass die Frustration in der Agentur viel grösser ist, als es die weichgespülten PR-Worte vorgeben, ist naheliegend. Niemand wird gerne ausgestochen, zumal nach über dreissig Jahren und mit einem Leistungsausweis, in dem in Milliarden gezählt wird. «Superhart» sei der Bruch für Team, sagt ein Kenner der Szene.

Relevent ist amerikanisch, begütert und im Milliardenbusiness nicht als barmherziger Samariter unterwegs. Gegenüber der «Financial Times» spricht der Relevent-CEO Daniel Sillman von den verschiedenen Kanälen, die bedient werden sollen, von sozialen Netzwerken, von Streamingdiensten und von linearen TV-Anbietern, auch von «Fan-Erlebnis» und vom Super Bowl, dem American-Football-Final. Wird die Champions League amerikanischer? Gibt es bald Europacup-Spiele in den USA?

Die Macht der Fussballklubs wird immer grösser

Die Hinwendung in Richtung USA ist auch damit zu erklären, dass die europäischen Grossklubs in der Uefa immer mehr Einfluss gewinnen. Die Wahl der neuen Agentur beschloss ein Joint Venture, in dem die Uefa und die Vereinigung der europäischen Fussballklubs (ECA) Einsitz haben. Die Uefa hält 51 Prozent, die ECA deren 49.

Letztgenannte Vereinigung hat bereits operationelle Aufgaben übernommen. Gut möglich, dass Team das beim Lobbyieren unterschätzt hat. In einem Communiqué lobt die ECA die amerikanische Agentur, die das Geschäft zu «maximieren» verstehe und «uns auf das nächste Niveau bringt».

Der Präsident des Joint Venture ist der Uefa-Chef Aleksander Ceferin, der Vizepräsident heisst Nasser al-Khelaifi. Der 51-jährige Katarer hat seine Fühler im internationalen Fussball überall, er trägt so viele Hüte, dass er sie kaum noch zählen kann.

Al-Khelaifi ist der Abgesandte des Emirs von Katar. Er steht dem Staatsfonds Qatar Sports Investments vor, er präsidiert seit 2011 das katarische Milliardenspielzeug Paris Saint-Germain, er führt das BeIN-Medienunternehmen, einen Zweig des katarischen Senders al-Jazeera, der in der Ligue 1 Medienrechte hält. Er sitzt seit 2019 im Exekutivkomitee der Uefa und führt zudem die Klubs. Er legt Spielregeln fest und lebt Interessenkonflikte hemmungslos.

Also sagt der Klubchef: «Nasser, du tyrannisierst alle»

Nasser al-Khelaifi ist ein Strippenzieher, dem ein französischer Klubpräsident 2024 in einem Video-Call der Ligue 1, in dem abstürzende TV-Rechte verhandelt wurden, kurzerhand beschied: «Nasser, du tyrannisierst alle.» In der Uefa heisst es, dass Khelaifi «mit Abstand» am meisten Gewicht habe. Insbesondere, seit er sich vor vier Jahren gegen die in Madrid forcierten Pläne einer Super-Liga stellte.

Nasser al-Khelaifi rechnet, obschon Katar die Millionen in Paris bündelweise aus dem Fenster wirft. Er ist ein Faktor, der die Uefa von der Schweizer Agentur Team weggebracht hat. Vielleicht haben die Amerikaner tolle Versprechen und allenfalls sogar Garantien abgegeben, obschon der Fussballmarkt «gesättigt» sei, wie Beobachter verlauten lassen. Relevent muss liefern. Denn die Grossklubs wollen nur eines: noch mehr Mittel.

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