Freitag, Januar 3

Die einstige Premierministerin Theresa May tritt bei der anstehenden Unterhauswahl nicht mehr an. Sie ist nicht die einzige Tory-Abgeordnete, die vor der drohenden Verbannung der Tories auf die Oppositionsbänke aus der Politik aussteigt.

David Cameron erlebt als Lord Cameron von Chipping Norton und britischer Aussenminister gerade seinen zweiten politischen Frühling. Boris Johnson bringt seit seinem Rücktritt als Premierminister und Abgeordneter seine Finanzen in Ordnung, indem er als Kolumnist und Redner hohe Gagen kassiert. In den Schlagzeilen hält sich auch Liz Truss mit denkwürdigen Auftritten vor Trump-Anhängern in den USA, wo sie jüngst die Theorie verbreitete, der «Deep State» des britischen Finanz-Establishments habe sie aus dem Amt befördert.

«Dienst am Gemeinwesen»

Theresa May hingegen wirkte seit ihrem Auszug aus dem britischen Regierungssitz an der Downing Street Nummer 10 im Jahr 2019 als diskrete Schafferin im Unterhaus. Wenn sie sich von den Hinterbänken des Unterhauses aus zu Wort meldete, fand sie als mahnende Elderly Stateswoman stets Gehör.

Nun aber hat die 69-Jährige genug: Dem «Maidenhead Advertiser», dem Lokalblatt ihres Wahlkreises, sagte sie am Freitag, bei den im Verlauf des Jahres anstehenden Unterhauswahlen werde sie nicht mehr antreten. Damit zieht sich May aus der aktiven Politik zurück – 27 Jahre nachdem sie erstmals ins Unterhaus gewählt worden ist.

In ihrem Rücktrittsschreiben erklärt May, sie wolle mehr Zeit für ihr am Herzen liegende Themen einsetzen – etwa für die jüngst gegründete Globale Kommission zur Bekämpfung von moderner Sklaverei und Menschenhandel. May wird auch genannt als mögliche Nachfolgerin von Chris Patten im Kanzleramt der Universität Oxford.

May versuchte die Vermutung zu zerstreuen, ihr Rücktritt stehe im Zusammenhang mit der drohenden Wahlniederlage der Tories. Sie betonte, sie glaube an einen Sieg von Premierminister Rishi Sunak. Dieser würdigte May im Gegenzug als «ausserordentliches und inspirierendes Beispiel für den Dienst am Gemeinwesen», den sie während mehr als zweier Jahrzehnte geleistet habe.

Amtszeit im Zeichen des Brexits

May stieg im Nachgang zum Brexit-Referendum 2016 von der Innenministerin zur Nachfolgerin von David Cameron auf. Die nach Margareth Thatcher zweite Frau an der britischen Regierungsspitze reagierte auf die hohe Brexit-Zustimmung in benachteiligten Regionen mit der Losung des «einfühlsamen Konservatismus». Geprägt war ihre dreijährige Amtszeit von den Brexit-Wirren. Nachdem die Konservativen bei der vorgezogenen Unterhauswahl von 2017 Sitzverluste erlitten hatten, scheiterte Mays weicher Brexit am Widerstand von Labour und von konservativen Hardlinern.

May wirkte bei öffentlichen Auftritten ungelenk und hölzern, die bissige britische Presse verglich sie mit einem Roboter. Symptomatisch war ihr Auftritt beim Parteitag 2017, als sie einen Hustenanfall erlitt, während sich hinter ihr die Buchstaben eines politischen Slogans von der Wand lösten. 2019 reichte die integre Pfarrerstochter ihren Rücktritt als Premierministerin ein und überliess das Feld ihrem Widersacher Boris Johnson.

Nach ihrem Rückzug auf die Hinterbänke hielt sie sich loyal an die Fraktionsdisziplin, meldete sich aber punktuell als unbequeme Mahnerin und liberale Kritikerin ihrer Nachfolger zu Wort. Sie geisselte Johnsons Pläne, bei der Brexit-Umsetzung das Völkerrecht zu brechen, und auch die kafkaesken Reise- und Freiheitsbeschränkungen während der Pandemie.

Labour hat die Tories in den Umfragen distanziert

Wahlabsicht bei der Unterhauswahl, in Prozent der Befragten

Neben May haben rund 60 weitere konservative Abgeordnete angekündigt, bei der anstehenden Unterhauswahl nicht mehr anzutreten. Ausscheiden werden etwa die ehemaligen Kabinettsminister Ben Wallace, Dominic Raab, Sajid Javid oder Kwasi Kwarteng. Angesichts des klaren Rückstands der Konservativen auf Labour in den Meinungsumfragen scheinen etliche Tory-Abgeordnete wenig Lust auf eine mögliche Abwahl oder eine Verbannung auf die Oppositionsbänke zu verspüren.

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