Donnerstag, März 6

Deutschland diskutiert über die Frage, wie es mehr Soldatinnen und Soldaten bekommt. Die Ideen reichen von einem Zwangsdienst bis zu einer «freiwilligen Wehrpflicht».

Die weltpolitischen Entwicklungen sind bedrohlich, die Sicherheit in Europa ist das grosse Thema dieser Tage. So ist es auch in Deutschland: Am Dienstagabend haben Union und SPD angekündigt, für die Finanzierung von Verteidigungsausgaben die Schuldenbremse zu lockern. Gleichzeitig hat die Sicherheitslage in den vergangenen Tagen noch eine andere Debatte angestossen: jene über die Wiedereinführung der Wehrpflicht.

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Der verteidigungspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Florian Hahn, sagte der «Bild», die Aussetzung der Wehrpflicht passe nicht mehr zur aktuellen Gefährdungslage. Wenn die Welt unsicherer werde, könne Deutschland nicht teilnahmslos zuschauen. Deutschland brauche eine glaubwürdige Abschreckung.

Auch der ehemalige Aussenminister der Grünen, Joschka Fischer, sprach sich für die Wehrpflicht aus. Fischer war von 1998 bis 2005 Aussenminister in der rot-grünen Koalition unter Bundeskanzler Gerhard Schröder. Dem Magazin «Stern» sagte er: «Ich war ein Befürworter der Abschaffung. Das war ein Fehler, den wir revidieren müssen. Die Wehrpflicht muss wieder eingeführt werden». Fischer fordert ausserdem die Wehrpflicht für beide Geschlechter. Ohne diesen Schritt werde Deutschland beim Schutz Europas nicht vorankommen.

Pistorius: «Wir haben nicht genug Kasernen»

Auch der Noch-Verteidigungsminister der Sozialdemokraten, Boris Pistorius, äusserte sich am Dienstagabend bei der ARD zu dem Thema. Wer sich die aktuellen Entwicklungen in Washington, Moskau und Kiew anschaue, der könne gar nicht anders, als militärisch und verteidigungspolitisch «erwachsen zu werden». Das heisse nicht, man solle die transatlantischen Beziehungen zu den USA aufkündigen. Doch man müsse mehr für die eigene Verteidigungsfähigkeit tun.

Zur Forderung der Union, die Wehrpflicht noch in diesem Jahr wieder einzuführen, sagte Pistorius: «Wir haben gar nicht genug Kasernen, um die Wehrpflichtigen eines Jahrgangs überhaupt einziehen zu können». Ein Schnellschuss sei nicht hilfreich. Fakt ist: Ehe die Infrastruktur ausgebaut ist, würde die Bundeswehr 30 0000 Wehrpflichtige mehr verkraften. Heute hat sie knapp 180 000 Soldaten.

Pistorius will deshalb in einem ersten Schritt jenen eine Perspektive bieten, die freiwillig Wehrdienst leisten würden. Im vergangenen Herbst hatte Boris Pistorius einen Gesetzesentwurf für ein neues Wehrdienstmodell vorgelegt. Die Ampelkoalition hatte sich zwar darauf geeinigt. Doch dann kam es zum Bruch der Ampel und die Abstimmungen im Bundestag und im Bundesrat wurden gestrichen.

Pistorius wollte mit dem Gesetz junge Männer dazu verpflichten, Auskunft über Bereitschaft und Fähigkeit zum Militärdienst zu geben. Junge Frauen hätten den Fragebogen freiwillig ausfüllen können. Nun wird das Gesetz dem neuen Bundestag vorgelegt werden müssen.

Andere Stimmen in der SPD sprachen sich klar gegen eine Wehrpflicht aus. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Falko Drossmann, sagte, die Forderung der Union zu einer Wehrpflicht sei «unmöglich wie auch unzeitgemäss.»

Seit 14 Jahren keine Wehrpflicht

Die Union hatte in ihrem Wahlprogramm angekündigt, die Truppenstärke der Bundeswehr auf 203 000 Soldatinnen und Soldaten erhöhen zu wollen. Sie sprach sich darin ausserdem für eine «aufwachsende» Wehrpflicht aus. Heisst: Wer tauglich und bereit zum Wehrdienst ist, solle einberufen werden. Die SPD schrieb in ihrem Wahlprogramm, man wolle die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiver machen. Man setze auf eine nachhaltige Finanzierung der Verteidigung in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts.

In Deutschland gibt es seit 14 Jahren keine Wehrpflicht mehr. Der CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hatte sie ausgesetzt. In den Jahren darauf löste man fast alle Strukturen auf, die für eine Wehrpflichtarmee gebraucht werden. Dazu gehören unter anderem die Erfassung aller Männer eines Jahrgangs und ihre Musterung.

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