Samstag, September 20

Donald Trump forderte Amerikas Elite-Unis auf, Namen von Personen zu liefern, die mit antisemitischen Vorgängen in Verbindung stehen. Die University of California Berkeley hat es getan – und wird dafür scharf kritisiert.

Für Donald Trump ist der Fall klar: Die Eliteuniversitäten des Landes sind antisemitisch, links und eine Gefahr für die Demokratie. Im März publizierte das amerikanische Bildungsministerium eine Liste mit sechzig Hochschulen, denen die Regierung vorwirft, nicht genügend zu tun, um jüdische Studierende vor Antisemitismus zu schützen. Der Harvard University hat Trump Forschungsgelder in Milliardenhöhe gestrichen, weil sie sich weigerte, den Forderungen der Regierung nachzukommen und Informationen über das Fehlverhalten von Studenten zu liefern.

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Die University of California in Berkeley steht auf der Liste des Bildungsministeriums an prominenter Stelle. Sie gilt als eine der progressivsten, man kann auch sagen: linksten Hochschulen des Landes. Als bekanntwurde, dass die Regierung auf das Zulassungsverfahren und den Lehrplan der Universität Einfluss nehmen will, fanden auf dem Berkeley-Campus Protestaktionen statt. «Defend Our Education» war auf Transparenten zu lesen, mit denen Studierende sich auf den Kampf gegen Washington einschworen. Der Rektor solidarisierte sich mit ihnen.

Unklare Vorwürfe

Nun hat Berkeley zumindest einen Teil von Trumps Forderungen erfüllt. Anfang September lieferte die Universitätsleitung der Bundesregierung Namen von Studenten, Dozenten und Mitarbeitern, die mit mutmasslichen Fällen von Antisemitismus in Verbindung gebracht werden. Rund hundertsechzig Personen wurden vom Rechtsberater der Uni darüber informiert, dass ihr Name ans Büro für Bürgerrechte des Bildungsministeriums weitergeleitet wurde. Bekannt wurde dies, weil die von Studentinnen und Studenten betriebene Zeitung «The Daily Californian» darüber berichtet hatte.

Zusätzlichen Auftrieb hat die Kontroverse nun dadurch bekommen, dass eine der prominentesten Berkeley-Professorinnen die Uni öffentlich kritisiert. In einem offenen Brief, der am Dienstag im Magazin «The Nation» publiziert wurde, wendet sich die Philosophin Judith Butler, eine Ikone der Gender-Bewegung, mit scharfen Worten gegen die Leitung der Universität. Den Brief hatte sie vorher an den Rechtsberater von Berkeley geschickt.

Judith Butlers Vorwürfe sind gravierend. Man teile ihr mit, schreibt sie, dass die Uni einen Bericht über mutmassliche antisemitische Vorgänge an die Behörden weitergeleitet habe, in dem ihr Name genannt werde. Um welche Vorgänge es sich handle und in welchen Zusammenhang sie damit gebracht werde, erfahre sie allerdings nicht. Offenbar gehe es um eine Anschuldigung, die entgegen dem Verfassungsrecht ohne gerichtlichen Entscheid an eine Bundesbehörde weitergeleitet werde.

Welche Bürgerrechte?

Konkret benannt würden die Vorwürfe nicht, von wem sie ausgingen, werde auch nicht gesagt, und ob sie gerechtfertigt seien, scheine keine Rolle zu spielen, schreibt Butler. Ihr Name stehe nun auf der Liste des Büros für Bürgerrechte – die aber offensichtlich nicht ihre Bürgerrechte seien. Sie arbeite gerade an einem Buch über Kafka, schreibt Butler weiter. Und das Vorgehen der Uni erinnere sie in vielem an die Konstellation aus Kafkas Roman «Der Prozess»: eine Anklage, die dem Angeklagten nicht zur Kenntnis gebracht werde, und ein Verfahren, das der amerikanischen Rechtstradition in jeder Hinsicht widerspreche.

«Wir befinden uns im Kafka-Land», schliesst Butler. Für die Menschen, die auf der Liste der University of California stünden, gelte offenbar der Schutz nicht, den der sechste und der vierzehnte Verfassungszusatz jedem amerikanischen Staatsbürger böten. Sie fordere die Leitung der Universität auf, sich den Forderungen des Bundes nicht zu beugen, schreibt Butler. Die Vorstellung, dass Lehrkräfte, Studierende und Mitarbeiter der Uni «einer umfassenden Überwachung» unterstellt würden, sei «ein atemberaubender Verstoss gegen Vertrauen, Ethik und Gerechtigkeit».

Butler, die aus einer jüdischen Familie stammt, macht seit Jahren mit provokativen Statements gegen Israel von sich reden. Hizbullah und Hamas sind für sie keine Terrororganisationen, sondern «soziale Bewegungen», die einen berechtigten Kampf gegen Imperialismus und Unterdrückung führen. Das Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 bezeichnete sie als «Akt des bewaffneten Widerstands». Als Butler 2012 den Adorno-Preis der Stadt Frankfurt bekam, bezeichnete der Zentralrat der Juden in Deutschland sie als «bekennende Judenhasserin».

Doch Butlers Haltung zu Israel ist das eine. Das andere ist das fragwürdige Vorgehen der University of Berkeley. Welche Konsequenzen die Namensliste für diejenigen hat, die auf ihr verzeichnet sind, ist unklar. Dient sie der Einschüchterung? Müssen die Gemeldeten mit Restriktionen rechnen – mit Einschränkungen der Reisefreiheit? Butler stellt die Frage in ihrem Brief zu Recht. Die Antisemitismusvorwürfe, die gegen Amerikas Elitehochschulen erhoben werden, sind berechtigt. Das hat ein Bericht der Harvard University gezeigt. Die Verantwortlichen müssen handeln. Aber das gelingt nur mit ordnungsgemässen Verfahren. Und mit Transparenz.

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