Montag, Februar 3

Seit der Wahlniederlage im November tobt in der Demokratischen Partei ein Richtungsstreit. Nun wählten die Mitglieder des Nationalen Parteikomitees Ken Martin zum Vorsitzenden. In seiner Siegesrede schlug er klassenkämpferische Töne an.

Parteivorsitzende in den USA sind in der Regel für die Knochenarbeit hinter den Kulissen zuständig. Ihre oberste Aufgabe ist es, eine Organisation aufzubauen und zu verwalten, die Wahlen gewinnen kann. Die inhaltliche Ausrichtung wird derweil vor allem von den Präsidenten oder den aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten einer Partei bestimmt. Wer sich in den Vorwahlen im Rennen um das Weisse Haus durchsetzt, gilt auch als Anführer der eigenen Partei.

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Trotzdem – oder vielleicht auch gerade deshalb – wurde die Wahl eines neuen Parteivorsitzenden der Demokraten am Samstag mit Spannung erwartet. Denn seit der Wahlniederlage im November wirkt die Linke nicht nur desorientiert und demoralisiert, sondern auch führungslos. Die nächsten Präsidentschaftswahlen, bei der sich ein neuer Hoffnungsträger profilieren könnte, ist erst wieder in vier Jahren. Die Wahl des Parteivorsitzenden am Samstag galt deshalb als erster richtungsweisender Schritt nach dem Scheitern im November.

Zurück zu einem weissen Mann

Allein das Kandidatenfeld und am Ende auch das Wahlresultat lieferten ein erstes Signal: Mit Ken Martin und Ben Wikler erhielten zwei weisse Männer die meisten Stimmen unter den 428 Mitgliedern des demokratischen Parteikomitees. Erstmals seit 2011 wird der Vorsitz damit nicht in den Händen einer Frau oder einer dunkelhäutigen Person sein. Offensichtlich spielte der Wunsch nach Vielfalt und Förderung von Minderheiten bei dieser Wahl eine geringere Rolle.

Mit Ken Martin setzte sich ein Kandidat durch, der innerhalb der Partei und insbesondere mit der Parteibasis gut vernetzt ist. Der 51-jährige Parteichef der Demokraten in Minnesota präsidierte bisher auch die Vereinigung aller gliedstaatlichen Parteiführer. Grosse Geldgeber der Partei und die alte Garde des Establishments um den Senatsführer Chuck Schumer oder die ehemalige Speakerin Nancy Pelosi unterstützten Wiklers Kandidatur. Doch Wikler – der Chef der demokratischen Partei in Wisconsin – unterlag am Ende deutlich. Martin gewann die Wahl mit 246 Stimmen, Wikler erhielt 134.

Eine eigentliche Revolution oder gar Konterrevolution bedeutet die Wahl indes nicht. Martin ist ein langjähriger Verbündeter von Tim Walz. Dieser stammt ebenfalls aus Minnesota und diente Kamala Harris als Vize-Kandidat im Rennen um das Weisse Haus. Vor der Wahl wiederholte Martin das Mantra, mit dem die Demokraten bereits im vergangenen Wahlkampf immer wieder ihre schlechten Umfrageresultate erklärten: «Wir haben die richtige Botschaft. Wir müssen sie wieder zu den Wählern bringen.»

In seiner Siegesrede am Samstag schlug Martin klassenkämpferische Töne an. Die Demokraten müssten stets wissen, auf welcher Seite sie stünden: «Sind wir auf der Seite der Räuberbarone, der ultrareichen Milliardäre, der Umweltverschmutzer der Erdölindustrie, der Feinde der Gewerkschaften?», holte Martin aus. «Oder sind wir auf der Seite der amerikanischen Arbeiterfamilien, der Kleinunternehmer, der Bauern und der Studenten?» Er wisse, auf welcher Seite er stehe, bekräftigte Martin. Damit schlug er einen ähnlichen Ton an wie Joe Biden in seiner Abschiedsrede. Der ehemalige Präsident warnte die Amerikaner darin vor einer aufziehenden «Oligarchie».

Tatsächlich hat Donald Trump so viele Milliardäre in seine Regierung berufen wie kein anderer amerikanischer Präsident vor ihm. Zugleich verspricht Trump ein «goldenes Zeitalter» mithilfe einer protektionistischen Wirtschaftspolitik. Damit erinnert er unweigerlich an das «Gilded Age» am Ende des 19. Jahrhunderts, als Amerika von mächtigen Grossindustriellen – sogenannten Räuberbaronen – dominiert wurde.

Hoffen auf Trumps Übermut

Es stellt sich indes die Frage, ob die amerikanische Arbeiterschaft diese grossen historischen Zusammenhänge und die abstrakten Warnungen vor einer Oligarchie wirklich versteht. Biden und später auch Harris versprachen stets, die Arbeiter und die Mittelschicht mit ihrer Politik stärken zu wollen. Biden besuchte gar streikende Arbeiter der Autoindustrie in Detroit, um seine Solidarität mit der Gewerkschaftsbewegung zu demonstrieren. Doch die Wähler scheinen derzeit einem Unternehmer wie Trump in Wirtschaftsfragen mehr zu vertrauen als lebenslangen Berufspolitikern wie Biden.

Biden und Harris wollten insbesondere die Chancengleichheit für Minderheiten fördern. Doch auch damit erreichten sie die Wähler nicht. Trump gelang es, entscheidende Wähleranteile unter Latinos und Afroamerikanern zu gewinnen. Diese gehörten bisher zu den treusten Wählergruppen der Demokraten.

Martin hat eine Untersuchung zu den Gründen für die Wahlniederlage der Demokraten versprochen. Ein zentrales Thema, das in seiner Siegesrede zu kurz kam, sollte dabei eine wichtige Rolle spielen: die Migrationspolitik. Nach seinem ersten Wahlsieg 2016 lehnten sich die Demokraten gegen Trumps scharfe Massnahmen zum Schutz der Südgrenze auf, und Biden lockerte die Einwanderungspolitik 2021 wieder. Daraus resultierte eine rekordhohe Zuwanderung, die viele Wähler im November in Trumps Arme trieb.

Moderate Demokraten wie etwa der Kongressabgeordnete Tom Suozzi aus New York sprechen sich deshalb gegen einen totalen Widerstand gegen Trumps Agenda aus. Er ist zu Kompromissen bereit: In der Migrationspolitik befürwortet Suozzi einen besseren Grenzschutz, fordert im Gegenzug aber auch einen gesetzlichen Weg zur Einbürgerung der vielen Millionen papierloser Migranten in den USA.

Momentan scheinen Trump und die Republikaner indes kaum zu grossen Kompromissen bereit zu sein. Der Präsident versucht seine Agenda vor allem mit einer Fülle von Dekreten durchzusetzen. Allerdings musste er dabei auch erste Rückschläge einstecken. Nach einem Gerichtsurteil zog seine Regierung vergangene Woche einen temporären Stopp von staatlichen Förderprogrammen zurück. Sollten die Zölle gegen Mexiko, China und Kanada die Inflation anheizen, könnte die Wählerstimmung drehen. So kommentierte der CNN-Moderator Manu Raju am Sonntag: «Manchmal braucht die Opposition nur zu schauen, was die Regierungspartei tut – ob sie zu weit geht und die Wähler sie an den Urnen dafür bestrafen.»

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