Das politische Klima in Amerika heizt sich auf. Diese Woche stehen sich Joe Biden und Donald Trump in der ersten Präsidentschaftsdebatte gegenüber. Die künftige Machtkonstellation in Washington wird für die Börse brisanter.

Die Märkte werden etwas unruhiger. An den amerikanischen Börsen schloss der Leitindex S&P 500 am Dienstag zwar 0,4% fester. Ein Blick unter der Oberfläche zeigt aber, dass nur drei der insgesamt elf Sektoren zulegen konnten: Informationstechnologie, Kommunikationsdienste und Energie.

Im Mittelpunkt steht weiterhin Nvidia. Jede Veränderung des Aktienkurses wird wie ein Grossereignis rapportiert. Gestern preschten die Titel des Spezialisten für KI-Chips fast 7% vor. In den vergangenen Tagen standen sie allerdings teils erheblich unter Druck. Allein am Montag hatte der Konzern 207 Mrd. $ an Börsenwert verloren, worauf er am Dienstag fast die gleiche Summe gewann.

Um diese Zahlen ins Verhältnis zu setzen: Mehr als 90% der Konzerne im S&P 500 haben eine Marktkapitalisierung von weniger als 200 Mrd. $. Darunter auch Blue Chips wie McDonald’s (188 Mrd. $), Disney (186 Mrd. $), Verizon (172 Mrd. $), Caterpillar (161 Mrd. $) und Pfizer (160 Mrd. $).

Seit dem letzten Rekordhoch vom 18. Juni hat der Kurs von Nvidia bis zu 13% eingebüsst. Für die volatilen Titel sind solche Schwankungen nicht aussergewöhnlich. Seit Beginn des Hypes um künstliche Intelligenz vor anderthalb Jahren haben sie inzwischen sechs Korrekturen von 10% oder mehr durchgemacht. Den grössten Rückschlag erlebten sie diesen April mit einem Verlust von annähernd 20%.

Die jüngsten Kursschwankungen müssen also nicht zwangsläufig den Beginn grösserer Probleme ankündigen. Schliesslich ist Nvidia allein seit Anfang Jahr bis zu 174% avanciert und temporär sogar zum wertvollsten Konzern der Welt vor Apple und Microsoft aufgestiegen. Andererseits zeigt die Historie auch, dass die zyklischen Chipaktien seit dem Börsengang im Januar 1999 siebenmal eine Korrektur von mehr 50% erlitten haben.

Für erhöhte Volatilität an den Börsen generell dürften in den kommenden Wochen und Monaten die Präsidentschaftswahlen in den USA sorgen. Ein wichtiger Termin im Wahlkampf zwischen dem demokratischen Amtsinhaber Joe Biden und seinem republikanischen Herausforderer Donald Trump ist die erste Fernsehdebatte am Donnerstagabend.

«The Pulse» beschäftigt sich in der heutigen Ausgabe deshalb mit der Ausgangslage in Washington und möglichen Auswirkungen auf die Finanzmärkte.

Ein knappes Rennen

Der Countdown läuft. Bis zum Wahlentscheid am 5. November sind es noch knapp 132 Tage. Im Rennen um das Weisse Haus finden zwei Debatten zwischen dem republikanischen und dem demokratischen Kandidaten statt. Die erste am 27. Juni in Atlanta, die zweite am 10. September, nachdem beide Parteien ihren Konvent abgehalten haben.

Bei den Präsidentschaftsdebatten geht es in erster Linie um den Charakter und die Kompetenz der Kandidaten für das höchste Staatsamt. Diese Aspekte sind umso wichtiger, als sich bei beiden Kandidaten angesichts ihres Alters Fragen nach ihrer mentalen Verfassung und ihrer allgemeinen Gesundheit stellen. Biden wird im November 82, Donald Trump ist Mitte Juni 78 geworden.

Der Wahlausgang wird sich in einigen wenigen US-Bundesstaaten entscheiden, in denen keine Partei eine klare Mehrheit hat. Zu diesen «Swing States» gehören Pennsylvania, Georgia, North Carolina, Michigan, Wisconsin, Arizona und Nevada. In den meisten Fällen hat der führende Kandidat nur einen knappen Vorsprung.

Prognosen werden auch dadurch erschwert, dass Robert F. Kennedy, Jr. als unabhängiger Kandidat in Umfragen einen Anteil von jeweils 8 bis 9% erzielt. Der erfolgreichste unabhängige Kandidat in der jüngeren Vergangenheit war Ross Perot. Er erhielt bei den Wahlen von 1992 und 1996 rund 19 bzw. 9% der Stimmen. Obwohl das Programm seiner Reformpartei eher mit der republikanischen Agenda übereinstimmte, warb er gemäss unabhängigen Analysen dem Kandidaten der Republikaner und Demokraten etwa gleich viele Stimmen ab.

Die Wettquoten an politischen Börsen wie PredictIt richten sich im Wesentlichen nach den Umfragewerten in den sieben Schlüsselstaaten. Im Moment liegt Trump vorne, doch Biden hat im Vorfeld der ersten Präsidentschaftsdebatte aufgeholt. Die Verurteilung von Trump im Schweigegeldprozess vor drei Wochen hat sich nicht negativ auf seine Umfragewerte ausgewirkt und ihm möglicherweise sogar etwas Rückenwind gegeben.

Für den politischen Gestaltungsspielraum des nächsten Präsidenten ist die Sitzverteilung im Kongress von Bedeutung. Im Repräsentantenhaus, wo die Republikaner derzeit knapp in der Mehrheit sind, stehen sämtliche 435 Sitze zur Wahl. Um die Mehrheit zu erlangen, müssen die Demokraten fünf zusätzliche Sitze erobern. Auch hier ist die Ausgangslage eng. Hart umkämpft sind 22 Sitze, die sich gleichmässig auf beide Parteien verteilen.

Wichtig wird vor allem die Konstellation im Senat sein. Die kleinere Parlamentskammer hat grossen Einfluss auf die US-Politik; unter anderem, weil sie die vom Präsidenten nominierten Kandidaten für wichtige Posten in der Regierung bestätigen muss. Dazu zählen beispielsweise die Mitglieder des Obersten Gerichtshofs, die Leitung des Finanzdepartements und der Vorsitz der US-Notenbank, der 2026 neu besetzt werden muss.

Derzeit halten die Demokraten eine knappe Mehrheit im Senat. Diese zu verteidigen wird schwer. Von den hundert Sitzen stehen 34 im November zur Wahl. 23 davon halten die Demokraten, elf die Republikaner. Gemäss dem Cook Political Report, einem unabhängigen Analysedienst, sind drei Sitze hart umkämpft: in den Bundesstaaten Nevada, Ohio und Montana. Der demokratische Senator Joe Manchin aus West Virginia tritt zudem nicht mehr zu Wiederwahl an, womit sein Sitz mit grosser Wahrscheinlichkeit an die Republikaner geht.

Verhalten der Börsen in Wahljahren

Je näher die Wahlen im November rücken, desto stärker werden sie das Geschehen an den Finanzmärkten beeinflussen. In der Vergangenheit avancierte der S&P 500 in einem Wahljahr durchschnittlich 10,5%. In Rezessionsjahren war es deutlich weniger. Generell liessen sich grössere Kursschwankungen beobachten. Gegenwärtig steht der S&P 500 seit Anfang Januar 15% im Plus.

Hinsichtlich der Saisonalität entwickeln sich die US-Börsen besonders in den Sommermonaten üblicherweise freundlich, worauf die Kurse im September und Oktober wegen der Unsicherheit zum Wahlausgang oft unter Druck geraten. Wenn nach der Entscheidung mehr Klarheit über die zukünftigen Machtverhältnisse herrscht, kommt es gegen Ende Jahr oft zu einer Rally.

Der letztgenannte Sachverhalt wird in der folgenden Grafik etwas detaillierter dargestellt. Seit 1980 verhält sich der S&P 500 im Vorfeld von Wahlen in der Regel überdurchschnittlich volatil, um dann in den ersten hundert Tagen nach der Wahl freundlicher zu tendieren. Die einzigen zwei Ausnahmen waren 2008 im Umfeld der Finanzkrise sowie 2000, als das Wahlresultat wegen der Pattsituation zwischen George W. Bush und Al Gore in Florida erst am 13. Dezember feststand. Zudem war die Internetblase im März davor geplatzt.

Dass sich die Märkte vermehrt mit der Politik in den USA befassen, lässt sich der monatlichen Umfrage unter Fondsmanagern von Bank of America entnehmen. Demnach werden die US-Wahlen und die geopolitische Entwicklung allgemein als wachsendes Risiko wahrgenommen. Sollte einer der beiden Kandidaten das Ergebnis nicht akzeptieren, wären grössere Kursausschläge so gut wie sicher.

Was die Performance von Aktien unter verschiedenen politischen Rahmenbedingungen anbelangt, lassen historische Daten nur bedingt Rückschlüsse zu. Wahlen haben zwar Konsequenzen, aber die Auswirkungen auf die Wirtschaft und auf die Märkte sind nicht immer unmittelbar und auf den ersten Blick ersichtlich.

Hier trotzdem die Zahlen: Die Republikaner hatten bloss während 10% der Nachkriegszeit die Kontrolle über das Weisse Haus und den Kongress, wobei der S&P 500 durchschnittlich einen Gewinn von 12,9% pro Jahr verzeichnete. Während 29% der Nachkriegszeit kontrollierten die Demokraten Washington, und US-Aktien erzielten einen durchschnittlichen Jahresgewinn von 9,3%.

Die meiste Zeit teilten sich die beiden Parteien die Macht. Diese Konstellation, in der eine Partei die Regierung stellt und die andere in mindestens einer der beiden Kammern im Kongress die Mehrheit hat, wird als «Divided Government» bezeichnet. Unter dieser Voraussetzung erzielte der S&P 500 eine Performance von durchschnittlich 8,3% pro Jahr.

Auswirkungen auf die Wirtschaftspolitik

Hinsichtlich der Wirtschaftspolitik wird es bald mehr Informationen geben. Das detaillierte Wahlprogramm geben die Parteien jeweils im Rahmen ihres Konvents bekannt. Die Republikaner halten ihr Treffen vom 15. bis 18. Juli in Milwaukee, Wisconsin, ab. Die Demokraten versammeln sich vom 19. bis 22. August in Chicago, Illinois.

Die groben Konturen der politischen Agenda sind längst erkennbar. Auf Basis der bisherigen Amtszeit kann man sich zudem ein gutes Bild über die Prioritäten der beiden Kandidaten machen. Donald Trump will bei einem Sieg die 2017 eingeführten Steuersenkungen verlängern, die Einwanderung stark einschränken, neue und umfassende Importzölle erheben sowie einen Grossteil der Initiativen für eine umweltfreundlichere Energieversorgung rückgängig machen.

Joe Biden hat angekündigt, einen Teil von Trumps Steuersenkungen zu verlängern; aber nicht für Privatpersonen mit einem Jahreseinkommen von über 400’000 $ und Unternehmen. Weiter plant er gezielte Tarife auf Importe aus China sowie bestimmte Einschränkungen bei der Immigration. Ebenso will er Sozialprogramme ausbauen und Medikamentenpreise senken, was bei einer geteilten Regierung allerdings kaum Chancen hätte.

Sobald mehr Einzelheiten zum wirtschaftspolitischen Programm der beiden Kandidaten feststehen, werden wir eine Analyse zu den Implikationen auf Ebene von Einzelunternehmen vornehmen. Zum heutigen Zeitpunkt sind für die Märkte vor allem die zwei folgenden Punkte relevant.

1. Die US-Staatsfinanzen

Ohne nennenswerte Reformen wird das US-Haushaltsdefizit nach Schätzungen des parteiunabhängigen Congressional Budget Office (CBO) in den kommenden Jahren zwischen 6 und 7 % liegen. Das ist in Zeiten ohne Rezession vergleichsweise hoch. Hinzu kommt, dass die Zinskosten einen erheblichen Teil davon ausmachen werden – falls nichts unternommen wird.

Entsprechend werden die US-Staatsschulden in zügigem Tempo weiter steigen. Am 1. Januar 2025, also kurz bevor die neue Legislaturperiode im Kongress beginnt, tritt die Schuldengrenze wieder in Kraft. Das US-Schatzamt kann danach die Finanzierung der Regierung mit Sondermassnahmen für eine gewisse Zeit sicherstellen. Doch ohne Kompromiss wird sich die Lage spätestens im Frühjahr anspannen.

Dass Biden und die Demokraten die vollständige Kontrolle in Washington gewinnen, erscheint aufgrund der schwierigen Ausgangslage im Senat wenig wahrscheinlich. Eine grössere Ausweitung des Budgets werden die Republikaner kaum zulassen, wenn die Demokraten das Weisse Haus verteidigen können.

Bei einem solchen Wahlausgang ist daher ein Szenario wie während der Präsidentschaft von Barack Obama wahrscheinlich. Zwar dürfte es zu häufigen Auseinandersetzungen über die Staatsfinanzen kommen. Andererseits ist das Risiko radikaler Reformen praktisch gleich null, was aus Investitionsperspektive eine gewisse Sicherheit geben sollte.

Eine andere Frage ist, wie die Märkte reagieren werden, wenn Trump gewinnt und die Republikaner gleichzeitig die Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments erlangen. Als Oppositionspartei nehmen die Republikaner in Haushaltsfragen gerne eine konservative Haltung ein. Sind sie aber selbst an der Regierung, ist es damit nicht weit her.

Bereits während Trumps erster Amtszeit goutierte der Anleihenmarkt seine expansive Fiskalpolitik nicht. Die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen kletterte nach seiner Wahl im Herbst 2016 von 1,8 auf bis zu 3,2%. Der Trend drehte bei den Zwischenwahlen zwei Jahre später, als die Republikaner die Kontrolle über den Kongress verloren.

Derzeit notieren zehnjährige Treasuries bei 4,3%. Auf diesem hohen Ausgangsniveau könnte ein weiterer Zinsschub wie in den Jahren 2016 bis 2018 für die Aktienmärkte problematisch werden. In Schwierigkeiten geraten könnten vor allem hoch bewertete Unternehmen, was keine gute Nachricht für den überproportional stark vertretenen Tech-Sektor wäre.

2. Regulierung und Handel

Der zweite wichtige Punkt betrifft die Auswirkung der Wahlen auf die Rahmenbedingungen einzelner Branchen. Grundsätzlich stehen die Republikaner für den Abbau von Regulierung, was primär Unternehmen aus Sektoren wie Energie und Grundstoffe entgegenkommt. In Sachen CO2-Ziele beispielsweise hatten sich die USA unter Trump vom Pariser Abkommen distanziert.

Ähnlich sieht es für den Gesundheitssektor aus. Solange die Demokraten die Regierung und den Kongress nicht vollständig kontrollieren, ist eine grössere Reform bei den Medikamentenpreisen unwahrscheinlich. Umgekehrt scheiterte Trump in seiner ersten Amtszeit mit dem Versuch, Obamas Gesundheitsgesetz rückgängig zu machen. Ohne eine klare republikanische Mehrheit im Kongress dürfte sich auch hier wenig ändern.

Sollten die Republikaner die Wahl für sich entscheiden, dürfte sich der Markt für Fusionen und Übernahmen beleben. Das würde sich positiv für die Stimmung in Sektoren wie Energie, Technologie und Industrie auswirken. Auch die Biotech-Branche sollte von weniger staatlichen Einsprachen gegen Akquisitionen profitieren.

Unabhängig vom Wahlausgang bleibt der Welthandel ein schwieriges Thema. Unter Biden haben die USA den Konfrontationskurs mit China fortgesetzt, wobei besonders der Halbleiterindustrie schärfere Restriktionen auferlegt worden sind. Bei einem Wahlsieg Trumps ist zudem mit Einschränkungen zu rechnen, die sich gegen Europa richten. Zu den Sektoren mit einem geringen internationalen Exposure zählen Versorger, Immobilien und Gesundheit.


Deep Diving

An dieser Stelle präsentieren wir wie immer einige Links, die einen vertieften Einblick in ein aktuelles Thema geben:

  • Apples KI-Strategie regt die Fantasie an. Seit der iPhone-Konzern seine Pläne zur Anwendung generativer künstlicher Intelligenz angekündigt hat, sind die Aktien auf ein neues Höchst gestiegen. Noch ist vieles vage, aber es scheint, dass Apple KI nicht als neues, eigenständiges Produkt sieht, sondern als Technologie, die bestehende Dienste aufwertet. Benedict Evans, Tech-Experte und langjähriger Kenner der Telecombranche, interpretiert in diesem Essay, was das für die Zukunft grosser Sprachmodelle wie ChatGPT bedeuten könnte.
  • Der folgende Beitrag geht in eine ähnliche Richtung: Die amerikanische Film- und TV-Industrie ist in den vergangenen Jahren durch die Streaming-Revolution erschüttert worden. Mit den neuen KI-Modellen steht im Hinblick auf die Produktion von Inhalten der nächste grosse Umbruch bevor. Doug Shapiro, einer der angesehensten Branchenbeobachter, legt in diesem Podiumsgespräch dar, was auf Hollywood in den nächsten Jahren zukommt.
  • Die Aktien von Alnylam Pharmaceuticals verspüren kräftigen Schub. Der Biotech-Konzern und Pionier der RNAi-Technologie hat Anfang Woche positive Phase-III-Daten zu einer Therapie zur Behandlung der Herzerkrankung ATTR-Amyloidose präsentiert. Die Details dazu hat das Fachmagazin «Fierce Pharma». (The Pulse hatte über die grosse Bedeutung der mit Spannung erwarteten Forschungsresultate vor zwei Wochen berichtet).
  • Zudem: Auftrieb hat zuletzt ebenso der Kurs von Gilead Sciences erhalten. Der Grund dafür sind erfreuliche Daten zu einer anscheinend 100%-wirkungsvollen HIV-Prophylaxe. Das Newsportal des Börsensenders «CNBC» hat den Hintergrund dazu.

Und zum Schluss noch dies: Slowing Down

Offiziell wird es bisher nicht gesagt. Doch die Logistikbranche an der amerikanischen Westküste sieht den Präsidentschaftswahlen mit unguten Gefühlen entgegen. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass sich die Rhetorik gegen China im Wahlkampf in den kommenden Monaten weiter verschärfen wird.

Problematisch wäre eine weitere Eskalation des Handelskriegs speziell für die San Pedro Bay. Der grösste Frachthafen der westlichen Hemisphäre, etwa 45 Autominuten südlich von Downtown Los Angeles gelegen, wickelt rund ein Drittel der Containerimporte in die USA ab. Die meisten Einfuhren stammen aus China und Hongkong. Zu den wichtigsten Handelspartner zählen ausserdem Japan, Vietnam, Taiwan und Südkorea.

Die Lage im globalen Güterhandel ist momentan auch ohne neue Zölle erheblich angespannt. Der World Container Index des Logistikspezialisten Drewry hat seit Anfang Mai einen Sprung nach oben gemacht und sich seit Juni 2023 mehr als verdreifacht. Die Kosten für das Verschiffen von Frachtgut aus Schanghai sind auf allen wichtigen Handelslinien nach Amerika und Europa deutlich gestiegen.

Die Ursachen geben Rätsel auf. «Es ist schwer zu verstehen, woher dieser Ausschlag kommt», sagte etwa Rolf Habben Jansen, CEO der Reederei Hapag-Lloyd, bei der Präsentation des Berichts zum ersten Quartal. «Wir haben in den letzten Wochen eine sehr starke Nachfrage festgestellt, aber es ist unklar, ob es sich nur um einen kurzfristigen Schub handelt oder um eine verfrühte Hochsaison oder um ein Aufstocken der Lager.»

Der Sommer ist in der Regel die geschäftigste Jahreszeit im Schiffstransport, weil die Detailhändler dann ihre Bestände im Hinblick auf den Schulanfang im Herbst und auf die Shoppingsaison gegen Ende Jahr auffüllen. Die National Retail Federation, der Verband der US-Detailhändler, rechnet für die Sommermonate mit dem höchsten Importvolumen seit zwei Jahren.

Möglicherweise wurde ein Grossteil der Importe aus Asien aber bereits vorgezogen. Ein Grund dafür könnten Sicherheitsvorkehrungen gegen mögliche Engpässe im Zusammenhang mit der Piratenproblematik im Suezkanal sein. Die Angriffe der Huthi-Rebellen im Roten Meer «haben zwar keinen direkten Einfluss auf die nordamerikanischen Importrouten aus Asien, wirken sich aber auf die globale Kapazität [im Seeverkehr] insgesamt aus», berichtet das Fachmagazin «FreightWaves».

Mit Blick nach vorne zeichnen sich zwei Szenarien ab: Die Hochsaison wird dieses Jahr gedämpft verlaufen, weil die meisten Unternehmen ihre Lager frühzeitig aufgestockt haben. Entsprechend sollten die Frachtkosten sinken. Oder aber die Branche erlebt einen chaotischen Sommer mit erneuten Engpässen in den Lieferketten wie nach dem Ausbruch der Pandemie.

Bemerkenswert ist in diesem Kontext, dass die Nachfrage nach Gütern aller Art weit weniger robust ist als beim grossen «Supply Crunch» der Jahre 2021/22. So geht es in der San Pedro Bay an den Docks für die grossen Containerschiffe derzeit ruhiger zu als auch schon.

Im Hafen von Los Angeles sanken die Einfuhren im Mai gegenüber dem Vorjahr 3,4% auf 390’663 Standardcontainer. Dies, nachdem in den ersten vier Monaten des Jahres jeweils Zuwachsraten im zweistelligen Prozentbereich verzeichnet wurden. Gemäss Hafendirektor Gene Seroka wird das Volumen des Vorjahres auch diesen Monat «wahrscheinlich nicht erreicht.»

Im Schwesterhafen, dem Port of Long Beach, lässt sich ein ähnlicher Trend beobachten. Im Mai sanken die Importe 4,5% auf 345’271 Container. Hafendirektor Mario Cordero rechnet lediglich «mit einem moderaten Anstieg des Frachtaufkommens zum Sommer hin». Das klingt ebenfalls nicht nach einer wirklich betriebsamen Hochsaison.

Hinzu kommt, dass der Konsum in den USA seit einigen Wochen vermehrt Signale einer möglichen Abschwächung aussendet. Verschiedene Detailhändler mussten in den vergangenen Wochen die Preise senken, weil die Haushalte vermehrt auf ihr Budget achten – eine Entwicklung, die auch von der US-Notenbank genau verfolgt wird.

PS: Letzte Woche haben wir von den Rekordpreisen für Luxusliegenschaften in Malibu und dem neuen Grundstück von Laurene Powell Jobs berichtet, der Witwe von Apple-Visionär Steve Jobs. Nun wurde bereits ein neuer Spitzenpreis erzielt: Oakley Gründer James Jannard hat seine Luxusvilla in Malibu für 210 Mio. $ verkauft. Fun Fact: Das Anwesen hatte früher einmal dem legendären Value Investor Howard Marks gehört.

Exit mobile version