Washington wirft den Betroffenen vor, Russen bei Umgehungsgeschäften geholfen haben. Bern tue zu wenig dagegen, für illegale Aktivitäten missbraucht zu werden.
Es ist ein Schuss vor den Bug der Schweiz. Wiederholt hatte Scott Miller, der Botschafter der USA in Bern, kritisiert, dass das Parlament Anwälte und Treuhänder vom Geldwäschereigesetz ausnahm. Nun hat das Office of Foreign Assets Control (Ofac), die mächtige Sanktionsbehörde im US-Finanzministerium, zwei weitere Schweizer auf die Sanktionsliste gesetzt. Dies teilte die amerikanische Botschaft am Dienstagabend mit. Es handelt sich um die Anwälte Andres Baumgartner und Fabio Libero Delcò von der Kanzlei Dietrich, Baumgartner & Partner.
Die USA werfen ihnen vor, Firmen und Trusts geschaffen zu haben, die russischen Kunden bei der Umgehung von Sanktionen geholfen haben sollen. Im Anhang einer Mitteilung wird das Finanzministerium konkreter: Die beiden Anwälte verwalteten in grossem Umfang russische Vermögenswerte. Sie seien wichtige Vermittler von Geschäften für Russen. Beides ist nicht per se illegal. Washington wirft Baumgartner und Delcò aber vor, auch mit Sanktionen belegte Russen bei der Gründung von Trusts und Firmen unterstützt zu haben.
Vor Risiken gewarnt
Die amerikanische Botschaft verwies in diesem Zusammenhang auf die Lücke beim Geldwäschereigesetz. Diese habe es den Anwälten erlaubt, unter dem Deckmantel ihres Berufes ohne Sorgfalts- oder Meldepflicht als Mittelsmänner zu fungieren, liess sich Miller zitieren. Er habe die Schweiz vor den Reputationsrisiken gewarnt. Sie sei ein globales Finanzzentrum und ein wichtiger Teil des internationalen Sanktionsregimes. «Sie kann und muss mehr tun, um sicherzustellen, dass ihr Rechtsrahmen nicht für illegale Finanzaktivitäten genutzt wird.»
Baumgartner und Delcò reagierten nicht auf eine Anfrage der NZZ. Ihre Namen erreichten erstmals eine breite Öffentlichkeit, als sie im Jahr 2016 in einem Artikel des britischen «Guardian» über Sergei Roldugin genannt wurden. Roldugin ist bekannt als «Putins Cellist» und Jugendfreund. Ihm sollen die Anwälte der Kanzlei Dietrich, Baumgartner & Partner bei Geschäften geholfen haben. Die Kanzlei sei auf «reiche Russen» spezialisiert, schrieb die britische Zeitung. Auch Delcò sei in die Geschäfte involviert gewesen.
Vor Baumgartner und Delcò sind schon weitere Schweizer auf der amerikanischen Sanktionsliste gelandet, unter ihnen der Luzerner Treuhänder Alexander Studhalter. Nach anderthalb Jahren befreiten die USA ihn und seine Söhne im Juni vom Vorwurf, Unternehmen des russischen Oligarchen Suleiman Kerimow geleitet zu haben.
275 Akteure betroffen
Die Massnahmen gegen Baumgartner und Delcò sind Teil einer grösseren Aktion. Das amerikanische Finanzministerium setzte am Dienstag 275 natürliche und juristische Personen aus 17 Ländern auf die Sanktionsliste. Washington nimmt damit die Netzwerke Russlands ins Visier, mit denen es die Sanktionen umgehen will, zu einem grossen Teil über die Türkei und China. Neben Anwälten und Treuhändern zielen die USA auch auf russische Importeure und Hersteller von wichtigen Vorprodukten und anderen Gütern für die Militärindustrie.
Die USA versuchen, gegen Geschäfte über Drittstaaten vorzugehen, mit denen Russland die westlichen Sanktionen umgeht. In amerikanischen Medien waren die entsprechenden Versuche Moskaus jüngst immer wieder ein Thema. Seltener sprechen sie die Defizite an, welche die Geldwäschereibekämpfung der USA selbst weiterhin aufweist.
Ein Vorgehen gegen Sanktionsbrecher und zusätzliche Massnahmen gegen Russlands militärisch-industriellen Komplex gehören zu den Schritten, die in der gespaltenen amerikanischen Politik am ehesten noch die Unterstützung beider grossen Parteien geniessen.
Die Ausweitung der Sanktionen gegen mutmassliche Helfershelfer Russlands lässt sich aber auch als Ausdruck von Hilflosigkeit interpretieren. Die US-Regierung steht der Ukraine zwar weiterhin zur Seite, fürchtet sich zugleich aber vor einer Ausweitung des Krieges. Sie untersagt den Ukrainern, mit amerikanischen Waffen Ziele tief im Inneren von Russland anzugreifen. Die Hilfe reicht aus, um die Ukraine gerade so über Wasser zu halten, doch Russland erzielt auf den Schlachtfeldern im Donbass stetige kleine Fortschritte.