Donald Trump wünscht sich niedrigere Zinsen, wie die Euro-Zone sie hat. Doch was der US-Präsident für einen Wettbewerbsvorteil hält, ist in Wahrheit ein Ausdruck wirtschaftlicher Schwäche.
Donald Trump verfügt über ein robustes Selbstbewusstsein. Der amerikanische Präsident traut sich viel zu – darunter auch eine gute Geldpolitik. Dass er von Zinsen mehr Ahnung habe als die Notenbank, hat er schon oft behauptet. Und auch, die US-Zentralbank Fed müsse die Leitzinsen dringend senken.
Diese Woche hat Trump jedoch die institutionellen Grenzen seiner Macht erfahren müssen. So zeigte sich die Notenbank wenig beeindruckt von den präsidialen Zwischenrufen und entschied sich für eine Beibehaltung des Zinsniveaus.
Starkes Amerika, schwacher Euro-Raum
Gut möglich, dass Trump nun neidvoll in die Euro-Zone blickt. Denn dort hat die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag das getan, was sich der amerikanische Präsident auch für die USA gewünscht hätte: Sie hat den Leitzins gesenkt – und zwar zum fünften Mal seit Mitte 2024. Damit liegt der Einlagensatz im Euro-Raum noch bei 2,75 Prozent, während der Leitzins in den USA zwischen 4,25 und 4,5 Prozent verharrt. Im Euro-Raum kommen Unternehmen und Haushalte also deutlich kostengünstiger an Geld als in den Vereinigten Staaten.
Für Trump, der überall eine Benachteiligung der USA zu erkennen glaubt, dürfte die Zinsdifferenz primär ein Wettbewerbsvorteil der Europäer sein. Doch das ist ein Fehlschluss.
Denn die unterschiedlichen Zinsen spiegeln eine unterschiedliche Wirtschaftslage: Auf der einen Seite die Euro-Zone, die ökonomisch stagniert, eine industrielle Rezession durchleidet und mit schwacher Nachfrage kämpft. Auf der anderen Seite die USA, die solide wachsen, viele neue Stellen schaffen und eine deutlich höhere Produktivität und Innovationskraft beweisen.
Amerikas höhere Zinsen sind ein Zeichen der Stärke. Sie verdeutlichen, dass die amerikanische Wirtschaft nicht mit billigem Geld angekurbelt werden muss. Vielmehr hat das Fed darauf zu achten, dass es die Inflation unter Kontrolle bringt. Denn bei robuster Nachfrage steigen Preise naturgemäss stärker, als wenn die Bevölkerung das Vertrauen in die Zukunft verloren hat. Entsprechend muss die US-Notenbank zinspolitisch stärker bremsen als die EZB, deren Leitzins sich wieder jenem neutralen Niveau nähert, wo er weder stimulierend noch bremsend wirkt.
Divergenz der Zinspolitik
Doch Europas Unternehmen sollten sich von leicht niedrigeren Zinsen nicht zu viel versprechen. Einige Prozentpunkte geringere Kosten bei der Geldaufnahme sind keine Kompensation für eine dysfunktionale Währungsunion, eine überbordende Regulierung und desorientierte Regierungen, wobei Letztgenanntes vor allem für die beiden Euro-Schwergewichte Deutschland und Frankreich gilt. Billiges Geld taugt nicht als Ersatz für wirtschaftliche Strukturreformen, für die der Euro-Raum derzeit weder willens noch fähig scheint.
Die zinspolitische Divergenz zwischen den USA und dem Euro-Raum ist daher nicht nur der in den USA höheren Inflation geschuldet. Sie belegt auch, wo wirtschaftliche Dynamik herrscht – und wo nicht.
Dabei zeigt sich, dass von den grossen Euro-Staaten kaum positive Impulse ausgehen, mit Spanien als Ausnahme. Am Donnerstag veröffentlichte Wachstumszahlen belegen, dass die Euro-Zone im vierten Quartal stagniert hat, wobei Deutschland und Frankreich gar geschrumpft sind. Erneut fiel die Entwicklung schwächer aus als erwartet.
Für die Schweiz verheisst das nichts Gutes. Denn niedrige Euro-Zinsen in stagnierendem Umfeld bedeuten zumeist einen schwachen Euro. Das geht für die Schweiz nicht nur mit deflationärem Risiko und sinkender Wettbewerbsfähigkeit einher. Das erinnert auch unrühmlich an jene Zeit, als die Nationalbank mit Negativzinsen und gigantischen Devisenkäufen den Franken abzuschwächen versuchte.
Trump würde die Rückkehr zu solcher Politik wohl erneut als Währungsmanipulation geisseln. Doch auch ohne Kritik aus Washington fände sich die Schweiz zurück in einer Welt, die hierzulande niemand vermisst hat.