Dienstag, November 19

Die Rückerstattung einer zweiten Tranche von 230 Millionen Dollar an Usbekistan verzögert sich. Das Bundesstrafgericht tut sich schwer mit einem Prozesstermin.

Seit mehr als zwölf Jahren sind in der Schweiz Hunderte von Millionen Franken aus dem Umfeld von Gulnara Karimowa, der Tochter des früheren Präsidenten Usbekistans, eingefroren. Es handelt sich um den bisher grössten Fall im sogenannten Asset Recovery, der Sperrung, Einziehung und Rückerstattung von unrechtmässig erworbenen Potentatengeldern. Der Bundesrat hofft, die in diesem Fall gewählte Lösung in Form eines schweizerisch-usbekischen Treuhandfonds unter Schirmherrschaft der Uno könnte auch als Modell für künftige Rückführungen dienen.

Eine Zwischenbilanz in der Affäre Karimowa zeigt allerdings, dass das Ziel, wonach die sichergestellten Gelder die Lebensbedingungen der Bevölkerung im Herkunftsland verbessern und die Rechtsstaatlichkeit stärken sollen, bisher nur unvollständig erreicht wurde. Hinzu kommen anhaltende juristische Auseinandersetzungen in der Schweiz und weitere Stolpersteine.

Zu viel Geld im Treuhandfonds

Von den rund 800 Millionen Franken, die im Sommer 2012 auf Bankkonten in Genf und Zürich beschlagnahmt worden waren, hat die Schweiz dem Multi-Partner-Treuhandfonds bisher 131 Millionen Dollar zugesichert. Davon wurden rund 95 Millionen Dollar auch überwiesen. Für ein erstes Projekt auf dem Gebiet der Gesundheit zur Senkung der Kindersterblichkeit wurden 43,5 Millionen Dollar eingesetzt. Weitere 23,5 Millionen Dollar flossen in ein Projekt des Bildungswesens. Damit sind von der ersten überwiesenen Tranche rund 28 Millionen Dollar noch nicht verwendet worden.

Noch laufen nach Auskunft des Aussendepartements (EDA) im Management Committee des Fonds Diskussionen über den Verwendungszweck. «Vor diesem Hintergrund benötigt der Fonds zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Einzahlungen», heisst es im EDA.

Angesichts dieser Tatsache wiegt es nicht schwer, dass weitere 230 Millionen Dollar, die die Bundesanwaltschaft (BA) vor über zwei Jahren rechtskräftig eingezogen hat, noch nicht an den Treuhandfonds überwiesen wurden. Zuvor ist ein weiteres sogenanntes Sharing-Abkommen zwischen der Schweiz und Usbekistan nötig. Diese Verträge muss das Bundesamt für Justiz (BJ) gestützt auf das Bundesgesetz über die Teilung eingezogener Vermögenswerte (TEVG) mit Usbekistan aushandeln. Den Grundsatz, wonach die rechtskräftig eingezogenen Vermögenswerte im Fall Karimowa vollständig zurückerstattet werden, hatte der Bundesrat bereits im Mai 2018 beschlossen.

Zu den Gründen für die Verzögerung des zweiten Sharing-Vertrags mit Usbekistan will sich das BJ nicht äussern. Die Juristen des Bundes hatten sich bereits erfolgreich gegen die Offenlegung des ersten Abkommens gewehrt. Die Nichtregierungsorganisation Usbekisches Forum für Menschenrechte blitzte mit der Forderung nach Einsicht in den Vertrag vor Bundesverwaltungsgericht ab. Usbekistan dürfte kaum an einer Verzögerung interessiert sein. Denkbar ist, dass das Eidgenössische Finanzdepartement und/oder das Aussendepartement, die laut TEVG bei Beträgen über 10 Millionen Franken ein Mitspracherecht haben, Vorbehalte angemeldet haben.

Hintergrund könnten Forderungen der Gläubiger des konkursiten usbekischen Aussenhandelsvehikels Zeromax beziehungsweise der US-Justiz auf die hierzulande eingefrorenen Karimowa-Gelder sein. Zu den US-Forderungen hielt das BJ auf Anfrage fest: «Werden in der Schweiz Vermögenswerte in einem Schweizer Strafverfahren rechtskräftig eingezogen, so geht eine solche Schweizer Einziehung einer rechtshilfeweisen Sperre von Geldern und damit verbunden einer rechtshilfeweisen Herausgabe von Geldern an einen ausländischen Staat vor. Eine spätere ausländische Entscheidung betreffend die gleichen Vermögenswerte hat folglich keine Konsequenzen für die schweizerische Einziehung.»

Im Fall von weiteren 350 Millionen Franken, die die Bundesanwaltschaft einziehen will, hat die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts im Juli 2022 eine Verfügung aufgehoben und den Fall zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Dieses Verfahren wurde inzwischen bis zum Ausgang des Prozesses gegen Gulnara Karimowa sistiert.

Doch auch hier hapert es. Im Fall der Hauptfigur der Affäre liegt nach wie vor kein Urteil in der Schweiz vor. Die Bundesanwaltschaft hat zwar im September 2023 Anklage erhoben. Das Bundesstrafgericht hat bisher aber keinen Termin für den Prozess gegen die 52-jährige Tochter des verstorbenen usbekischen Präsidenten Islam Karimow bestimmt. Ein Problem ist, dass die einst als «Prinzessin» und designierte Nachfolgerin ihres Vaters gehandelte Karimowa seit fast einem Jahrzehnt in ihrer Heimat in Usbekistan inhaftiert ist. Wie wird sichergestellt, dass die Beschuldigte, die alle Anklagepunkte bestreitet, an der Hauptverhandlung teilnehmen kann?

Reist Bundesgericht nach Usbekistan?

Nach Auskunft des BJ besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer vorübergehenden Auslieferung einer gesuchten Person. Eine solche Auslieferung zwecks Teilnahme am Prozess setze allerdings eine bereits bewilligte Auslieferung des ersuchten Staats voraus. Das Bundesstrafgericht ist nach eigenen Angaben seit mehreren Monaten auf dem Rechtshilfeweg in Kontakt mit den usbekischen Behörden. Dabei geht es aber nicht um eine Auslieferung, sondern um die Erhebung von Beweisen. Auf die Frage, ob das Gericht das Verfahren nach Usbekistan verlegen könnte, sagte die Generalsekretärin des Gerichts, Estelle de Luze, gegenüber der NZZ, es gehe um die Einvernahme mehrerer Personen. Danach werde über eine gerichtliche Anhörung in der Schweiz entschieden. Ein Termin stehe noch nicht fest.

Der Schweizer Verteidiger von Karimowa, der Genfer Rechtsanwalt Grégoire Mangeat, sagte auf Anfrage, die Bedingungen für die Verteidigung verschlechterten sich zusehends. Usbekistan hatte gegen ihn ein Einreiseverbot verfügt, das Ende dieses Jahres ausläuft. Anwälte seines Teams warteten bisher vergeblich auf einen Besuchstermin in Usbekistan. Hinzu kämen Bedingungen, die mit dem Anwaltsgeheimnis und dem Respekt der Verteidigungsrechte unvereinbar seien. «Es ist leider zu befürchten, dass die Richter in Bellinzona den Ernst der Situation noch nicht erfasst haben», sagte Mangeat.

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