Mittwoch, Januar 15

Der Baarer Rohstoffriese arbeitet unter der neuen Führung an seinem Image. Ein neue Anklage gegen frühere Mitarbeiter rückt Altlasten aber wieder in den Vordergrund. Der Strafrechtsexperte Mark Pieth ordnet ein.

Der Rohstoffhändler Glencore hat in den letzten Jahren zahlreiche Schritte unternommen, um sein schlechtes Image aufzupolieren. Der Konzern wurde transparenter, und ohnehin ist die nahtlose Versorgung mit Treibstoffen, Batteriemetallen und anderen Waren für das Funktionieren der Weltwirtschaft unabdingbar. Doch immer wieder kommen Negativbeispiele auf, die ein schlechtes Licht auf Glencore werfen.

Fünf ehemalige Mitarbeiter des Rohstoffunternehmens mit Hauptsitz im zugerischen Baar sind am Donnerstag von der britischen Behörde für schwere Wirtschaftsverbrechen (SFO) wegen Korruption angeklagt worden.

Britischer Milliardär im Fokus

Es handelt sich um Geschäfte aus der Ära von Ivan Glasenberg, dem ehemaligen CEO von Glencore, konkreter um eine Reihe von Erdöl-Verträgen, die zwischen 2007 und 2014 in Kamerun, Nigeria und der Elfenbeinküste abgeschlossen wurden: Um Glencores Verhandlungen mit den dortigen staatlichen Erdölproduzenten zu beschleunigen, hätten die Angeklagten die zuständigen Staatsangestellten bestochen, heisst es in der Anklageschrift. Zwei Personen wird zusätzlich Dokumentenfälschung vorgeworfen.

Im Zentrum der Anklage steht der 57-jährige Alex Beard, der den Bereich Erdölhandel von 2007 bis 2019 geleitet hat. Der Brite war einer von gleich mehreren Führungskräften, die 2019 ihren Posten räumten und so einer neuen Führungsgeneration in Baar Platz machten. CEO Ivan Glasenberg trat 2021 in den Ruhestand. Schon damals kursierten Gerüchte, wonach Ermittlungsbehörden Glencore ins Visier genommen hätten. Ein direkter Zusammenhang mit den Rücktritten wurde seitens des Unternehmens jedoch stets bestritten.

Im Anschluss an seine Zeit bei Glencore gründete Beard die Investmentgruppe Adaptogen Capital, mit der er neue Technologieprojekte für die Energiewende finanziell unterstützte. Laut Medienberichten hat sich Beard letzten Monat von Adaptogen Capital zurückgezogen, ein erneutes Engagement woanders ist nicht bekannt. Forbes schätzt sein Vermögen auf rund zwei Milliarden Dollar.

Ebenfalls angeklagt sind die ehemaligen Glencore-Mitarbeiter Andrew Gibson, Paul Hopkirk, Ramon Labiaga und Martin Wakefield.

Das Unternehmen ist von der Anklage nicht direkt betroffen

Unter Beards Leitung hatte Glencore das Erdölgeschäft ausgebaut. Es wurde zu einer wichtigen Stütze für den Betrieb, der daneben auch Metalle wie Kupfer und Kobalt und Energiegüter wie Kohle produziert, verarbeitet und mit ihnen handelt.

Im vergangenen Jahr verkaufte Glencore rund 645 Millionen Barrel Öl. Das entspricht ungefähr dem durchschnittlichen globalen Erdölverbrauch von einer Woche. Der Rohstoffkonzern mit Sitz in Baar zählt damit zu den grössten privaten Erdölhändlern der Welt.

Glencore teilt auf Anfrage der NZZ mit, man nehme die Anklage gegen fünf ehemalige Mitarbeiter durch die britische Behörde zur Kenntnis. Das Unternehmen habe in den letzten Jahren zahlreiche Massnahmen zur Verbesserung der Betriebsethik unternommen.

Auf juristischer Ebene hat der Konzern im Rahmen dieses Verfahrens nichts zu befürchten, denn die britischen Behörden beschäftigen sich mit dem Verschulden der jeweiligen Einzelpersonen. Nach britischem Recht sind es nämlich Individuen, die für Korruptionsdelikte haften. Unternehmen sind jedoch dazu verpflichtet, alles zu tun, um solche Vergehen zu unterbinden.

Die SFO ermittelte deswegen ursprünglich auch gegen die Firma Glencore. Vor rund zwei Jahren kam es jedoch zu einer Einigung. Der Rohstoffkonzern bekannte sich damals schuldig, den Preis am Erdölmarkt beeinflusst und Bestechungsgelder bezahlt zu haben. Glencore zahlte im Anschluss über eine Milliarde Dollar an Bussgeldern an die Regierungen der USA, Brasiliens und Grossbritanniens. Der Rechtsprozess war damit für Glencore beendet.

Dennoch kann es einem Unternehmen nicht egal sein, wenn ehemalige Mitarbeiter angeklagt werden. Auch ehemalige Angestellte können zum Reputationsrisiko werden.

Kritik an Ivan Glasenberg vom Antikorruptionsexperten

Im Herbst wird sich zeigen, wie schwerwiegend die Vergehen der ehemaligen Glencore-Mitarbeiter wirklich sind: Eine Anhörung der Angeklagten ist auf den 10. September angesetzt.

Der Schweizer Strafrechtler Mark Pieth betont, dass die Angeklagten noch nicht schuldig gesprochen worden seien. Er glaubt allerdings, dass die Ermittlungsbehörden mit guten Argumenten am Gericht auftreten werden: «Wer bei solch brisanten Ermittlungen mit einer Anklageschrift an die Öffentlichkeit tritt, hat sehr wahrscheinlich handfeste Beweise gesammelt.»

Da es im britischen Justizwesen keine ähnlichen Präzedenzfälle gebe, sei das mögliche Strafmass schwer abzuschätzen. Pieth geht aber davon aus, dass nicht nur Bussen, sondern auch Haftstrafen drohen.

Zwar habe das Unternehmen rechtlich nichts zu befürchten, doch Kritik an der alten Leitung sei dennoch angebracht, sagt der Antikorruptionsexperte: «Offenbar ist die Führung um Ivan Glasenberg nicht entschieden genug gegen Verletzungen der Hausordnung vorgegangen.»

Die neue Führung will die Vergangenheit hinter sich lassen. In öffentlichen Auftritten ist der CEO Gary Nagle stets bedacht, den Kulturwandel innerhalb seines Unternehmens zu betonen. Ob dieser tatsächlich gelungen ist, kann erst in einigen Jahren beurteilt werden.

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