Donnerstag, Januar 30

Der 18-jährige Basler weckt mit dem Sieg am Juniorenturnier des Australian Open grosse Hoffnungen. Doch der Weg an die Tennisspitze ist weit.

Die Realität im Schweizer Tennis hat sich markant verändert. Mittlerweile muss man schon fast von einem geglückten Anlass sprechen, wenn die Schweizer Athletinnen und Athleten an einem Major-Turnier nicht allesamt schon in der ersten Runde scheitern. Mit dem geglückten Comeback von Belinda Bencic wächst jedoch die Zuversicht, in absehbarer Zukunft wieder einmal eine Schweizer Athletin in der zweiten Turnierwoche eines Grand-Slam-Turniers zu sehen.

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Doch seit dem Australian Open gibt es einen neuen Hoffnungsstreifen am Schweizer Tennis-Himmel. Er heisst Henry Bernet und hat einen ähnlichen Hintergrund wie Roger Federer, der die Schweiz zusammen mit Stan Wawrinka für fast zwei Jahrzehnte zu einer Tennisnation gemacht hat. Am Tag seines 18. Geburtstag gewann der Basler den Final des Juniorenturniers in Melbourne gegen den Amerikaner Benjamin Willwerth 6:3, 6:4.

Dominic Stricker dient Bernet als Warnung

Bernet ist der sechste Schweizer, der auf Stufe Grand Slam im Nachwuchs triumphiert hat. Heinz Günthardt hatte 1976 das French Open und in Wimbledon gewonnen, Roger Federer 1998 und Roman Valent 2001 in Wimbledon, Stan Wawrinka 2003 und Dominic Stricker 2020 das French Open. Stricker setzte sich in Roland-Garros im Final gegen den Landsmann Leandro Riedi durch.

Bei den Juniorinnen gab es bisher sechs Schweizer Turniersiege: Martina Hingis dominierte 1993 am French Open und 1994 sowohl in Paris als auch in Wimbledon, Belinda Bencic schaffte 2013 das Double aus Roland-Garros und Wimbledon. Rebeka Masarova entschied 2016 ebenfalls das French Open für sich. Auf das Australian Open hin kehrte sie vom spanischen Verband wieder zu Swiss Tennis zurück.

Wie schwierig es ist, den Schritt von den Junioren zur Elite zu machen, zeigt das Beispiel von Bernets unmittelbarem Vorgänger Dominic Stricker. Der Berner hatte vor gut vier Jahren das Juniorenturnier von Roland-Garros gewonnen. Wie nun bei Bernet war die Hoffnung in den neuen Stern damals riesig. Und Stricker schien diese tatsächlich zu erfüllen: Am US Open 2023 erreichte er aus der Qualifikation heraus die vierte Runde. Auf dem Weg dorthin bezwang er den Top-Ten-Spieler Stefanos Tsitsipas, danach stiess er erstmals in seiner Karriere in die Top 100 vor (88). Doch wenig später begannen die Probleme. Insbesondere Rückenbeschwerden warfen Stricker weit zurück, mittlerweile ist er im Ranking nur noch auf Platz 287 klassiert.

Strickers und Bernets Wege kreuzten sich am Mittwoch kurz im Leistungszentrum von Swiss Tennis in Biel. Dort absolviert das Schweizer Davis-Cup-Team am Wochenende seine erste Begegnung der Saison gegen die Spanier. Es reichte zu einem Händedruck, einer Gratulation und ein paar kurzen Worten zwischen den beiden. Stricker sagte danach: «Wir werden uns sicher noch eingehender unterhalten können. Henry weiss, meine Türe steht immer offen für ihn. Wenn ich ihm irgendwie helfen kann, dann werde ich das auch tun.»

Stricker befindet sich an einem heiklen Punkt der Karriere. Fraglos hat er das Potenzial, um mittelfristig eine respektable Rolle im Männertennis spielen zu können. Doch reicht das, um im Land von Roger Federer und Stan Wawrinka auf Dauer mehr als eine mediale Randerscheinung zu sein?

Falls Stricker ehrlich und offen mit Bernet ist, dann dürfte er ihm raten, sein Umfeld sorgfältig zu bestellen. Dass Stricker mit gerade einmal 22 Jahren bereits seine ganze Familie ernährt, kann auch eine Belastung sein. Der Vater ist beispielsweise auch sein Manager.

Bernet scheint in dieser Hinsicht besser unterwegs zu sein. Seine Familienmitglieder beschränken sich auf die Rolle als Supporter und Anhänger. Das Management liegt in den Händen von Lawrence Frankopan und seiner Firma Starwing Sports. Zu Frankopans Klientel zählen unter anderen auch Stan Wawrinka sowie der Australian-Open-Sieger und Weltranglisten-Erste Jannik Sinner.

Letzteren hat Bernet in den vergangenen zwei Wochen in Australien erstmals getroffen. Er sei überrascht gewesen, wie muskulös der schlaksig wirkende Südtiroler in Wirklichkeit sei. Die Physis ist ein Bereich, in dem dem Basler noch viel Arbeit bevorsteht. Im Alter von 17 Jahren ist das aber völlig normal. Bernet hofft, bereits in dieser Saison den Sprung von den Junioren in die Elite zu schaffen. Allein das wäre ein grosser Erfolg. Als nächstes wird er im Frühjahr mit einer Wild-Card das Challenger-Turnier in Lugano absolvieren.

Gratulationen auch von der Familie Federer

Ein Teil dieser Entwicklung ist auch, dass Bernet sich von seinem Jugendtrainer Kai Stentenbach trennt. Künftig wird er exklusiv von Sven Swinnen betreut, der zuletzt auch mit Stricker gearbeitet hat. Stentenbach arbeitet seit 15 Jahren für Swiss Tennis, in den vergangenen drei Jahren war er stets die erste Bezugsperson von Bernet. Der Deutsche sagt: «Er brachte schon vor drei Jahren einiges mit. Man sah früh, dass sein Potenzial gross war. Zwischen uns hat es von Anfang an gepasst.»

Seit Bernets Sieg in Australien ist vieles passiert mit dem jungen Basler. Konkurrenten und Teamgefährten gratulierten ihm. Ein Mail kam auch von der Familie Federer, die ihm gemeinsam alles Gute für die weitere Zukunft wünschte. In Melbourne reichte es nur zu einer kurzen, spontanen Feier; am Samstag findet im Basler Old Boys Club, wo Bernet nicht nur Tennis, sondern auch Fussball gespielt hat, ein Apéro statt, an dem der jüngste Schweizer Grand-Slam-Sieger gefeiert wird.

Vor dem Final am Sonntag schritt Bernet in der Rod Laver Arena durch den sogenannten Walk of Champions, in dem die Bilder der bisherigen Sieger hängen. Auf seinem Weg kam er auch an Stan Wawrinka und seinem Jugendidol Roger Federer vorbei. Bernets Ziel ist klar: Irgendwann soll auch sein Porträt dort hängen.

Bernet sagt aber auch: «Einen nächsten Federer oder Wawrinka wird es nicht geben. Ich versuche, mich auf mich selber zu konzentrieren.» Das scheint ein vernünftiger Ansatz. Die Vergleiche mit Federer, dem Schweizer Superstar, aber sind allgegenwärtig. Auch, weil Bernet noch einen weiteren Trumpf hat: Künftig zählt auch Federers früherer Coach Severin Lüthi zu seinem Berater-Team. Dessen Erfahrungen sind unbezahlbar.

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