Freitag, Januar 3

Die stellvertretende Chefredaktorin der «Süddeutschen Zeitung» ist seit Wochen Plagiatsvorwürfen ausgesetzt.

Die seit Donnerstag als vermisst gemeldete österreichische Journalistin Alexandra Föderl-Schmid ist am Freitag lebend gefunden worden. Nach Angaben der österreichischen Polizei wurde eine seit Donnerstag vermisste Frau unterkühlt unter einer Innbrücke in Braunau an der deutsch-österreichischen Grenze gefunden. In einer Mitteilung bestätigten Verlag und Redaktion der «Süddeutschen Zeitung» («SZ») am späten Freitagnachmittag, dass es sich dabei um die stellvertretende Chefredaktorin des Blattes handele.

Hier bekommen Sie Hilfe:

Wenn Sie selbst Suizid-Gedanken haben oder jemanden kennen, der Unterstützung benötigt, gibt es verschiedene Hilfsangebote:
In der Schweiz können Sie die Berater der Dargebotenen Hand rund um die Uhr vertraulich unter der Nummer 143 erreichen.
In Deutschland finden Sie entsprechende Hilfe bei den Beratern der Telefonseelsorge, online oder telefonisch unter der Nummer 0800 / 1110111.

Föderl-Schmid sei mit Unterkühlungen ins Spital gebracht worden, so die «SZ». Die österreichische Zeitung «Der Standard» hatte zuvor berichtet, dass sich das Krankenhaus in Braunau aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht äussern wolle. Man dementierte dort aber nicht, dass sich Föderl-Schmid ausser Lebensgefahr befindet, so «Der Standard».

Die Redaktion der «SZ» wurde darüber informiert, dass die vermisste Kollegin am Leben sei. Gemäss einem Bericht des «Spiegel» wurde die Nachricht bei der «SZ» mit grosser Erleichterung aufgenommen. Chefredaktor Wolfgang Krach habe sie vor rund 250 Mitarbeitern unter Tränen verkündet, so das Hamburger Magazin. Dies sei der «schönste Tag in den letzten 20 Jahren der ‹Süddeutschen Zeitung›», habe Krach dabei gesagt.

Damit endeten Stunden der Ungewissheit über den Verbleib der 53-Jährigen. Zuvor war befürchtet worden, dass sie Suizid begangen haben könnte. Darauf deuteten laut Presseberichten ein angeblicher Abschiedsbrief hin und Aussagen von Zeugen, die die Frau im Fluss Inn gesehen haben wollten.

Die Chefredaktion suchte eine undichte Stelle

Seit Wochen sieht sich die Journalistin Plagiatsvorwürfen ausgesetzt. Bereits im Dezember vergangenen Jahres veröffentlichte das deutsche Branchenmagazin «Medieninsider» entsprechende Hinweise. Die Chefredaktion der «SZ» sah darin zunächst vor allem eine Kampagne von «rechts» und stellte sich hinter Föderl-Schmid. Über die redaktionsinterne Debatte berichtete «Medieninsider» detailliert.

In der Folge strengte die Chefredaktion der «SZ» eine Untersuchung der Kontaktdaten der Redaktoren an, um den Informanten zu finden, der Interna an «Medieninsider» weitergab. Bei einer Redaktionsversammlung gab die «SZ»-Chefredaktion dies kürzlich zu. Auch darüber berichtete «Medieninsider» in der vergangenen Woche ausführlich.

Ab diesem Zeitpunkt griffen zahlreiche Medien, darunter auch die NZZ, den Vorgang auf. Die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen sah durch das Vorgehen der Chefredaktion den Quellenschutz und damit ein zentrales Prinzip des Journalismus in Gefahr. Die «SZ» verteidigte ihr Vorgehen unter Verweis auf das Redaktionsgeheimnis. Die Überprüfung sei zudem in Absprache mit dem Betriebsrat und Redaktionsvertretern erfolgt. Es seien dabei keine Inhalte von Telefonaten oder E-Mails überprüft worden, sondern nur Verbindungsdaten. Die Suche sei aber erfolglos geblieben.

Kein neuer «Fall Relotius»

Wenig später kündigte die «SZ» an, die Vorwürfe gegen Föderl-Schmid extern prüfen zu lassen. Dazu berief die Zeitung ein Team unter Leitung des früheren «Spiegel»-Chefredaktors Steffen Klusmann. Dieser musste seinerzeit auch die Vorwürfe gegen den ehemaligen «Spiegel»-Redaktor Claas Relotius überprüfen.

Beide Fälle sind indes nicht vergleichbar. Bei Föderl-Schmid sollte laut «SZ» geprüft werden, ob sie beim Verfassen von Texten unsauber mit Quellen umgegangen ist und dadurch journalistische Standards verletzt hat. Relotius hingegen konnte nachgewiesen werden, dass er einen grossen Teil der Protagonisten und Vorgänge in seinen Reportagen frei erfunden hatte.

Den Ausschlag für die externe Untersuchung gaben weitere Plagiatsvorwürfe, die sich auch auf Föderl-Schmids Dissertation an der Universität Salzburg bezogen. Der österreichische Plagiatsgutachter Stefan Weber hatte die Zeitung darüber informiert, dass er in der akademischen Arbeit «Plagiatsfragmente» entdeckt habe. Föderl-Schmid bat die Universität daraufhin um Prüfung und teilte mit, dass sie sich bis zur Klärung der Vorwürfe aus dem operativen Geschäft der Zeitung zurückziehen werde.

In dieser Woche wurde dann bekannt, dass das deutsche Portal «Nius» die Kosten für die systematische Untersuchung der Dissertationsschrift Föderl-Schmids trägt. Plagiatsjäger Weber hatte sich zunächst offenbar an den «Medieninsider» gewandt. Mangels Budget lehnte man dort aber angeblich eine Beauftragung ab. «Nius» trug dann die Kosten, die nach Webers Angaben im vierstelligen Bereich liegen.

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