Mittwoch, Februar 26

Davon träumen viele: Risiken auf den Steuerzahler abwälzen und keine Steuern zahlen müssen. Sind solche Privilegien noch zeitgemäss?

Um das Phänomen der Kantonalbanken zu verstehen, muss man bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts zurückblicken. Damals erlebte die Schweiz einen starken wirtschaftlichen Aufschwung. Die damit verbundene Kreditnachfrage der lokalen Handwerker und Bauern konnten die Banken kaum befriedigen. Also gründeten die Kantone eigene Kreditinstitute, als Entwicklungshilfe für das regionale Gewerbe.

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Günstigere Refinanzierung

Heute, mehr als 200 Jahre später, gibt es in der Schweiz über 230 Banken. Die Digitalisierung hat dafür gesorgt, dass Bankdienstleistungen auch in den entlegensten Dörfern und Tälern leicht zugänglich sind. Lücken in der Kreditversorgung gibt es keine mehr, weder für Privatpersonen noch für das regionale Handwerk. Und doch hat sich bei den Kantonalbanken erstaunlich wenig geändert.

Nach wie vor gibt es 24 dieser Institute. Und wie es der Name sagt, befinden sie sich noch immer ganz oder mehrheitlich im Besitz der Kantone. Zudem verfügen 21 dieser Geldhäuser über eine explizite Staatsgarantie. Das bedeutet, dass der Kanton im Falle einer Insolvenz für alle Verbindlichkeiten aufkommen muss. Nur die Kantonalbanken in Bern, Genf und der Waadt haben keine solche Überlebensgarantie.

Die Staatsgarantie hat für Kantonalbanken handfeste Vorteile. Sie erleichtert nicht nur das Anwerben von Kundengeldern, vor allem in unsicherer Zeit. Die Banken kommen auch günstiger an Geld. Denn die Rückendeckung durch den Staat senkt das Ausfallrisiko und führt zu einem besseren Rating. Die Finanzierungskosten sind daher bei Staatsbanken niedriger als bei privaten Geldhäusern.

Ersparnisse von 585 Milliarden Franken

Die Denkfabrik Avenir Suisse hat versucht, den Vorteil der günstigeren Refinanzierung – und damit das Mass der Wettbewerbsverzerrung – zu quantifizieren. Dabei geht es um grosse Beträge. So resultiert im Durchschnitt der verwendeten Berechnungsmethoden ein Refinanzierungsvorteil von 585 Millionen Franken. Je nach Modell steigt der Betrag sogar auf knapp 800 Millionen Franken.

Wie kommt Avenir Suisse auf die Summen? Sie schaut auf die Ratings. Denn je höher eine Bewertungsagentur die Wahrscheinlichkeit einer Staatshilfe einschätzt, desto stärker erhöht sie das Rating der Bank und desto kostengünstiger wird deren Zugang zu Fremdkapital. Verrechnet man nun den Zinsvorteil mit dem (vom Rating abhängigen) Fremdkapital, ergibt sich der Wert der Staatsgarantie.

Die Rating-Agentur Standard & Poor’s (S&P) Global macht das Ausmass dieser Verbesserung, auch Uplift genannt, sichtbar. Sie weist zum einen ein Stand-alone-Rating aus, also ein Rating ohne Staatsgarantie, und zum anderen ein Rating unter Berücksichtigung einer Staatsgarantie. Dabei zeigt sich: Eine Staatsgarantie erhöht das Rating im Durchschnitt um drei Stufen, im Falle der ZKB von AA– auf AAA.

«Ein guter Deal»

Von allen Kantonalbanken profitiert die ZKB als Branchenprimus am meisten von der Staatsgarantie. Sie spart je nach Berechnung zwischen 85 Millionen und 295 Millionen Franken an Kapitalkosten pro Jahr. Oft wird eingewendet, die ZKB gelte ihre Staatsgarantie an den Kanton ab, ähnlich einer Versicherungsprämie. Doch die 2024 hierfür geleistete Zahlung von 31 Millionen Franken wirkt eher symbolhaft.

Das Auseinanderklaffen zwischen dem Kostenvorteil der Staatsgarantie und deren finanzieller Abgeltung ist keine Besonderheit der ZKB. Avenir Suisse sieht auch bei den anderen Kantonalbanken eine solche Lücke. So summieren sich die Abgeltungen der Branche auf 165 Millionen Franken, was deutlich unter dem geschätzten Kostenvorteil von 585 Millionen Franken liegt.

Für Avenir Suisse steht daher fest: «Die expliziten Staatsgarantien sind für die Kantonalbanken ein guter Deal.» Das von Kantonalbanken vorgebrachte Argument, dass man im Gegenzug zur Staatsgarantie ja einen gesetzlichen Leistungsauftrag erfüllen müsse, lässt Avenir Suisse nicht gelten. Viele dieser Aufträge seien luftig formuliert und bezüglich ihrer Kosten kaum quantifizierbar.

Steuerbefreiung und Marktverzerrung

Als wäre die Staatsgarantie nicht schon Privileg genug, kommen noch weitere Vorteile hinzu. So müssen viele Kantonalbanken keine Steuern zahlen. Fünfzehn Institute sind als öffentlichrechtliche Anstalten konstituiert und somit von der direkten Bundessteuer befreit; zehn dieser Banken zahlen auch auf Kantons- und Gemeindeebene keine Steuern. Das verzerrt den Wettbewerb am Bankenmarkt zusätzlich.

Einige Zahlen hierzu: Bei der ZKB beträgt die Steuerbefreiung allein bei der Bundessteuer fast 76 Millionen Franken. Rechnet man die übrigen Kantonalbanken dazu, entgehen dem Bund jedes Jahr 190 Millionen Franken. Weniger einschneidend sind die Einbussen bei den Kantonen. Denn diese erhalten von den Kantonalbanken ja Dividenden; sie machten 2023 rund 1,4 Milliarden Franken aus.

Bei Avenir Suisse spricht man von einer willkürlichen Steuerbefreiung, die aus föderaler Sicht stossend sei. Die Forderung nach einer steuerlichen Gleichbehandlung, wie sie der Kanton Zug 2020 mit der Streichung des Steuerprivilegs für die Zuger Kantonalbank schon umgesetzt hat, dürfte politisch aber ähnlich chancenlos sein wie der Appell, die Staatsgarantie abzuschaffen.

Reales Risiko für den Steuerzahler

In Zeiten knapper Mittel wollen die Kantone nicht auf die Dividende «ihrer» Bank verzichten. Dabei geht vergessen, dass damit auch Risiken verbunden sind. Das zeigte sich in den 1990er Jahren. Damals mussten die in Schieflage geratenen Kantonalbanken von Appenzell Ausserrhoden und Solothurn verkauft werden, während die Steuerzahler der Kantone Bern, Jura, Genf, Wallis, Waadt und Glarus eine teure Sanierung der Staatsbanken zu finanzieren hatten.

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