Die Kantonsregierung will am Freitag über eine externe Untersuchung zur Amtsführung der Mitte-Staatsrätin informieren. Nach mehreren Krisensitzungen hat Dittli sich krank gemeldet.
Je weniger Fakten, desto mehr Gerüchte. Seit Anfang März brodelt die Gerüchteküche in der Waadt, seit dieser Woche ist sie kurz vor dem Überkochen. Im Zentrum des Geschehens: Valérie Dittli, die Finanzvorsteherin von der Mitte-Partei, 32 Jahre jung, aufgewachsen auf einem Bauernhof im Kanton Zug, 2022 nach einem Studium in Lausanne in die Waadtländer Regierung gewählt.
Und dann war sie plötzlich weg. Am Dienstag erschien Dittli nicht im Kantonsparlament, obwohl mehrere Themen aus ihrem Departement auf der Tagesordnung standen. Dittli sei wegen Krankheit für mehrere Tage abwesend, sagte ihr FDP-Regierungskollege Frédéric Borloz im Parlament, er springe kurzfristig für sie ein.
Waadtländer Regierung veröffentlicht kryptische Mitteilung
Bis dahin wussten vor allem Leser der Genfer Zeitung «Le Temps», dass es offenbar nicht nur in Dittlis Departement kräftig rumort, sondern auch in der ohnehin bereits zerstrittenen Kantonsregierung. Die Zeitung hatte am 7. März bekanntgemacht, dass Dittli und die Regierung eine externe Untersuchung in Auftrag gegeben hätten. Diese solle «Missstände» in einer Dittli unterstehenden Behörde aufklären. Die Untersuchung habe eigentlich geheim bleiben sollen, doch mehrere Quellen sollen mit «Le Temps» gesprochen haben.
Durch den Zeitungsartikel sah sich die Kantonsregierung offensichtlich gezwungen, am selben Tag eine Medienmitteilung zu veröffentlichen. Sie warf mit jedem Satz mehr Fragen auf: Ein unabhängiger Experte habe seit Januar nach entsprechenden Hinweisen «organisatorische, institutionelle und professionelle Aspekte» im Departement für Finanzen und Landwirtschaft untersucht. Das Mandat sei «mit Zustimmung und auf Wunsch auch der Staatsrätin Valérie Dittli» vergeben, der Bericht Anfang März bei der Regierung eingereicht worden.
In der Folge wurden weitere Fakten bekannt: Der «unabhängige Experte» ist Jean Studer, ehemaliger SP-Staatsrat in Neuenburg, Ständerat und Ratspräsident der Nationalbank. Warum er? Das ist unbekannt. Vermutlich wollte die mehrheitliche Mitte-rechts-Regierung mit der Beauftragung eines ausserkantonalen Linken die Unabhängigkeit der Untersuchung garantieren. Nach NZZ-Informationen soll Studer früher bereits ähnliche Studien zu anderen Fällen erstellt haben.
Dittli und eine Behördenchefin sollen Streit haben
Um welche konkreten Probleme geht es also in Valérie Dittlis Departement? Hier werden die Fakten dünner. Laut «Le Temps» gibt es einen Konflikt zwischen Dittli und der Chefin der Generaldirektion für Steuerwesen, Marinette Kellenberger. Unter anderem sei Kellenberger daran beteiligt gewesen, eine vertrauliche Vereinbarung zwischen Dittli und dem Lausanner Anwalt Jean-Claude Mathey öffentlich gemacht zu haben.
Mathey war zwanzig Jahre lang erst Generalsekretär, dann Präsident der Kommission für bäuerliches Land, welche etwa landwirtschaftliche Flächen bewahren soll. Die Kommission wird beaufsichtigt von Dittlis Departement. Die Staatsrätin hatte zwei von der Kommission genehmigte Grundstücksverkäufe gestoppt.
Im Frühjahr 2024 erstattete Mathey Anzeige gegen Dittli unter anderem wegen Amtsmissbrauchs und Verletzung des Amtsgeheimnisses, wie das Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS) berichtete. Ab Mai 2024 wurde Mathey interimsmässig als Kommissionspräsident vertreten, doch erst im Dezember verabschiedete die Kantonsregierung ihn in einer Mitteilung mit lobenden Worten.
Oberstaatsanwalt lud Dittli als Beschuldigte vor
Im Januar schliesslich hätte Dittli wegen Matheys Anzeige als Beschuldigte vor dem Waadtländer Oberstaatsanwalt erscheinen sollen. Doch dazu kam es nicht, weil Dittli und Mathey eine eigentlich vertrauliche Vereinbarung aushandelten. Es ist offenbar jene Vereinbarung, welche angeblich unter Mithilfe von Dittlis Chefin für das Steuerwesen an die Öffentlichkeit gelangte.
Auffällig in Dittlis Departement ist auch, dass laut «Le Temps» mehrere Vertraute der Staatsrätin gegangen sind, etwa im Januar die persönliche Beraterin. Für die Kommunikation hat Dittli eine Parteifreundin im 50-Prozent-Pensum engagiert, die Mitte-Fraktionschefin im Berner Stadtrat, Béatrice Wertli. Das Departement will in der Causa nicht allein kommunizieren und verweist darauf, dass die gesamte Regierung die Untersuchung beauftragt hat.
Die Kantonsregierung will diesen Freitag über die Untersuchung und ihre Reaktion darauf informieren. Die Spannung und die Anspannung sind gross in der Waadt. Als Dittli 2023 bereits einmal im Mittelpunkt einer Kontroverse stand – über ihren Zuger Steuersitz während ihres Studiums in Lausanne –, wurde sie schliesslich durch eine externe Untersuchung entlastet.