Das Zollchaos hat bereits einen immensen Schaden angerichtet. Jetzt geht es darum, die Auswüchse der Globalisierung einzudämmen.

Bisher wirkte das von Donald Trump angerichtete Zollchaos wie eine spektakuläre Netflix-Serie. Der US-Präsident und seine Vertrauten betonten stets, man gehe nach einem cleveren Drehbuch vor: Zuerst wird die grösstmögliche Drohkulisse aufgefahren, wie Anfang April im Rosengarten vor dem Weissen Haus, um danach einen vorteilhaften Deal für die USA einzufahren.

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Die Realität allerdings präsentiert sich weniger glorios, wie die Vereinbarung mit China von Anfang Woche zeigte. Unabhängige Experten beurteilen das Resultat mehrheitlich als Sieg der unnachgiebigen Chinesen. Dass Trumps Methode in eine Sackgasse führt, darauf deuten auch die neusten Daten zur Konjunktur.

Der Befund ist durchs Band derselbe: Die geschürte Unsicherheit bewirkt, dass die Konsumenten ihre Kauflaune verlieren und die Unternehmen ihre Investitionen aufschieben. In den USA hat sich die von der Universität Michigan gemessene Konsumentenstimmung dramatisch verschlechtert. Gemäss der aktuellen Auswertung vom Freitag erreicht der Pessimismus beinahe einen Rekordwert und ist fast wieder so ausgeprägt wie auf dem Tiefpunkt während der Corona-Pandemie.

Das Risiko einer Rezession steigt

Dass die Verbraucher mit ihrer Skepsis richtig liegen, bestätigt auch die jüngste Wortmeldung des US-Notenbank-Chefs Jerome Powell. Sein Land könne in eine Phase häufiger und womöglich längerer Versorgungsengpässe eintreten, mahnte er. In der Schweiz ist der vom Bund publizierte Echtzeit-Indikator für die Wirtschaftsaktivität ebenfalls schlagartig gefallen. Vor allem der Einbruch im Aussenhandel zeigt, dass auf die Exportfirmen schwierige Monate zukommen.

Zu den exportorientierten Ländern gehört ebenso Deutschland: Auch dort zeichnet sich ab, dass der zarte Aufschwung bereits wieder zum Erliegen kommt. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung bezifferte das Rezessionsrisiko auf über 30 Prozent.

Unabhängig davon, wie die weiteren Verhandlungen zwischen den USA und seinen Handelspartnern ablaufen, gilt: Der Geist ist aus der Flasche. Die Weltwirtschaft und die Globalisierung werden nicht mehr gleich funktionieren wie vorher. Das äussert sich nur schon darin, dass der durchschnittliche Zollsatz der USA – obwohl zahlreiche weitere Tarife vorerst ausgesetzt wurden – inzwischen 18 Prozent erreicht. Das entspricht dem höchsten Niveau seit dem Jahr 1934.

Die USA stecken tief in den roten Zahlen

Wäre die Welt also eine bessere, wenn Trump auf seinen Auftritt im Rosengarten verzichtet hätte? Nicht wirklich. Denn der Welthandel befand sich schon vorher in einer gefährlichen Schieflage. Der Elefant im Raum ist das gigantische Handelsbilanzdefizit der USA von 1200 Milliarden Dollar im Jahr. Obgleich seine Rezepte verfehlt sind, so verdient der US-Präsident dennoch Anerkennung dafür, dass er dieses Defizit nicht länger hinnehmen will.

Die überschuldeten amerikanischen Konsumenten können nicht auf Dauer die globale Konjunktur am Laufen halten. Auch der amerikanische Staat steckt gefährlich tief in den roten Zahlen. Für das laufende Jahr ist ein Budgetdefizit von 8 Prozent des Bruttoinlandprodukts zu erwarten. Eine Kehrtwende ist überfällig.

Für die bisherigen Export-Champions wie China, Deutschland oder die Schweiz heisst das: Sie müssen von ihrem Wachstumsmodell, das sich einseitig auf die Exporte abstützt, wegkommen und ihre Binnenkonjunktur ankurbeln. Namentlich die europäischen Länder tun sich schwer mit diesem Kurswechsel: Denn ihre Wirtschaft ist verkrustet und ächzt unter einer ausufernden Bürokratie. Auch die alternde Bevölkerung und die teuren Rentensysteme bremsen die Produktivität.

Zwar mag sich Trump als Sündenbock eignen, wenn die Weltwirtschaft nun ins Stottern kommt. Und effektiv hat er mit seinem chaotischen Vorgehen die Probleme verschlimmert. Die Ursachen jedoch liegen wesentlich tiefer: Letztlich geht es darum, die stürmische Globalisierung der letzten Jahrzehnte wieder auf eine gesündere, ausgewogenere Basis zu stellen. Eine solche Anpassung liesse sich auch ohne Zollhammer erreichen. Viel Zeit allerdings, um eine konstruktive Lösung zu erreichen, bleibt nicht mehr.

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