Donnerstag, September 19

Inflation und Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens in der Schweiz haben während der Zeit, als Thomas Jordan Mitglied des Direktoriums der SNB war, weniger stark geschwankt als im Euroraum oder den USA. Auch der Wechselkurs, der Leitzins und die Renditen von Staatsanleihen weisen eine geringere Volatilität auf.

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Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat die Finanzmärkte häufig überrascht, wenn sie früher als die EZB den Leitzins erhöht oder gesenkt hat. Frühzeitiges Handeln hat einen klaren Vorteil, da es insgesamt weniger Zinserhöhungen und -senkungen notwendig macht. Dies wiederum trägt zu stabileren Wirtschafts- und Lebensbedingungen bei.

Wir haben eine Reihe von Wirtschafts- und Finanzvariablen seit dem zweiten Quartal 2007 analysiert – also dem Zeitraum, in dem Thomas Jordan Mitglied des Direktoriums der SNB war. Das Ergebnis ist deutlich: Die Schweizer Wirtschaft ist weniger volatil als die der USA oder des Euroraums.

Schockresistenz trotz Offenheit

Das ist bemerkenswert, da kleine, offene Volkswirtschaften wie die Schweiz in der Regel weniger diversifiziert sind als grössere Länder und daher potenziell grösseren sektoralen oder regionalen Schocks ausgesetzt sind. Theoretisch sollten der Euroraum und die USA den Vorteil haben, dass ein negativer Schock beispielsweise in Finnland durch einen positiven Schock in Portugal oder eine negative Entwicklung in Texas durch eine positive in New York ausgeglichen werden könnte.

Stattdessen war die Volatilität, gemessen an der Standardabweichung des Wachstums des Pro-Kopf-Einkommens, in der Schweiz deutlich geringer als im Euroraum und etwas geringer als in den USA. Darüber hinaus sind die Volatilitäten der Gesamt- und der Kerninflationsrate in der Schweiz klar niedriger als in den USA und im Euroraum.

Man könnte meinen, dass ein volatilerer Wechselkurs oder eine aktivere Zentralbank externe Schocks gedämpft und die Schweizer Produktion und Inflation geglättet hätten. Aber auch hier ist das Gegenteil der Fall. Der nominale und reale Wechselkurs der Schweiz sowie ihr Leitzins weisen eine geringere Volatilität auf. Angesichts der niedrigeren und weniger volatilen Inflation und Leitzinsen ist es schliesslich nicht überraschend, dass auch die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen der Eidgenossenschaft weniger volatil sind als die der USA und der Staaten des Euroraums.

Liberaler Arbeitsmarkt als Stärke

Natürlich könnten andere Faktoren als die Geldpolitik zu diesen Ergebnissen beigetragen haben. Für kleine Länder ist es entscheidend, schnell und entschlossen auf externe Schocks zu reagieren. Die Schweiz könnte genau das getan haben. Ihr Arbeitsmarkt ist liberaler als der der meisten europäischen Länder, so dass Schocks schneller aufgefangen werden können.

Es ist bezeichnend, dass die Schweiz nur ein Quartal lang einen Rückgang des Bruttoinlandprodukts verzeichnete, nämlich als die SNB im Januar 2015 plötzlich ihre Wechselkursuntergrenze zum Euro aufgab und der Franken massiv aufwertete.

Die geringere Volatilität des BIP erinnert auch daran, dass starke staatliche Eingriffe nicht immer hilfreich sind. Die Schweizer Regierung ist eindeutig weniger interventionistisch als die ihrer europäischen Nachbarn – offensichtlich ohne negative Folgen für den Konjunkturzyklus. Man könnte auch annehmen, dass wohlhabendere Länder weniger volatil sind als andere. Im Fall der Inflation könnte man hinzufügen, dass der hohe Anteil an administrierten Produkten im Inflationskorb oder die relativ stabilen, aber hohen Arbeitskosten einen mildernden Effekt auf die Teuerungsvolatilität haben könnten.

Zusätzlich sind wir aber davon überzeugt, dass die SNB vor allem im letzten Zinszyklus durch die frühzeitige Anhebung ihres Leitzinses im Juni 2022 und die Aufwertung des Frankens bis Ende letzten Jahres in der Lage war, das Niveau ihres Leitzinses weniger zu erhöhen und früher zu senken als andere Zentralbanken. Hoffen wir, dass dieses geschickte Timing der geldpolitischen Veränderungen auch Jordans Nachfolgern so gut gelingen wird.

Karsten Junius

Karsten Junius ist Chefökonom und Head of Economic and Strategy Research bei der Bank J. Safra Sarasin in Zürich. Von 2011 bis 2014 arbeitete er für den Internationalen Währungsfonds in Washington. Davor war er für die DekaBank in Frankfurt für das Kapitalmarkt- und Immobilien-Research verantwortlich. Junius hat an der Universität Kiel in Volkswirtschaftslehre doktoriert.

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