Sonntag, Oktober 6

Die unbestrittene gastronomische Nummer eins von Meilen verfügt über eine der schönsten Terrassen des Kantons Zürich. Nach der Verabschiedung des langjährigen «Burg»-Wirtes in den Ruhestand haben junge Betreiber übernommen.

Wer sich Appetit holen möchte, wandert vom Bahnhof Meilen zu Fuss hinauf zu jenem Restaurant, das nicht nur mit ländlicher Lage und historischem Charme überzeugt, sondern auch mit einer langen gastronomischen Tradition. Seit 2014 wirteten hier Marianne und Turi Thoma, bauten die eh schon vorhandene Stammkundschaft noch weiter aus. Ich erinnere mich noch gut, im Lockdown-Frühjahr hier Kutteln à la Turi als To-go-Angebot bestellt und abgeholt zu haben.

Inzwischen ist der Ex-Chef im Ruhestand oder besser im Halbruhestand. Dass der Mann ganz und gar aufhört, Gourmets mit seinem Können zu begeistern, ist kaum anzunehmen. Die Nachfolger, Sascia Held und Cham Günter, stehen vor der anspruchsvollen Aufgabe, dem Restaurant Prägung zu verleihen, ohne Stammkunden zu verprellen. Aber schaffen sie es auch?

Das Ambiente ist so schön wie eh und je

Bei der Einrichtung müssen die neuen Pächter nicht viel ändern, das Haus ist in einem tadellosen Zustand. Und der Garten macht im Sommer nach wie vor mehr Spass als fast jeder andere Aussensitzplatz im Kanton. Es gibt einen vorderen Teil und einen hinteren, ganz nach Laune. Die nach mir eintreffenden Gäste haben sogar extra einen Platz unter der Pergola reserviert, bestehen auf diesem. Und Spaziergänger, die nur Kaffee und Dessert einnehmen wollen, werden vom netten Service nicht abgewiesen.

Kaum verändert hat sich auch die Weinkarte. Es sind vor allem Schweizer Erzeuger und selbstverständlich in erster Linie jene, die in Meilen und Umgebung keltern, die hier im Vordergrund stehen. Lüthi und Schwarzenbach sind prima vertreten, und wer glaubte, dass es in Zürichsee-Fällen immer nur Räuschling und allenfalls Pinot noir sein dürfte, liegt falsch. Schwarzenbachs Blaufränkisch macht zumindest mir Freude und passt auch prima zum gewählten Hauptgang.

Ganz hinten in der Weinkarte stehen die wenigen Ausnahmen von der eidgenössischen Rebkultur: etwa ein Château Faugères aus dem Bordelais. Ein paar mehr Flaschen von anderswo könnten es noch werden, sagt die Chefin. Ein kleiner Fingerzeig in Richtung Moderne.

Klassiker oder Menu? Hauptsache Frische.

Mittags werden ausser dem Lunchmenu einige Klassiker angeboten, abends serviert man ein Menu mit Wahlmöglichkeiten. Der Stil ist, wie einst, von regionalen Zutaten und Traditionen beeinflusst. Es gibt Zürichsee-Forelle oder Wels aus gleichem Gewässer, Rinds-Onglet oder Käse von Rolf Beeler. Ob es unter früherer Leitung auch schon so viele spannende vegetarische Speisen gab, frage ich mich angesichts von glasierter Aubergine mit Minzreis und Pilz-Crêpe-Tarte mit grünen Bohnen und Sommertrüffeln.

Fleisch- und fischfrei ist auch mein erster Gang, das Wassermelonen-Tatar mit geräucherter Rande. Das ist nicht weniger als eine frische, leichte und im besten Sinne sommerliche Vorspeise mit dezenten Rauchnoten und lediglich ganz leichter Süsse; nur der Rucola ist überflüssig. Brot finde ich gut, Olivenöl und Grissini noch besser, den alkoholfreien Johannisbeer-Drink sogar ausgezeichnet.

Kutteln dürfen es sein, Eiskaffee sollte es

Am Nachbartisch werden derweil Kutteln bestellt, ein Signature-Dish von einst, das freilich nicht auf der Karte steht und mir auch nicht mündlich offeriert wird. Macht aber nichts, denn der gelistete und georderte Coq au Vin ist gut gewürzt, die Sauce dank Schmorgemüse würzig und süffig. Nur mit den Beilagen hadere ich ein bisschen. Grüne Bohnen und Peperoni schmeckten zwar, aber unwillkürlich denke ich bei diesem französischen Bistrogericht ja doch an kleine geschmorte Zwiebeln.

Der Kartoffelschaum im Glas ist zudem leider so dünnflüssig, dass er nicht dazu taugt, die Sauce aufzunehmen. Nichts gegen kreative Abwandlungen, aber in diesem Falle wäre ein klassischer, mit reichlich Butter zubereiteter Kartoffelstock doch die bessere Alternative gewesen. Am abschliessenden Eiskaffee habe ich dann aber gar nichts zu kritisieren. Der ist mit Glace und Rahm angereichert und ebenso eindeutig im Geschmack wie frisch.

Auf einen Blick

Adresse

Wirtschaft zur Burg, Auf der Burg 15, 8706 Meilen

Kosten

Hauptgerichte kosten zwischen 38 und 69 Franken. Das Abendmenu ist ab 98 Franken (3 Gänge) zu haben, das Lunchmenu in drei Gängen zu 68.

Bewertung

Küche: 7/10, Gastkultur: 7.5/10

Anmerkung: Die Bewertungen orientieren sich an der denkbaren Höchstnote von 10 Punkten. Die Note für die Küche betrifft ausschliesslich die Qualität der Speisen, jene für Gastkultur umfasst sämtliche übrigen Aspekte eines Restaurantbesuchs.

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