Montag, Oktober 14

Ihre Uhren hängen in Flughäfen, an Fassaden von Einkaufsstrassen oder in Uhrengeschäften. Sie zeigen die Zeit an und werben für bekannte Uhrenmarken. Wer steckt hinter diesen Armbanduhren im Riesenformat?

Der Eingang zur Firma Ruegg SA ­verbirgt sich hinter der Tür eines Mehrfamilienhauses am Südhang von La Chaux-de-Fonds. Anders als die grossen Uhrenmarken mit ihren prestigeträchtigen Bauten sucht man hier keine Publicity. Diskretion ist oberstes Gebot, wenn man für renommierte Uhrenmarken arbeitet, denn diese geben ihre ­Zulieferer in der Regel lieber nicht preis. Daniel Lenherr und sein Sohn Ludovic führen das Familienunternehmen, das 1957 von Jacob Ruegg gegründet wurde. 1994 erwarb Jean-Claude Lenherr, ­Vater des heutigen Geschäftsführers, die Werkstatt.

Fotos sind nicht erlaubt

Die Wände des kleinen Büros sind fast lückenlos mit Beispielen aus der eigenen Produktion behangen. «Leider können wir Ihnen nicht erlauben, davon ein Foto zu machen. Das hätte für uns schwerwiegende Folgen», entschuldigt sich ­Daniel Lenherr. So stolz er auf seine ­Produkte ist, er darf sich nicht damit brüsten. Hier hängt die gesamte Konkurrenz der Uhrenwelt in Eintracht nebeneinander – etwas, das man heute nicht einmal mehr in Fachgeschäften sieht, weil jede Marke einen eigenen Bereich für sich beansprucht.

In den Vitrinen sind jede Menge weiterer Objekte zu sehen, die die Ruegg SA für ihre anspruchsvollen Kunden fertigt: funktionierende, detailgetreue Uhrwerke im Massstab 10:1, Ansichtsmodelle von Hemmungen zur Schulung von Verkaufspersonal, Türgriffe mit Logo für Boutiquen, Logos und Schriftzüge aus Metall sowie Briefbeschwerer. «Als das noch unproblematisch war», schmunzelt Daniel Lenherr, «produzierten wir auch Aschenbecher für die Marken».

Seit den Anfängen der Firma hat sich viel geändert. «Es gab Fälle, da legte uns der Repräsentant der Marke seine Armbanduhr als Vorlage auf den Tisch und meinte, er wolle sie einfach wieder ­zurückhaben», sagt Daniel Lenherr. Heute bekomme man sämtliche Pläne digital und müsse sie nur ins eigene ­System übertragen. Die Anfertigung der gewünschten Anzahl eines neuen Modells dauert etwa vier bis fünf Monate, dazu kommt die Planungsphase von etwa einem Monat.

Wenig mit Uhrmacherei zu tun

Ein Gang durch die verwinkelten Ateliers im Hinterhaus macht es deutlich: Die Herstellung von Grossuhren hat ­wenig mit Uhrmacherei gemein. Da als Antrieb elektronisch gesteuerte Uhrwerke zum Einsatz kommen, die kräftig genug sein müssen, die je nach Massstab recht schweren Zeiger bewegen zu können, gibt es hier auch keine Uhrmacher. Alles dreht sich um das Gehäuse und das Gesicht der Uhr: das Zifferblatt und die Zeiger.

Während die typischen Uhren für die Innenräume von Boutiquen Durchmesser von rund 40 Zentimetern aufweisen, verwirklicht Ruegg bei Bedarf auch ­bedeutend grössere Exemplare: «Für einen unserer Kunden durften wir kürzlich eine Uhr mit mehr als zwei Metern Durchmesser anfertigen», freut sich Ludovic Lenherr, «in solchen Fällen übernehmen wir nicht nur den Transport an die Destination, sondern auch die Montage vor Ort.»

Auch in der Luxuswelt der Uhren gibt es unterschiedliche Budgets, und nicht alle können sich die raffinierteste Ausführung leisten, bei der alle Details des Zifferblatts originalgetreu nachgebildet sind. «Oft kommen auch junge Marken zu uns, die sparsam mit dem Geld umgehen müssen. Auch für sie haben wir Lösungen, die dank moderner Drucktechnik beinahe so plastisch aussehen wie eine dreidimensionale Uhr.»

Ludovic Lenherr zeigt auf eine Wanduhr, die von weitem verblüffend dreidimensional wirkt, tatsächlich aber aus einem flachen Aluprofil mit den Konturen der Armbanduhr besteht, auf das die Karbonoberfläche mit all ihren Schattierungen aufgedruckt ist. Selbstverständlich ist das Zifferblatt bis ins Detail original­getreu und sogar mit einer indirekten Beleuchtung versehen.

Am anderen Ende des Preisspektrums darf sich der Kunde über ein aus massivem Aluminium ausgefrästes und poliertes Gehäuse freuen, das sämtliche Spiegelungen des Originals eins zu eins wiedergibt. Sogar guillochierte Zifferblätter, Mondphasen, animierte Tourbillons und ewige Kalender sind möglich.

«Eigentlich sind alle unsere Uhren mit Datumsfenster ewige Kalender», sinniert Daniel Lenherr, «denn das eingebaute elektronische Werk schaltet selbsttätig Ende des Monats auf das richtige Datum. Wir können von unseren Kunden nicht erwarten, dass sie am Ende der kurzen Monate auf die Leiter steigen, um das Datum zu korrigieren.»

Mit ihren zwölf Mitarbeitenden produziert die Firma Ruegg aber nicht nur Uhren für Innenräume, sondern auch solche, die draussen dem Wetter ausgesetzt sind. «Sie müssen wasserfest sein, aber nicht wasserdicht, wie eine Taucheruhr. Eher so wie ein Auto, das zwar kein Regenwasser reinlässt, aber in einem Gewässer trotzdem untergehen würde», erklärt Daniel Lenherr.

Solche Uhren müssten sowohl eisige Kälte als auch Bruthitze aushalten und dürften sich bei andauernder Sonnenbestrahlung nicht verfärben. «Bei aller Robustheit verlangen sie von unseren Kunden dennoch ein Minimum an Pflege. Die Exkremente von Vögeln, die sich gerne obendrauf ausruhen, greifen das Metall an, wenn man sie nicht regelmässig entfernt. Darauf machen wir unsere Kunden aufmerksam.»

Und wenn doch mal etwas kaputtgeht? «Wir besitzen Pläne und Werkzeuge für alles, was wir bisher gefertigt haben und können jederzeit Ersatzteile herstellen. Es gibt Firmen, die ihre Grossuhren an all ihren gesponserten Sportanlässen dabei haben. Am Ende der Saison kommen diese Uhren zu uns zurück zur Auffrischung. Das gehört zu unserem Service», so Ludovic Lenherr.

Geheime Signatur

Gibt es eine geheime Signatur, an der man erkennen kann, ob so eine Uhr von Ruegg SA stammt? «Ja, aber die befindet sich im Inneren auf der Rückseite des Zifferblatts», erklärt Daniel ­Lenherr. Das sei nützlich, wenn ein Kunde die Uhr reparieren lassen wolle und sich nicht erinnere, woher sie stamme. Das komme durchaus vor. «Wir erhalten immer mal wieder Uhren zur Reparatur, die noch von meinem Vater hergestellt wurden.»

Wir wollen wissen, ob man von diesem Geschäft leben kann. «Wir haben genügend Aufträge, um bestehen zu können», sagt Daniel Lenherr. Und es gebe in der Schweiz nur einen Konkurrenten, der zum Teil andere und zum Teil dieselben Kunden bediene. «Natürlich gibt es Konkurrenz aus Asien, mit der wir preislich nicht mithalten können. Doch wir sind dankbar, dass unsere Kunden nicht nur bei der eigenen Produktion dem ‹Swiss made› treu bleiben», erklärt Daniel Lenherr.

Doch die Auftragslage ist nicht gleichmässig aufs Jahr verteilt. Es gibt durchaus Flauten, die in der Regel von heftigen Anstürmen gefolgt sind. Dann müssten alle anpacken, denn einen Auftrag abzulehnen, sei keine Option. «Unsere Mitarbeitenden wissen, dass wir niemanden wegen schlechter Auftragslage entlassen. Deshalb halten sie zum Unternehmen, wenn es rund geht.»

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