Nordkoreanische Militärpiloten flogen in den 1960er Jahren Kampfeinsätze für den Bruderstaat Nordvietnam. Die Welt befand sich damals in einer völlig anderen Situation. Dennoch gibt es gewisse Parallelen zu Kim Jong Uns Hilfsdienst für Putin.
Nordkoreas Staatsmedien überboten sich mit feurigen Schlachtrufen. «Wir sind alle bereit, Südvietnam zu überrennen!», berichtete das kommunistische Parteiblatt «Rodong Sinmun» am 6. April 1965 über eine Beschluss der nordkoreanischen Stahl- und Minenarbeiter. Auch der Frauenbund legte sich laut dem Sprachrohr des Regimes ins Zeug: Er forderte die nordkoreanische Staatsführung auf, die geliebten Ehemänner, Söhne und Töchter an die Front in Vietnam abzukommandieren.
Kims Übereifer
Kim Il Sung, der Gründer Nordkoreas und Grossvater des jetzigen Diktators Kim Jong Un, schlug sich im Vietnamkrieg sofort auf die Seite des kommunistischen Nordens, der gegen das von den USA gestützte Südvietnam kämpfte. Laut vietnamesischen Quellen versorgte Kim den Norden mit Waffen, Munition, 1000 Soldaten und Lebensmitteln. Jedem nordkoreanischen Arbeiter werde ein Lohnanteil zur Unterstützung des Vietnamkriegs abgezogen, kabelte ein Diplomat der DDR nach Ostberlin.
Der Stolz der Nordkoreaner waren die schätzungsweise 200 Militärpiloten, die mit sowjetischen MiG-17-Jets. Die Piloten flogen unter vietnamesischer Flagge. So wie Nordkorea heute seinen Kriegseinsatz auf der Seite Russlands für die Ukraine nicht bestätigen will, setzte der Staatsgründer Kim Il Sung lange auf Geheimniskrämerei. Das Geschwader, das zwischen 1965 und 1969 operierte, trug die Bezeichnung «Gruppe Z». In vietnamesischen Dokumenten nannte man die nordkoreanischen Piloten auch die «Z-Freunde».
Pjongjang, trotz lautstarker Propaganda das verschwiegenste Land der Welt, bestätigte die Entsendung der Piloten erst dreissig Jahre nach Ende des Krieges. Die Staatspresse meldete, Kim Il Sung habe seine Soldaten angewiesen, so heldenhaft zu handeln, als würden sie den koreanischen Himmel verteidigen.
Kim Il Sung sah sich als Treiber einer kommunistischen Weltrevolution. Sich den Brüdern in Nordvietnam anzuschliessen, war für ihn Pflicht. Kims unbändiger Helferwillen stiess in Hanoi indes nicht nur auf Freude. General Vo Nguyen, ein hoher Kader in der KP, notierte, der Einbezug der Nordkoreaner könnte das Kampfgeschehen erschweren. Unter anderem wurden Verständigungsprobleme befürchtet.
In Aufzeichnungen aus Vietnam heisst es, ein Gesuch «unserer Freunde», sich am Krieg zu beteiligen, sei bewilligt worden. Mit anderen Worten: Die Vietnamesen haben nicht um Verstärkung aus Pjongjang angefragt. Kim Il Sung drängte sich den Genossen geradezu auf. Der vietnamesische Staatschef Ho Chi Minh wollte Kim Il Sung davon überzeugen, dass materielle Unterstützung genüge. Doch Kim insistierte, seine Kampfpiloten loszuschicken. Später zeigten sich Mitglieder der vietnamesischen Flugzeugstaffel beeindruckt, wie die Nordkoreaner mit waghalsigen Manövern den Feind attackierten. Allerdings führte dies auch zu hohen Verlusten.
Ein Testgelände für den nächsten Koreakrieg
Die geografische und ideologische Teilung Vietnams in einen kommunistischen Norden und einen kapitalistischen Süden entsprach der Situation auf der koreanischen Halbinsel. Kim Il Sung wollte mit allen Mitteln eine Wiedervereinigung unter sozialistischer Führung erzwingen. Obwohl der von ihm angezettelte Koreakrieg (1950 bis 1953) einen enormen Blutzoll forderte, rückte er nie von seinem Ziel ab.
Kim habe den Vietnamkrieg als Testgelände für einen künftigen Konflikt in Korea betrachtet, schreibt der amerikanische Politologe Benjamin Young in seinem Aufsatz «The Origins of North Korea-Vietnam Solidarity: The Vietnam War and the Democratic People’s Republic of Korea». In Südvietnam dienten unter dem amerikanischen Oberkommando von 1965 bis 1973 auch über 300 000 südkoreanische Soldaten. Wie beim heutigen Kriegseinsatz in der Ukraine sollten Nordkoreaner wertvolle Erfahrungen auf dem Schlachtfeld sammeln.
In einem rumänischen Archiv, das nach dem Sturz des kommunistischen Diktators Nicolae Ceausescu zugänglich wurde, fanden sich Dokumente, die Pjongjangs Absichten umschreiben. Im Telegram 76.247, versehen mit dem Vermerk «Streng geheim», rapportierte ein rumänischer Diplomat aus Pjongjang, eine Spezialeinheit aus Nordkorea teste, wie die südkoreanischen Einheiten auf die psychologische Kriegsführung reagierten. Die diversen historischen Quellen zusammengetragen hat das «North Korea International Documentation Project» der amerikanischen Denkfabrik Wilson Center.
Zeitgleich zur Operation in Vietnam nahmen die Provokationen Nordkoreas auf der koreanischen Halbinsel rapide zu. Sie gipfelten in einem verwegenen Angriff auf den Präsidentensitz in Seoul. Ein nordkoreanisches Kommando stürmte am 21. Januar 1968 das Blaue Haus, die Residenz des Staatschefs. Präsident Park Chung Hee, der bei dem Angriff getötet werden sollte, blieb unverletzt. Nur Tage später setzte die nordkoreanische Marine in internationalen Gewässern das amerikanische Kriegsschiff «Pueblo» fest.
Die dramatischen Ereignisse in Korea ereigneten sich kurz vor der Tet-Offensive in Vietnam. Dieser Überraschungsangriff zielte unter anderem darauf ab, die südvietnamesische Bevölkerung zu einem Aufstand anzustacheln. Unter Historikern ist umstritten, ob Hanoi und Pjongjang die Eskalationsschritte abgestimmt hatten.
Ein heftiger Bruderzwist
Nach Kriegsende kühlte sich das einst warmherzige Verhältnis zwischen dem nordvietnamesischen Präsidenten Ho Chi Minh und Kim Il Sung merklich ab. Kim missfiel, dass sich die südostasiatischen Genossen gegenüber dem Westen öffneten. Aus Optik Pjongjangs noch schlimmer: 1992 nahm Vietnam diplomatische Beziehungen mit dem Erzfeind Südkorea auf. Man sah darin einen Verrat.
Es folgte eine Serie von diplomatischen Verstimmungen. 1996 bezog Nordkorea 20 000 Tonnen vietnamesischen Reis, zahlte aber nicht dafür. Als die Kim-Diktatur Ende der 1990er Jahre auf dem Höhepunkt einer Hungersnot Hilfslieferungen erbat, liess Hanoi die Gesuchsteller abblitzen. 2002 verlangte Nordkorea die Überführung der sterblichen Überreste von 14 Militärpiloten, die im Vietnamkrieg gefallen waren. Auf einem Friedhof in der Nähe von Hanoi erinnern Grabplatten an das nordkoreanische Detachement.
Ein neues Kapitel schlugen die beiden Staaten 2019 auf. Kim Jong Un fuhr mit seinem gepanzerten Sonderzug nicht bloss sechzig Stunden nach Hanoi, um Donald Trump zu sehen. Im Anschluss an den Gipfel, der wegen des Streits um das nordkoreanische Atomprogramm ergebnislos endete, liess sich Kim Jong Un bei einem Staatsbesuch in der vietnamesischen Hauptstadt feiern.