Freitag, Oktober 4

Der Eishockey-Klub verzichtet auf eine Anzeige – vorerst.

So eine Meisterfeier im Eishockey kann tückisch sein. Da wäre zum Beispiel der Pokal, den die siegreiche Mannschaft überreicht bekommt. Bis 2007 handelte es sich dabei um ein kantiges Exemplar in Blau, das von Journalisten, Fans und womöglich auch von den Spielern als hässlich empfunden wurde und sogleich einen passenden Spitznamen bekam: «Schirmständer». So ein Ding will man eigentlich nicht gewinnen.

Danach wurde es noch schlimmer: Der «Schirmständer» kam in die Ecke und wurde durch ein Modell aus transparentem, honiggelbem Plexiglas ersetzt. «Twin Skate» heisst die Skulptur. Die Bogenform der beiden in einander greifenden Gläser soll offenbar die Spuren zweier Schlittschuhe symbolisieren, die übers Eis kurven. Kostenpunkt: rund 10 000 Franken.

Das Problem: Die filigrane Struktur will nicht so recht passen in die ruppige Welt des Eishockeys – erst recht nicht, wenn erschöpfte und/oder angetrunkene Männerkörper im Freudentaumel damit hantieren: 2011 ging das gute Stück in der Garderobe des HC Davos zu Bruch, 2015 in den Katakomben des Hallenstadions, als die Trophäe dem Materialwart des gleichen Klubs aus der Hand glitt. Die Meisterfeier des EV Zug vor zwei Jahren überlebte «Twin Skate» ebenfalls nicht.

Videoaufnahmen entlarven den Täter

Über ein ähnliches Malheur an der Meisterfeier der ZSC Lions von Ende April ist nichts bekannt. Der Pokal ist heil geblieben. Aber dafür muss sich der frischgebackene Titelträger mit einem anderen Problem herumschlagen. Die Lions vermissen ihren Meisterlöwen: ein etwa 1 Meter 20 grosses, in den Klubfarben Blau-Weiss-Rot gehaltenes Kunstwerk. Die Löwenfigur hätte zugunsten einer Stiftung für Kinder in Spitalbehandlung versteigert werden sollen. Bis zur Meisternacht lag das letzte Angebot bei 4500 Franken. Womöglich wäre der Erlös danach noch weiter gestiegen.

Die Skulptur stand beziehungsweise sass im VIP-Bereich, hoch über der Tribüne der Swiss-Life-Arena – dort, wo Mitglieder des sogenannten Business-Clubs des ZSC etwas trinken, dinieren und ihr Netzwerk unter weiteren Hockey-interessierten Geschäftsleuten in edler Atmosphäre erweitern können.

Aber dann passierte Folgendes: Ein Besucher nahm die rund 20 Kilogramm schwere Löwenfigur unter den Arm und entfernte sich in aller Ruhe damit. Der Mann trug weisse Sneaker, eine rostrote Hose, einen weissen Pullover und eine dunkle Daunenjacke. Auf den Aufnahmen einer Überwachungskamera ist nach Klubangaben zudem zu sehen, wie weitere Anwesende dem Täter zuwinken und ihn so vielleicht anspornen bei seiner zweifelhaften Tat. Es ist kurz nach halb drei. Der Mann und die anderen Besucher des VIP-Bereichs dürften den Meistertitel der Lions ausgiebig gefeiert haben.

«Die Stimmung war fröhlich, euphorisch, ähnlich wie unter Spielern und Fans unten auf dem Eis», sagt Roger Gemperle, Marketing-Chef und Mitglied der Geschäftsleitung der ZSC Lions. Vielleicht habe sich der Mann anstecken lassen, vielleicht sei er übermütig geworden.

Der Klub bittet darum, die Statue zurückzugeben

Doch jetzt, vier Wochen nach der Tat, hört der Spass auf. Die ZSC Lions wollen die Löwenfigur wiederhaben. In einem am Montag verschickten Rundschreiben, das der NZZ vorliegt, bitten die Verantwortlichen des Business-Clubs dessen Mitglieder um Hilfe. Die Suche nach dem Löwendieb dürfte trotz detaillierten Videoaufnahmen nicht ganz einfach werden. Man gehe davon aus, heisst es in der E-Mail, dass der Täter selber nicht zum engeren Kreis des VIP-Bereichs gehöre, sondern vielmehr Gast eines Mitglieds gewesen sei.

Konkret bedeutet das: Der Mann könnte zum Beispiel Kunde einer Firma sein, die mehrere übertragbare Jahreskarten für diese exklusiven Räumlichkeiten der Swiss-Life-Arena und die Sitzplätze auf der Tribüne darunter besitzt. Vielleicht wurde er von einem Geschäftspartner eingeladen zu dem Match. In der E-Mail des Business-Clubs steht denn auch geschrieben: «Bitte senden Sie dieses Mail an die Personen weiter, welche Tickets für den 30.04.2024 von Ihnen erhalten haben.» Und weiter: «Der Löwe kann vorerst ohne Konsequenzen an uns retourniert werden.»

Mit anderen Worten: Die ZSC Lions verzichten für den Moment darauf, rechtliche Schritte einzuleiten. Wie lange dieser Moment anhalten wird, kann Gemperle nicht sagen. «Wir haben uns keine Frist gesetzt. Wir warten jetzt einmal und schauen, was passiert.» Die Statue könne bei der Geschäftsstelle des Klubs an der Vulkanstrasse 130b in Zürich Altstetten abgegeben werden. Das gehe auch anonym, sagt Gemperle, damit wäre die Sache aus der Welt.

Sollte die Löwenfigur allerdings verschwunden bleiben, muss der Täter damit rechnen, dass die Lions gegen ihn vorgehen. Das Gesicht des Mannes ist auf den Videoaufnahmen deutlich zu erkennen.

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