Dienstag, Oktober 1

Einen selbstverschuldeten Schaden der Verwaltung deckt der Kanton Zürich grundsätzlich selber. Aber er schaut genau hin.

Ferien hat der Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP) eigentlich keine. Aber bevor er jeweils eine Woche lang seinen Sohn auf dem heimischen Bauernhof ablöst, lädt er die Medien zu einem Sommerspaziergang ein. Eine Gelegenheit, um auf Dinge hinzuweisen, die neben Steuern, abwandernden Firmen oder Zentrumslasten, die der Kanton Zürich trägt, leicht unter den Tisch fallen.

Dieses Jahr ging es ins malerische Elgg, wo Stockers Parteikollegin und Kantonsrätin Ruth Büchi Präsidentin ist. Das Thema lautete im weiteren Sinn: Versicherung. Aber es ging nicht um die Brandserie der letzten Monate, die Elgg heimsuchte. Auch nicht um die kantonale Gebäudeversicherung, die organisatorisch bei der Sicherheitsdirektion angesiedelt ist.

Der vergessene Wasserhahn

Ernst Stocker informierte über Pannen, Pech und Pleiten. Nicht solche der Finanzdirektion natürlich: Aber in der kantonalen Verwaltung mit 50 000 Angestellten, die auch nur Menschen sind, kann immer etwas schiefgehen. Stocker beschrieb, wie ein Polizist nach dem Tanken von der Zapfsäule wegfuhr, ohne den Einfüllstutzen herauszunehmen. Oder als Beispiel, falls nach einer behördlichen Anordnung das falsche Kellerabteil geräumt und der Inhalt der Kehrichtverbrennung übergeben wird.

Als gröberes Beispiel erwähnt wurde ein geöffneter Wasserhahn, der einmal auf einer Baustelle vergessenging. Über Nacht entstand ein Wasserschaden an einem C0mputertomographen in Millionenhöhe.

Öffentlich wenig bekannt ist, dass der Kanton für solche Fälle einen internen Versicherungsdienst unterhält, unter der Leitung von Alexander Bürgi, dem stellvertretenden Generalsekretär der Finanzdirektion. Wie nur in wenigen anderen Kantonen gilt in Zürich der Grundsatz, dass der Kanton die meisten Risiken selber trägt. Das gilt auch für alle Hochschulen und die kantonalen Spitäler. Die meisten Kantone wie auch die Stadt Zürich schliessen primär Policen mit Versicherungsgesellschaften ab.

Allerdings gibt es eine Reihe definierter Ausnahmen. So etwa bei einem Obligatorium wie der Unfallversicherung für alle Mitarbeiter oder wenn die Zahl der Schadensfälle sehr gross ist, etwa bei der Fahrzeugversicherung. Dann werden Policen mit Privaten abgeschlossen, insgesamt sind es rund achtzig. Aber auch das tut die Finanzdirektion zentralisiert, weil der Kanton so sein Gewicht in die Waagschale werfen und gute Bedingungen aushandeln kann.

Ausserdem gibt es Spezialfälle, etwa wenn die Versicherung zwingend im Mietvertrag für einen Apparat enthalten ist.

Oder einen faktischen Zwang: Damit der Kanton genügend Pflegefamilien findet, bietet er ihnen eine Versicherung für allfällige Schäden an, die durch Pflegekinder verursacht werden.

Auch ärztliche Kunstfehler werden extern versichert, weil die Sache oft so komplex ist, dass das kleine Team in der Finanzdirektion mit 2,5 Stellen überfordert wäre.

Es ist nicht immer einfach, eine externe Lösung zu finden. Matthias Huber von der Finanzdirektion nannte die 44 Notariate. Bei etwa 2500 Konkursfällen im Jahr kommt es immer wieder vor, dass diese vorübergehend für eine Firma, in der niemand mehr vorbeikommt, oder für ein Warenlager verantwortlich sind. Zur Versicherung der Konkursmasse wollte der Kanton von acht Unternehmen Offerten einholen. Es ging nur eine einzige ein.

Die Vielfalt möglicher Versicherungsfälle in der kantonalen Verwaltung ist enorm. Wie versichert man jene Mitarbeiter, die jeweils dabei helfen, austrocknende Fliessgewässer abzufischen? Und wenn jemand einen Schaden grobfahrlässig verursacht? Besteht da nicht die Tendenz, die Sache quasi in der Familie zu regeln und die Kosten ohne Aufhebens zu decken?

Die Vertreter der Finanzdirektion widersprachen. Der Kanton schaue wie private Versicherer genau hin, übernehme nicht grosszügig einfach jeden Schaden und könne einen Verursacher in Regress nehmen. Laut Finanzdirektor Stocker bewährt sich das kantonale Versicherungskonzept: Es biete bei sorgfältigem und sparsamem Einsatz von Steuergeldern einen massgeschneiderten Schutz.

10 Prozent der Corona-Rekurse gutgeheissen

Auch eine Art Versicherung, aber weniger günstig und in der Not im Eiltempo geschaffen, war die Corona-Härtefallhilfe. Sie kam vor allem 2021 Gastrobetrieben und Läden zugute, die während der Pandemie vorübergehend schliessen mussten. Das Thema scheint lange vergangen, es beschäftigt die Finanzdirektion und die Gerichte indes noch immer.

Der Kanton gewährte insgesamt 1,35 Milliarden Franken Hilfe à fonds perdu, also ohne Rückzahlungspflicht. 1,15 Milliarden bezahlte der Bund, der Kanton etwa 200 Millionen Franken. Ausstehend sind noch gegen 100 Millionen Franken an Darlehen, wobei ungewiss ist, wie viel Geld zurückbezahlt wird. Die Ausfälle belaufen sich bis anhin auf 1,7 Millionen Franken.

Die Finanzdirektion erliess mehr als 10 000 Verfügungen zu Gesuchen um Härtefallhilfe. Gegen 1466 Rekurse gingen ein. Davon wurde jedoch nur etwa jeder zehnte gutgeheissen. Das führte zu einer erneuten Prüfung durch die Finanzdirektion. Nicht jede neue Verfügung hatte einen höheren Beitrag zur Folge. Nur in 73 Fällen – weniger als einem Prozent aller Verfügungen – kam es zu Nachzahlungen von total 7 Millionen Franken.

Ernst Stocker zog das Fazit, seine Leute hätten einen grossen Effort und gleichzeitig sorgfältige Arbeit geleistet. Gewundert hat er sich zum Teil über die wachsende Anspruchshaltung. In einem Fall habe die Direktion 100 000 Franken Härtefallhilfe zu spät ausbezahlt. Dafür habe der Anwalt der Firma doch tatsächlich 5 Prozent Verzugszins gefordert, weil sich der Kanton auf Kosten seines Klienten bereichert habe. Zum Glück sei ihm der Mann nicht über den Weg gelaufen, brummte Stocker.

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