Dienstag, Oktober 1

Das Bundesgericht heisst eine Beschwerde des 28-jährigen Straftäters teilweise gut.

Das Bundesgericht hat eine Beschwerde von Brian Keller teilweise gutgeheissen. Das oberste Gericht des Landes kam in einem am Freitag veröffentlichten Urteil zu dem Schluss, die Zürcher Justiz habe die von dem 28-jährigen bekannten Straftäter geforderte Genugtuung für eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Gefängnis Pfäffikon zu tief angesetzt.

Brian Keller hatte 2020 wegen der erlittenen Unbill in Einzelhaft eine Klage gegen den Kanton Zürich eingereicht und eine Genugtuung in der Höhe von 40 000 Franken gefordert. Das Zürcher Bezirksgericht bejahte zwar die Frage der erniedrigenden Haftbedingungen, sprach dem jungen Mann 2022 aber bloss eine Genugtuung von 1000 Franken zu, was 50 Franken pro Tag in Einzelhaft entspricht. Das Obergericht stützte diesen Entscheid später.

Das Bundesgericht bezeichnet die Bemessung der Genugtuung nun jedoch als willkürlich tief. Die Vorinstanz habe die Schwere des Verstosses gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht beziehungsweise nur unzutreffend gewürdigt. Eine Genugtuung von 50 Franken pro Tag sei nur dann angemessen, wenn lediglich ein Element der Haftbedingungen zu beanstanden sei. Brian Keller sei im Gefängnis in Pfäffikon jedoch einer Reihe von unzulässigen Einschränkungen unterworfen gewesen.

Das Bundesgericht hält aber auch fest, das Urteil bedeute nicht, dass Keller Anspruch auf die von ihm geforderten 40 000 Franken Genugtuung habe.

Keine Matratze, keine Kleider, kein Spaziergang

Es geht in dem Fall um Ereignisse vom Januar 2017 im Gefängnis Pfäffikon. Brian Keller befand sich dort in Untersuchungshaft und zwischen dem 6. und dem 26. Januar stets in Einzelhaft. Er verhielt sich laut einem nach den Vorfällen erstellten Bericht renitent und gewaltbereit, er beleidigte und bedrohte die Aufseher. Zudem versuchte er zwei Mal, sich mit einem Teil seines Körpers durch die Essensluke in der Zellentüre zu zwängen.

Das Gefängnispersonal reagierte mit drastischen Massnahmen. Keller musste unter anderem ohne Matratze auf dem Boden schlafen, er durfte in den rund drei Wochen nur einen Poncho tragen, jedoch keine eigene Kleidung, nicht einmal Unterwäsche. Auch Spaziergänge waren nicht möglich. Zudem musste er immer Fussfesseln tragen, er konnte nicht duschen, Besuche wurden ihm verwehrt.

Das Bundesgericht hält in seinem Entscheid fest, die Einzelhaft sei angesichts des äusserst aggressiven und unkooperativen Verhaltens von Brian Keller grundsätzlich nicht zu beanstanden. Aber: «Auch in einer solchen Situation sind die Behörden verpflichtet, alles Mögliche vorzukehren, um menschenrechtskonforme Haftbedingungen zu gewährleisten.»

Die Haftbedingungen, denen Keller während zwanzig Tagen ausgesetzt gewesen war, lassen sich laut Bundesgericht nicht rechtfertigen. Insgesamt liege ein klarer Verstoss gegen das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung vor.

Das Bundesgericht hat die Sache zur Neubeurteilung ans Zürcher Obergericht zurückgewiesen. Dieses muss die Genugtuung nun nochmals neu festsetzen.

Kürzlich aus Untersuchungshaft entlassen

Der 28-jährige Keller ist erst Ende Juli wieder aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Grund für diese war eine Prügelattacke Anfang Mai gewesen. Hintergrund war ein Streit in den sozialen Netzwerken. Auf der Videoplattform Tiktok hatte Keller sich eine Auseinandersetzung mit einem Influencer namens «Skorp808» geliefert. Die beiden bedrohten sich per Video mit Messern und beschimpften sich gegenseitig. Atemlos berichtete die Boulevardpresse über nächtliche Besuche und Verfolgungsjagden durch die Stadt.

Am 2. Mai kam es schliesslich zu einer Attacke. Keller schlug seinen Kontrahenten nieder, danach stellte er sich selbst der Polizei. Wenig später wurde auch «Skorp808», der mehrfach vorbestraft ist und sieben Jahre hinter Gittern sass, in Untersuchungshaft gesetzt. Gegen beide Männer laufen derzeit Strafverfahren.

Urteil 2C_900/2022 vom 12. 7. 24.

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