Sonntag, September 29

Das Provisorium im Knonauer Amt hätte 2028 eröffnet werden sollen. Jetzt steht das Projekt in den Sternen. Ein Kantonsrat sagt: «Wir werden im Regen stehen gelassen.»

In Affoltern am Albis wäre eigentlich alles bereit gewesen: Die Wiese beim Industriequartier, die dem Kanton gehört. Die Absichtserklärung des Regierungsrats, bis 2028 auf diesem Areal ein Provisorium für ein Gymnasium zu errichten, das zunächst von der Kantonsschule Limmattal betrieben werden sollte. Die Aussicht, dass aus dieser Filiale dereinst eine eigenständige Mittelschule werden könnte – und der Bezirk damit endlich ein eigenes Gymnasium bekäme.

Doch daraus wird nun doch nichts, zumindest vorerst nicht. Der Regierungsrat hat das Bauvorhaben aus finanziellen Gründen «nach hinten» verschoben, wie der Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP) kürzlich bei der Vorstellung der Finanzplanung für die kommenden vier Jahre auf Nachfrage eines Journalisten sagte. Der «Anzeiger aus dem Bezirk Affoltern» berichtete zuerst darüber.

Was die Verschiebung konkret bedeutet, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Die Regierung will sich vor der Debatte im Parlament nicht in die Karten blicken lassen. Nachfragen der NZZ an die Bildungsdirektion werden an die Staatskanzlei weitergeleitet und dort nur in sehr allgemeiner Form beantwortet beziehungsweise nicht beantwortet: Der Kanton könne seine Investitionen nicht mehr aus eigener Kraft finanzieren, schreibt die Staatskanzlei, im vergangenen Jahr habe man sich erstmals seit langem wieder verschuldet. Die Regierung müsse Prioritäten setzen, um die zahlreichen Projekte «unter Wahrung der Gesamtsicht» frühzeitig beurteilen zu können.

Vorbild Wiedikon in Aussersihl?

Mit anderen Worten: Eine Kantonsschule im Knonauer Amt ist für den Regierungsrat nicht prioritär. Im 384 Seiten starken Bericht der Exekutive zum Finanzplan heisst es dazu lediglich, dass das Provisorium in Affoltern «frühestens ab 2028» gebaut werden soll. Zahlen zu diesem Vorhaben hingegen fehlen in dem Dokument. Barbara Franzen (FDP), die Präsidentin der Planungs- und Baukommission des Kantonsrats, schreibt auf Anfrage: «Im Moment darf man (das Projekt) als zurückgestellt betrachten.» Die Kommission habe die Regierung ebenfalls um weiterführende Informationen gebeten.

Wie es in Affoltern dereinst vielleicht aussehen könnte, das hingegen hat die Baukommission in der vergangenen Woche erfahren: bei einem Besuch der Filiale der Kantonsschule Wiedikon in Aussersihl. Das Provisorium hat seinen Betrieb nach den Sommerferien aufgenommen. Damals informierte die Regierung mit grossem Pomp darüber. Es gab ein Festzelt, Musik und einen fröhlichen Apéro. Die beiden Schulhäuser mit Platz für 650 Schülerinnen und Schüler und die Turnhalle auf dem Areal bei der Hardbrücke wurden in nur 15 Monaten realisiert. Die vorfabrizierten Holzelemente der Gebäude konnten Block für Block vor Ort montiert werden. Daher ging es derart schnell.

Die Bauten können sich sehenlassen. Entstanden ist eine moderne Lernumgebung fernab von Container-Feeling: In den beiden Schultrakten sind nicht nur Schulzimmer, sondern auch Räume untergebracht, in denen sich die Jugendlichen auf Prüfungen vorbereiten und Semesterarbeiten vorantreiben können, sogenannte «Maker-Spaces», zum Beispiel für Projekte in Physik oder Informatik. Und es gibt mehrere kleinere Zimmer für Musikunterricht.

«Es ist höchst unbefriedigend»

Aber auch Provisorien kosten Geld. In Aussersihl investierte der Kanton über 45 Millionen Franken. Vergleichbare Summen fehlen nun offenbar, um im Knonauer Amt bis 2028 ein ähnliches Bauvorhaben zu realisieren.

Dort ist man enttäuscht über die Verzögerung. «Wir haben Gas gegeben, wir haben gemacht, was wir konnten», sagt Eveline Fenner (EVP), die Affoltermer Stadtpräsidentin. Die Standortgemeinde hat ihre Stimmbürger im März eigens zur Urne gerufen, um das Areal des geplanten Gymnasiums von der Gestaltungsplanpflicht zu befreien. Der Stadtrat gewann die Abstimmung, die Vorlage wurde deutlich angenommen. «Wir dachten, es eile», sagt Fenner. Daher sei man schon ein bisschen erstaunt über den Entscheid der Kantonsregierung, von dem man noch dazu per Pressemitteilung erfahren habe.

Deutlicher wird Daniel Sommer. Der Affoltermer Kantonsrat der EVP ist hörbar verärgert. Er sagt: «Seit zehn Jahren insistieren wir, dass wir eine Mittelschule brauchen in unserem Bezirk. Seit Jahren mussten wir bei der Regierung immer wieder nachhaken.» Dann endlich habe man eine mündliche Zusage der Bildungsdirektorin Silvia Steiner (Mitte) erhalten. Und jetzt das. Eine Verschiebung ohne Angaben darüber, wie es nun weitergehen soll. Sommer sagt: «Es ist höchst unbefriedigend, wenn man so im Regen stehen gelassen wird.»

Ohne Provisorium in Affoltern werde der Druck auf andere Kantonsschulen zunehmen, ist der EVP-Politiker überzeugt. Für Sommer ist klar: Mit der wachsenden Bevölkerung wird auch die Zahl der Zürcher Gymnasiasten weiter steigen. Die Gymi-Filiale im Knonauer Amt hätte ab 2028 rund 650 Schülerinnen und Schülern Platz bieten sollen. Doch nun werden Gymnasiasten aus dem Bezirk weiterhin an die Kantonsschule Limmattal nach Urdorf und in die Stadt Zürich pendeln müssen. Die dortigen Mittelschulen werden nicht entlastet, Kinder und Jugendliche hinter dem Albis müssen weiterhin einen langen Schulweg auf sich nehmen. Von Knonau bis zur Kantonsschule Wiedikon beispielsweise sind es über 50 Minuten mit Bahn und Tram.

All das will Daniel Sommer nicht einfach so auf sich sitzen lassen. Er hat zusammen mit anderen Kantonsräten aus dem Bezirk eine dringliche Anfrage vorbereitet, die Auskunft verlangt vom Regierungsrat.

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