Montag, November 25

Nationalrat Fabian Molina und seine Ratskollegin Céline Widmer zeigen sich interessiert.

Die Zürcher SP sucht ab sofort Realersatz für jenes Duo, das sie aus einer Phase öffentlicher Selbstzerfleischung in ruhigere Gewässer gelenkt hat. Priska Seiler Graf und Andreas Daurù geben Ende Mai das Co-Präsidium der Kantonalpartei ab. Sie haben es sieben Jahre zuvor übernommen, nachdem ein Richtungskampf zwischen der Juso sowie dem linken Parteiflügel und Regierungsrat Mario Fehr öffentlich eskaliert war, was zum Rücktritt des sozialliberalen Parteipräsidenten Daniel Frei führte.

Das Co-Präsidium war für die SP damals eine Premiere und der Versuch, der Parteibasis in ihrer ganzen Breite gerecht zu werden: hier eine Frau aus der Agglomerationsgemeinde Kloten, eine Bundesparlamentarierin und Stadträtin, die sich selbst als Vertreterin des «pragmatischen» Teils der SP bezeichnete. Dort ein Mann aus der Stadt Winterthur, ein Kantonsparlamentarier und Gewerkschafter, der weiter links politisierte.

Diese Kombination hat sich bewährt und dürfte daher die Schablone sein, wenn eine Findungskommission nun eine neue Parteispitze sucht. Dies schränkt das Kandidatenfeld deutlich ein.

Laut Seiler Graf hat es sich als «ideal» erwiesen, dass sich ein Kantonsrat und eine Nationalrätin das Präsidium teilten und es dadurch einen direkten Draht von Zürich nach Bern gab. Das habe vieles erleichtert. Daher wäre es aus Sicht der SP optimal, wenn sie erneut im Nationalrat fündig würde. Und da ist die Auswahl nicht gross.

Von der Zürcher Delegation kommen nur vier Personen ernsthaft infrage; die anderen sind entweder gerade erst gewählt worden oder leiten im Fall von Mattea Meyer bereits die nationale Mutterpartei.

Von den verbleibenden machen sich Céline Widmer und Fabian Molina beide Gedanken über eine Kandidatur, wie sie auf Anfrage sagen. Min Li Marti findet das Amt zwar ebenfalls interessant, hält es aber für kaum kompatibel mit ihrer Tätigkeit als Verlegerin der Zeitschrift «P. S.». Jacqueline Badran äusserte sich am Mittwoch nicht dazu.

Da alle vier aus der Stadt Zürich kommen, müsste bei einer erneuten SP-Doppelspitze fast zwingend jemand aus einer ländlich geprägten Gemeinde dazustossen – als Ausgleich. Denn die Stadtzürcher Sektion ist mit Abstand die grösste und zudem gut organisiert. Sie trägt immer wieder mit Erfolg links-urbane Themen in die Partei, die mit der Lebensrealität im Rest des Kantons bisweilen wenig zu tun haben.

Priska Seiler Graf und Andreas Daurù haben in den vergangenen Jahren viel investiert, damit auch die ländlichen Sektionen gehört und gestärkt werden. Jene, in denen der sozialliberale Teil der SP stärker vertreten ist. Das lohne sich, findet Seiler Graf, denn: «Das, was uns verbindet, ist viel grösser als das, was uns trennt.»

Im Kantonsrat sagen mehrere ab, die ins Profil passen

Für die Nachfolge kommt das Führungsduo der Kantonsratsfraktion, Tobias Langenegger und Sibylle Marti, in Kombination mit einer Nationalrätin oder einem Nationalrat, kaum infrage, da beide in der Stadt leben. Sie stehen auch gar nicht zur Verfügung, wie Langenegger auf Anfrage sagt, sondern wollen sich auf ihr jetziges Amt konzentrieren.

Eine mögliche Kandidatin wäre dafür die Kantonsrätin Michèle Dünki-Bättig aus dem Dorf Glattfelden im Zürcher Unterland. Die 35-Jährige steht wie seinerzeit Daurù an der Spitze des Zürcher VPOD, der Gewerkschaft der Staatsangestellten, und findet das Parteipräsidium «reizvoll», wie sie auf Anfrage sagt.

Davide Loss aus Thalwil und Stefan Feldmann aus Uster, der die Kantonalpartei bereits einmal geleitet hat, schliessen hingegen eine Kandidatur aus zeitlichen Gründen aus. Bei Raphael Mörgeli aus Stäfa ist sie ebenfalls unwahrscheinlich, weil er Vater einer kleinen Tochter geworden ist, die kürzlich ihren ersten Geburtstag feierte. Auch Rosmarie Joss aus Dietikon winkt aus familiären Gründen ab.

Einfluss auf die Besetzung könnte auch die nachdrängende Generation aus der Juso geltend machen. Diese übt in personellen Fragen immer wieder Druck aus, letztmals bei der Bundesratskandidatur von Daniel Jositsch. Mit der bisherigen SP-Doppelspitze war man im Juso-Umfeld zwar meist zufrieden, aber man wünschte sich noch mehr Gehör für Anliegen wie jene der queer-feministischen Bewegung oder der Klimabewegung, die die Juso prägen.

Das könnte ein Argument sein für Fabian Molina, für die Kantonsrätin Qëndresa Sadriu-Hoxha oder für Oliver Heimgartner, den Co-Präsidenten der Stadtzürcher SP, die der Juso alle noch nicht allzu lange entwachsen sind.

Die Bilanz: Ruhe, Stabilität – und der Fall Fehr

Eher unwahrscheinlich ist, dass sich in der SP eine Integrationsfigur findet, die ein Ohr für alle hat und das Präsidium im Alleingang übernehmen könnte. Priska Seiler Graf will dies zwar nicht ausschliessen, sie würde aber erneut eine Doppelspitze empfehlen.

Nicht nur, um für Ausgleich zu sorgen, sondern auch aus Pragmatismus: In Stresssituationen wie 2021, als es zum endgültigen Bruch mit Mario Fehr kam und dieser die Partei verliess, hätten sie und Daurù sich entlasten können – «das war überlebenswichtig». Die beiden haben sich auch als Persönlichkeiten gut ergänzt.

Dass es ihnen nicht gelungen ist, den Konflikt mit Fehr zu entschärfen, wie sie es sich vorgenommen hatten, trübt die Bilanz des abtretenden Führungsduos. Zumal es die SP einen Regierungssitz gekostet hat und der Versuch misslungen ist, diesen mit Priska Seiler Graf als Kandidatin zurückzuerobern. Allerdings war dies auch schwierig, weil alle Bisherigen erneut antraten.

Rückblickend sagt Seiler Graf zur Trennung: «Es ist für beide Seiten besser so.» Dadurch sei Ruhe eingetreten, die Stimmung in der Partei sei heute besser.

In den Kantonsratswahlen blieb die Zürcher SP während des Präsidiums von Seiler Graf und Daurù stabil. In den Nationalratswahlen machte sie die Verluste von 2019, als sie 4 Prozentpunkte Wähleranteil an die Grünen abgeben musste, 2023 fast komplett wieder wett. Sie gewann zudem mehrere Abstimmungen, die ihr wichtig waren, etwa gegen Spitalprivatisierungen, für einen Soziallastenausgleich und fürs Energiegesetz. Und was Seiler Graf und Daurù besonders freut: Die Zahl der Zürcher SP-Mitglieder ist von 5000 auf 6500 gestiegen.

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