Während die Urbanisierung voranschreitet, stehen Städte vor der Herausforderung, ihre Logistik nachhaltig zu gestalten. Elektro-Nutzfahrzeuge und innovative Lieferkonzepte könnten die Lösung sein, doch es mangelt an Infrastruktur und klaren Rahmenbedingungen.

Der Trend zur Verstädterung und zur Megacity hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren verstärkt. Es werde immer grössere Stadtgebiete und eine immer engere Besiedlung geben, stellt etwa eine Studie des Datendienstleisters Statista fest. So hat sich der Anteil der urbanen Bevölkerung an der weltweiten Gesamtbevölkerung von 29,6 Prozent im Jahr 1950 auf 54,1 Prozent im Jahr 2015 gesteigert. Die Studie prognostiziert ein Anwachsen der urbanen Population bis 2050 auf 67,4 Prozent.

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Das Problem bei der Urbanisierung klingt banal: Viele Arbeitende und Konsumenten sind auf engen Räumen konzentriert. Das hat zur Folge, dass immer mehr Städte über hohe Schadstoffbelastungen klagen und immer öfter auf den motorisierten Verkehr zeigen. Der nagt an der Luftqualität in urbanen Strassen und schränkt den verfügbaren Platz durch Verkehr und Parkplätze ein. Fahrverbote in Innenstädten sollen die Emissionsproblematik lösen. Der Strassenverkehr war 2024 in der Schweiz laut Erhebung des Bundesamts für Umwelt mit 34 Prozent der grösste Emittent von Treibhausgasen.

Auch der Vorwurf des Platzverlustes in den Städten ist nicht von der Hand zu weisen, denn der Fahrzeugbestand wächst. In den vergangenen zehn Jahren wuchs die in der Schweiz fahrende Flotte um knapp 10 Prozent auf rund 4,8 Millionen Privatfahrzeuge. Gleichzeitig ist das Angebot an Parkplätzen am Stadtrand mit Anbindung ans Zentrum durch den öffentlichen Verkehr noch gering. Die Fahrt im Auto in die Stadtmitte verliert zwar zunehmend durch Verkehrsberuhigungsmassnahmen wie weniger Fahrspuren und Tempo-30-Zonen an Attraktivität. Aber für manche Autofahrten in den Ballungszentren gibt es kaum Alternativen. Man denke etwa an Fahrdienste und Taxis.

Bei Fahrverbotsforderungen bleibt die Logistik unbeachtet

Vergessen wird bei Forderungen nach autofreien Städten vielfach die Lieferlogistik. Konsumenten möchten in ihrem Lieblingsgeschäft einkaufen. Aber wie sollen die Waren in die Produktauslagen und -regale gelangen, damit attraktive Preise eingehalten werden können?

Die Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers hat die Logistikbedürfnisse in Städten untersucht. Sie geht davon aus, dass die Transportleistung im Güterverkehr auf der Schiene und der Strasse bis 2050 gegenüber 2017 um 30 Prozent zunehmen könnte, sei es durch Bevölkerungswachstum oder durch vermehrte E-Commerce-Angebote.

Am grossen Diesel-Lkw mit Ladefläche halten die meisten Grossverteiler bei der Anlieferung zu den Läden im Einkaufsviertel fest. Einige stellen auf Elektro-Lastwagen um, aber noch ist die Zurückhaltung gross, denn mit dem im Vergleich zum Verbrenner oft teureren Stromer-Nutzfahrzeug kommt neuer Bedarf an Ladestationen für die Antriebsbatterien. Gemäss dem Verband des Strassenverkehrs Strasse-Schweiz sind per 3. Quartal 2024 von rund 440 000 Lieferwagen nur gerade 2,5 Prozent Elektro- und Hybridfahrzeuge. Bei den gut 55 000 Lkw und Sattelschleppern ist der Schweizer Anteil an wiederaufladbaren Fahrzeugen mit etwa 1000 Stück oder 1,8 Prozent sogar noch geringer.

Die Vereinigung Schweizer Fahrzeugimporteure Auto-Schweiz sieht jedoch im Bereich der Neuzulassungen einen Trend hin zur Elektrifizierung im Nutzfahrzeugbereich und stellt fest, dass fast jeder zehnte neue Lkw über einen vollelektrischen Antrieb verfüge. Der Auto-Schweiz-Direktor Thomas Rücker gibt sich optimistisch: «Gerade im Hinblick auf die erstmalige Einführung von CO2-Vorgaben für neue Lastwagen ab 2025 sind steigende Immatrikulationen von E-Trucks eine gute Nachricht.»

Doch beklagt Rücker, dass für die zunehmende Elektrifizierung der Fuhrparks von Transportunternehmen die Rahmenbedingungen noch mangelhaft seien. Es fehle an einer ausreichenden Schnellladeinfrastruktur. «Und die Unsicherheit, wie es mit der Befreiung von der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe für elektrische Antriebe nach 2030 weitergeht, lässt derzeit viele Logistiker zögern.»

Doch auch bei den Nutzfahrzeugen scheint ein Umdenken in den kommenden Jahren bevorzustehen. Eine neue Studie der Technologie-Analysten von IDTechEx prognostiziert für die kommenden zwanzig Jahre ein enormes weltweites Wachstum bei den leichten Elektro-Nutzfahrzeugen. Von weniger als einer halben Million leichter E-Lieferwagen im Jahr 2024 soll der Bestand bis 2045 auf 11 Millionen Fahrzeuge anwachsen.

Die Autobauer legen konkrete Lösungen vor

Noch ist das Angebot an lokal emissionsfreien Nutzfahrzeugen für eine umweltgerechtere Lieferlogistik begrenzt, insbesondere im Bereich der leichten Nutzfahrzeuge. Daran wollen etablierte und neue Fahrzeughersteller nun einiges ändern – mit neuartigen Lieferwagen ohne Schadstoffausstoss und mit geringerem Platzbedarf.

Der französische Autobauer Renault hat in den vergangenen Wochen eine Reihe von Lösungen für eine emissionsfreie und platzsparende Lieferlogistik in Städten präsentiert. Die Lkw-Abteilung hat vor wenigen Wochen eine Internetplattform namens «The Good City» lanciert. In einer idealen urbanen Welt wollen die Franzosen den Nutzverkehr vollständig elektrifizieren und stellen ihre Ideen für eine emissionsfreie Güterlieferung und eine nachhaltige Abfallentsorgung in der Stadt vor.

Die Pkw-Abteilung von Renault hat derweil eine Palette vollelektrischer leichter Nutzfahrzeuge präsentiert. Eine als elektrisches Rollbrett konzipierte Plattform dient als Basis für drei Transporter namens Trafic, Estafette und Goelette. Sie sollen mit 800-Volt-Ladetechnologie in 20 Minuten von 10 auf 80 Prozent aufladbar sein. Mit günstigen Preisen und E-Reichweiten von 350 bis 450 Kilometern sollen die neuen Fahrzeuge unterschiedliche Transportbedürfnisse abdecken und sind fürs bidirektionale Laden vorbereitet. Insbesondere der Estafette ist als «Meister der letzten Meile» gedacht und erinnert an Lieferwagen verschiedener Paketdienstleister.

Der koreanische Hyundai-Autokonzern stellte im Herbst 2024 ebenfalls neuartige leichte Nutzfahrzeuge mit Batterieantrieb vor. Die Modelle PV5 und PV7 sollen sich in 30 Minuten von 10 auf 80 Prozent aufladen lassen und sich auch als Kühltransporter für tiefgefrorene Lebensmittel eignen. Auch bei den neuen Kia-Nutzfahrzeugen dient eine neue Plattform für variablen Fahrzeugbau zur modularen Anpassbarkeit je nach Einsatz. Kia verspricht für die beiden Lieferwagen höchste Vielseitigkeit und grössten technischen Fortschritt auf dem Markt der leichten Nutzfahrzeuge. Sie sollen im Sommer 2025 auf den Markt kommen.

Anfang 2025 legte der japanische Autobauer Suzuki an der Technikmesse CES in Las Vegas sein Konzept für leichte elektrische Nutzfahrzeuge vor. Unter dem Motto «Impact of the Small» will der Hersteller zeigen, dass kleine Nutzfahrzeuge für grosse Veränderungen in der urbanen Mobilität sorgen können, und dies elektrisch. Als Basis dient ein kompaktes, Skateboard-ähnliches Vehikel, auf dem unterschiedliche Fahrzeugaufbauten möglich sind. Technische Details zu Antrieb, Reichweite und Ladegeschwindigkeiten gibt Suzuki jedoch noch nicht bekannt.

Die Entwicklung hin zum emissionsfreien urbanen Warentransport auf kleiner Verkehrsfläche hat der Zürcher Mobilitätsvordenker Frank M. Rinderknecht bereits vor Jahren vorhergesehen. Sein modulares Liefersystem «Rinspeed City Snap» sieht für Konsumenten eine dezentrale Warenverteilung mittels Containern mit Paketstationen in Siedlungen vor. Dort holen sich die Kunden ihre Waren ab. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Rinspeed-Idee von kapitalstarken Firmen zur Marktreife gebracht und in die Tat umgesetzt würde.

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