Freitag, Februar 21

Erstmals seit einigen Jahren ist die Nettoeinwanderung rückläufig. Dennoch steht die Schweiz vor einer schwierigen Debatte.

Sogar der sozialdemokratische Justizminister Beat Jans tönte unlängst an, dass die Zuwanderung in die Schweiz in den letzten Jahren zu stark gewesen sei. 2023 erreichte diese mit über 100 000 Personen einen Rekordwert. Die Nettoeinwanderung lag damit über dem Höchststand von knapp 90 000 Menschen 2013 – ein Jahr vor dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative der SVP.

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Erstmals seit einigen Jahren ist die Nettozuwanderung nun wieder rückläufig, und das signifikant. Im vergangenen Jahr belief sich diese auf rund 83 400 Personen, wie das Staatssekretariat für Migration (SEM) am Donnerstag mitteilte. Dies entspricht einem Rückgang von 15,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

2024 sind rund 170 600 Menschen in die ständige ausländische Wohnbevölkerung zugewandert; das sind 11 000 Menschen weniger als 2023. Der Grossteil der Einwanderung entfiel auf Bürgerinnen und Bürger der EU- und Efta-Staaten, mit denen die Personenfreizügigkeit gilt. Aus diesem Raum kamen rund 120 000 Personen, was einem Rückgang um 7,6 Prozent entspricht. Aus Drittstaaten wanderten rund 50 000 Personen ein, 2,4 Prozent weniger als im Vorjahr. Der Nachholeffekt, der nach Corona bei der Zuwanderung wie auch bei der Asylmigration zu beobachten war, hat sich abgeschwächt.

Auswanderung nimmt zu

Zum gesunkenen Wanderungssaldo hat auch die höhere Auswanderung beigetragen, vor allem von Bürgern von EU-Staaten. Gemäss dem SEM verliessen von diesen rund 60 600 Personen die Schweiz, was einer Zunahme von 5,9 Prozent entspricht. In den letzten Jahren kehrten etwa zahlreiche Portugiesen in ihre Heimat zurück, wegen der besseren Wirtschaftslage.

Die Zuwanderung bleibt stark durch den Arbeitsmarkt getrieben. Rund 94 600 Personen sind im vergangenen Jahr wegen einer Arbeitsstelle eingewandert, 8,7 Prozent weniger als 2023. Nach zwei Jahren kräftigen Wirtschaftswachstums habe sich der Arbeitsmarkt ab dem Frühjahr 2024 zwar beruhigt, schreibt das SEM. Dennoch herrsche in den meisten Wirtschaftszweigen weiterhin ein starker Fachkräftemangel. Der Familiennachzug ist für rund 25 Prozent der Zuwanderung verantwortlich. Für Personen aus Drittstaaten war dies der Hauptgrund, um in die Schweiz zu kommen.

Insgesamt lebten Ende letzten Jahres 2,36 Millionen Ausländerinnen und Ausländer dauerhaft in der Schweiz. Davon stammten am meisten aus Italien und Deutschland.

Die nächste Zuwanderungsdebatte

Befürwortern der Personenfreizügigkeit mit der EU dürften die Zahlen gelegen kommen. Von einer Trendwende zu sprechen, wäre jedoch verfrüht. Die Zuwanderung unterliegt stets Schwankungen und ist weiterhin hoch. In den nächsten Jahren dürfte dies so bleiben. Mit den geburtenstarken Babyboomer-Jahrgängen verlassen zahlreiche Menschen den Arbeitsmarkt. Zudem läuft die Wirtschaft in der Schweiz nach wie vor besser als in Nachbarländern.

Auch politisch bleibt die Zuwanderung oben auf der Agenda. Bis im April soll der Bundesrat die Botschaft zur SVP-Initiative gegen die 10-Millionen-Schweiz (Nachhaltigkeitsinitiative) verabschieden. Diese verlangt, dass die Bevölkerung in der Schweiz bis ins Jahr 2050 auf maximal 10 Millionen wachsen darf – und stellt die Personenfreizügigkeit und die Bilateralen mit der EU infrage.

Justizminister Beat Jans (SP) hat Ende Januar grünes Licht für Vorschläge erhalten, mit denen der Bundesrat signalisieren will, dass er die Sorgen der Bevölkerung ernst nimmt. So möchte der Bundesrat das Vorgehen gegen Asylsuchende verschärfen, die nicht kooperieren – die SVP-Initiative zielt nicht alleine auf die Zuwanderung, sondern auch auf die Asylmigration. Zudem will der Bund mehr Geld für den gemeinnützigen Wohnungsbau zur Verfügung stellen.

Mit der EU hat sich die Schweiz in Verhandlungen auch auf eine Konkretisierung der bestehenden Schutzklausel im Freizügigkeitsabkommen geeinigt. Sie sieht vor, dass die Schweiz die Zuwanderung aus der EU temporär beschränken kann, wenn diese ernsthafte Probleme wie eine Zunahme der Sozialhilfe oder der Arbeitslosigkeit bewirkt. Im Parlament dürften weitergehende Massnahmen zur Diskussion kommen.

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