Dass der Bürgenstock hoch über dem Vierwaldstättersee zu einem Mythos geworden ist, hat viel mit seinen Gründern zu tun: Franz Josef Bucher und Josef Durrer.

Die Geschichte des Bürgenstocks beginnt in Kerns im Kanton Obwalden. Von hier kommen die beiden Gründer: Franz Josef Bucher (1834–1906) und Josef Durrer (1841–1919). Bucher ist der Sohn eines vermögenden Bauern, Durrers Vater ist Schreiner.

Josef Durrer betreibt in der Nähe von Giswil mit seiner Familie eine Sägerei, Bucher tritt ins kleine Familiengeschäft ein und bringt sein Vermögen ein. So entsteht 1864 die Firma Bucher & Durrer. Sie eröffnen 1868 im nahen Kägiswil die erste Parkettfabrik der Schweiz.

Die beiden könnten nicht unterschiedlicher sein: Hier der ungehobelte Bucher, dort der zurückhaltende Durrer. Die Gegensätze werden ihre Zusammenarbeit prägen und schliesslich auch zur Trennung führen. Aber bis dahin ist ein weiter Weg. Durrer leidet unter der Tatsache, dass er keine höhere Bildung hat, er liest in seiner Freizeit alles, was er in die Finger bekommt.

1868 kommt es zu einer Doppelhochzeit, Franz Bucher heiratet Josephine Durrer, die Schwester von Josef Durrer. Josef Durrer nimmt Anna Maria Gasser aus dem nahe gelegenen Lungern zur Frau. Damit sind die beiden Geschäftspartner verschwägert.

Die Sägerei und die Parkettfabrik florieren. Statt Wohnhäuser und Scheunen zu bauen, wollen die zwei mehr. Sie kaufen 1869 in Engelberg Land und bauen 1870 dort das Hotel Sonnenberg. Der Auftakt misslingt, der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71 macht ihnen einen Strich durch die Rechnung: Es kommen kaum Gäste.

Trotzdem können die beiden das Haus schon 1871 zu einem guten Preis verkaufen. Nun ist genug Kapital da für das nächste Abenteuer. Das wartet buchstäblich um die Ecke: Oberhalb des Vierwaldstättersees kaufen sie die 600 000 Quadratmeter grosse Alp Tritt.

Die bisherige Besitzerin, die Korporation Luzern, stuft das Land als landwirtschaftlich wertlos ein und überlässt es den beiden für wenig Geld. Es ist schwer zugänglich, bietet aber eine grandiose Aussicht auf Berg und See. Aus der Alp Tritt wird der Bürgenstock. Der Name bezeichnete ursprünglich eine Felsnase auf dem Gebiet.

1873 eröffnen sie hier das erste Hotel – das Grand-Hotel Bürgenstock. Die Region Vierwaldstättersee steigt gerade zur international gesuchten Destination auf, das Hotel kommt damit im richtigen Moment. Die Inneneinrichtung des Grand-Hotels Bürgenstock ist nobel – und selbstverständlich zeigen die Unternehmer hier ihr schönstes Parkett.

Doch die unterschiedlichen Charaktere der beiden Unternehmer werden zum Problem: 1877 kommt es zur ersten Trennung, die aber bald rückgängig gemacht wird. Die beiden nutzen jede Chance, die sich ihnen bietet. Sie beteiligen sich an weiteren Hotels in Luzern, Genua und Rom. 1881 erwerben sie eine Sägerei in Siebenbürgen, im damaligen ungarischen Königreich. 1885 bauen sie eine Parkettfabrik in Bukarest. Die Expansion wird nötig, weil die Behörden in Obwalden keine weiteren Holzschläge mehr erlauben.

1886 folgt eine Drahtseilbahn beim Bahnhof von Lugano. Danach geht es auf dem Bürgenstock weiter: Auf der einstigen Alp ist Platz genug für weitere Bauten. Als die Strasse zu eng wird, beschliessen die beiden, auch hier eine Bahn zu bauen. Allerdings passt das nicht allen: Stammgäste befürchten, es könnte bald zu viel Rummel geben. Bei der Inspektion des Trassees verunfallt der älteste Sohn Buchers, Robert Bucher, tödlich. 1888 wird die Bahn eröffnet. Schon im ersten Betriebsjahr transportiert sie über 25 000 Personen.

Das Ende der Doppelgleise

Die Bürgenstockbahn ist weltweit die erste rein elektrisch betriebene Standseilbahn und erst die dritte Bahn mit dem vom Ingenieur Carl Roman Abt (1850–1933) entwickelten System mit nur einem Gleis und einer Ausweichstation in der Mitte; dies machte die bisherigen Doppelgleise überflüssig. Abt dürfte auch bei den anderen Bahnen von Bucher & Durrer die Hand im Spiel gehabt haben. Im gleichen Jahr wird auf dem Bürgenstock mit dem Park-Hotel ein weiterer Betrieb eröffnet; 1904 folgt das Hotel Palace.

Sägereien und Parkettböden, Hotels und Bergbahnen – das ist nun das Portfolio der Firma Bucher & Durrer. Bucher kümmert sich um die Hotels und Bahnen, Durrer um die Sägereien und Fabriken. Seilbahnen sind gefragt: 1890 bauen sie die San-Salvatore-Bahn in Lugano und die Righi-Bahn in Genua, 1893 folgt die Stanserhornbahn.

Zwei weitere Bahnen baut Bucher nach der zweiten Trennung: 1899 die Bahn zu den Reichenbach-Fällen in Meiringen und 1900 die Bahn von Vevey auf den Mont Pèlerin. Ebenfalls nach der Trennung lässt er 1897 für eine Gräfin eine Kapelle auf dem Bürgenstock bauen. 1954 werden in dieser Kapelle die Filmstars Audrey Hepburn und Mel Ferrer heiraten.

Wie konnten sie das alles in so kurzer Zeit bewältigen, teilweise weit von der Heimat entfernt? Der Urenkel von Josef Durrer, der Sarner Unternehmer Bruno Durrer, war bis zur Pensionierung im Parkettgeschäft tätig. Heute ist er noch Präsident des Schweizer Parkettverbands. Er sagt: «Burschen aus Kägiswil haben die Unternehmungen in Siebenbürgen geleitet, Handwerker aus der Innerschweiz haben beim Bau der Hotels in Italien mitgearbeitet.»

Was die Hotels angeht, so integriert Bucher schon früh seine Söhne. Josef Durrer hatte ausserdem ein ausgesprochenes Flair für Technik und dürfte sich gut mit dem Luzerner Eisenbahningenieur Abt verstanden haben. Durrer hat für die Stanserhornbahn eine Zangenbremse entwickelt, effektiv und günstiger als die damals gängigen Zahnradbremsen, was dem sparsamen Bucher wiederum gefallen hat. Man erzählt, Bucher sei immer dritter Klasse gereist – und auch das nur, weil es keine vierte gegeben habe.

Die Genua-Millionen

Trotz Erfolg und Reichtum bleiben Bucher und Durrer so unterschiedlich wie zu Beginn. Das führt 1895 zur zweiten und definitiven Trennung: Bucher erhält für den Bau eines Abschnittes des neuen elektrischen Trams in Genua eine Million Franken und lässt sich das Geld bar auszahlen. Mit den Notenbündeln posiert er vor seinem Haus in Kerns – im Hintergrund seine Frau und zwei seiner Kinder.

Das Foto des ersten Obwaldner Millionärs geht durch die Presse. Mit seinem Kompagnon teilen will er aber nicht. Das bringt für Josef Durrer das Fass zum Überlaufen. Die beiden trennen sich und teilen das in einem Zirkular mit. Fortan kümmert sich Bucher um die Hotels und Bahnen, Durrer um die Fabriken.

Was den Firmennamen angeht, so greift Bucher in die Trickkiste: Seine neue Firma heisst nun Bucher-Durrer und nicht mehr Bucher & Durrer. Er kann das tun, weil seine Frau eine geborene Durrer ist. Die Trennung hindert die ehemaligen Geschäftspartner aber nicht daran, im Jahr 1904 für ein Foto auf dem Stanserhorn gemeinsam zu posieren. So haben es die beiden auch in besseren Zeiten gehalten: Sie stritten lauthals vor Gericht und gingen danach miteinander essen, wie die Legende erzählt.

Überhaupt ist es nicht immer einfach, Dichtung und Wahrheit auseinanderzuhalten. Viele Obwaldner haben Vorfahren, die irgendeinmal für die beiden Pioniere gearbeitet haben und Geschichten über die zwei erzählen. Bucher zum Beispiel soll zum Beispiel nur gerade ein einziges italienisches Wort gekannt haben: subito!

1905, ein Jahr vor seinem Tod, setzt Franz Josef Bucher mit dem Bau des Hammetschwandliftes auf dem Bürgenstock noch einen drauf: Es wird der höchste freistehende Lift der Welt und eine weitere Pionierleistung, gebaut von der Firma Löhle & Cie in Kloten, die spezialisiert auf Brücken- und Stahlbauten war.

Gleichzeitig eröffnet er einen Wanderweg in der steilen Nordwand, den Felsenweg. Auch das wiederum eine Pioniertat: Italienische Mineure sprengten, teilweise unter Lebensgefahr, den Weg in den Fels. Der Hotelkönig Bucher macht nach der Trennung weiter mit Hotels in Basel, Lugano, Mailand, Kairo und in Luzern, wo mit dem Hotel Palace ein neuer Prachtbau entsteht.

Hotspot der Reichen

Franz Josef Bucher stirbt am 6. Oktober 1906 in Kairo, einen Tag vor der Eröffnung des Hotels Semiramis in Kairo, das er mit 500 Handwerkern aus der Heimat hat bauen lassen. Josef Durrer stirbt am 26. April 1919 in Sarnen. Nach dem Tod von Bucher zerstritten sich dessen Söhne, der Erste Weltkrieg brachte das Geschäft und damit auch den Tourismus auf dem Bürgenstock zum Erliegen. 1925 kaufte der Unternehmer Friedrich Frey-Fürst (1882–1953) die ganze Anlage, investierte massiv, nach seinem Tod übernahm sein Sohn Fritz Frey und machte das Hotel wieder zu einem Hotspot der Reichen.

Spätestens in den 1980er Jahren wird klar, dass der Sanierungsbedarf riesig ist und die Möglichkeiten der Familie Frey übersteigt. Sie verkaufen die Anlage – die am Schluss ein Fonds aus Katar übernimmt. 2018 wird das neue Resort eröffnet: Schulreisen und Wandergruppen kommen nicht mehr, 90 Franken kostet die Fahrt ab Luzern mit dem Katamaran und der renovierten Bahn hin und zurück, für die sechsminütige einfache Fahrt mit der Bahn sind es 25 Franken. Bratwurst und Älpler-Magronen für hungrige Tagestouristen gibt’s hier auch nicht mehr.

Literatur: Romano Cuonz: Der Hotelberg. Geschichte und Geschichten vom Bürgenstock-Resort 1871 bis heute. Zürich 2018. NZZ Libro.

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